• 23.8.2017

Renommierte ERC Starting Grants für Forschungsvorhaben aus Medizin und Physik

EU-Förderung für sechs Nachwuchsprojekte

Sechs junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) werden künftig mit Starting Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC) gefördert. Die renommierten Forschungspreise gehen an je zwei Projekte aus Kardiologie und Neurowissenschaften, Forschungsschwerpunkte der Medizinfakultät, an ein Projekt zu einer besonderen Form von Plasma und eines zur Struktur von Chromosomen. Darüber hinaus geht ein sogenannter Proof-of-Concept-Grant an ein Projekt aus der Physik.

Logo des ERC.
Die Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) gehören zu den wichtigsten Forschungsförderugen Europas. (Bild: ERC)

Jedes Jahr vergibt der Forschungsrat Grants in verschiedenen Kategorien. Starting Grants richten sich an vielversprechende wissenschaftliche Nachwuchskräfte und sind mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotiert. Proof-of-Concept Grants werden an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die prüfen wollen, ob aus ihren ERC-Forschungsprojekten marktfähige Innovationen entstehen können, ein Aspekt, der an der TUM als unternehmerischer Universität gleichermaßen Aufmerksamkeit findet. Durch die Neuzugänge steigt die Zahl der ERC-Grants an der TUM auf 79.

Privatdozent  Dr. Valentin Riedl

In welchen Hirnstrukturen sind unsere Gedächtnisinhalte verortet? Verschiedene Theorien vermuten den Hippocampus als Eintrittspforte für neue Erinnerungen, die dann schrittweise in weit verzweigte Netzwerke der Großhirnrinde integriert werden. Beim Menschen wurden diese Gedächtnisrouten jedoch noch nie direkt gezeigt. Privatdozent Dr. Valentin Riedl vermutet, dass unser Gehirn im Ruhezustand neue Erinnerungen mit früheren Gedächtnisinhalten im sogenannten „Default Mode Network“ (DMN) integriert. Das DMN verbraucht vor allem im Ruhezustand besonders viel Energie, der Grund dafür ist jedoch bisher ungeklärt. 

Mithilfe des ERC-Grants wird Riedl untersuchen, was genau im DMN vor sich geht, wenn wir Erinnerungen verarbeiten. Möglich wird das durch neue Analyseverfahren, die Riedl für ein neuartiges PET/MRT-Gerät entwickelt hat. Mit dieser Kombination von bildgebenden Verfahren lassen sich zeitgleich Hirnnetzwerke und ihr Energieverbrauch sichtbar machen. Damit will Riedl beobachten, wie neue Gedächtnisinhalte langsam in Regionen gefestigter Erinnerungen „wandern“. In einem weiteren Schritt will er überprüfen, ob die nichtinvasive Stimulation der DMN-Regionen des Gehirns mit Magnetfeldern die Verarbeitung von Erinnerungen beeinflussen kann – ein möglicher Therapieansatz für Erkrankungen, bei denen dieser Prozess gestört ist.

Valentin Riedl hat in Medizin und in Systemischen Neurowissenschaften promoviert. Er leitet die Forschungsgruppe „Neuroenergetics of human brain function“ in der Abteilung für Neuroradiologie am TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar. Das Team ist ebenfalls am TUM-Neuroimaging Center (TUM-NIC) beteiligt.

Dr. Simon Jacob

Dr. Simon Jacob erforscht das sogenannte Arbeitsgedächtnis. Dieser Teil des Erinnerungsvermögens ist vereinfacht gesagt ein Zwischenspeicher. Erst durch unser Arbeitsgedächtnis sind wir in der Lage, Aufgaben zu erledigen auch wenn wir Ablenkungen ausgesetzt sind. Bisher ist nicht bekannt, welche Bereiche des Gehirns auf welche Weise am Arbeitsgedächtnis beteiligt sind. Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, ob Menschen oder Tiere untersucht wurden. Ob der Grund dafür in unterschiedlichen Messmethoden oder prinzipiellen Unterschieden in der Arbeitsweise der Gehirne liegt, ist unklar. Dr. Simon Jacob wird in seinem ERC-geförderten Projekt sowohl mit Menschen als auch mit Mäusen arbeiten, um diese Frage zu beantworten. Probanden und Versuchstiere werden in Dr. Jacobs Studie vergleichbare Aufgaben lösen, in denen das Arbeitsgedächtnis gefragt ist. Ihre Hirnaktivität wird dabei mit ebenso vergleichbaren Messmethoden aufgezeichnet, die die Darstellung der Aktivität individueller Nervenzellen erlauben. Die Ergebnisse könnten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis einer unverzichtbaren Hirnfunktion leisten.


Dr. Simon Jacob leitet seit 2015 die Arbeitsgruppe „Translational NeuroCognition“ am Institut für Neurowissenschaften der TUM.

Dr. Rabea Hinkel

Dr. Rabea Hinkel erforscht die Auswirkungen von Diabetes auf kleine Blutgefäße am Herzmuskel. Sie konnte bereits zeigen, dass sich diese Äderchen bei einem hohen Blutzuckerspiegel verstärkt auflösen. Je mehr der kleinen Gefäße verschwinden, desto größer wird das Risiko eines Herzinfarkts. In ihrem ERC-geförderten Projekt will Rabea Hinkel die Ergebnisse ihrer Forschung weiter vertiefen. Zum einen wird sie neue molekulare Ansätze für Medikamente erforschen, die kleine Herzkranzgefäße stabilisieren und neu wachsen lassen. Zum anderen wird sie klären, ob sich die stabilisierten Äderchen die Funktion des Herzmuskels bei Diabetes langfristig verbessern lässt.

Dr. Rabea Hinkel ist seit 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Molekulare Interventionelle Kardiologie an der Klinik für Innere Medizin I., des TUM-Universitätsklinikums rechts der Isar.

Dr. Hendrik Sager

Bei Atherosklerose bilden sich an den Wänden von Blutgefäßen Beläge. Wenn diese sogenannten Plaques einreißen, kann sich an dieser Stelle ein Blutgerinnsel bilden. Dieses verstopft das Gefäß und kann beispielsweise einen Herzinfarkt hervorrufen. Dr. Hendrik Sager wird in seinem ERC-geförderten Forschungsprojekt untersuchen, wie sich Stress auf Atherosklerose auswirkt. Sager vermutet, dass Stress die Entzündungsreaktion im Plaque verstärkt. Diese lässt die Plaques wachsen und dann instabiler werden. Hendrik Sager will diese Vorgänge grundlegend erforschen und mithilfe der Ergebnisse neue Behandlungsansätze für Patienten entwickeln. Für das Projekt arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Grundlagen- und klinischer Forschung in Kardiologie, Immunologie und Psychosomatik zusammen.

Dr. Hendrik Sager leitet seit 2015 die Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Inflammation am Deutschen Herzzentrum München. Zuvor forschte er am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston.

Dr. Ante Bilandzic

Der Aggregatzustand, den der Physiker Dr. Ante Bilandzic untersucht, hat unter natürlichen Bedingungen nur sehr kurz existiert: für den Bruchteil einer Millisekunde nach dem Urknall. Quark-Gluon-Plasma ist ein Zustand, in dem Materie so viel Energie zugefügt wurde, dass selbst die Elementarteilchen Quarks und Gluonen sich relativ frei bewegen können. Quark-Gluon-Plasma kann mittlerweile beispielsweise im Large Hadron Collider (LHC), dem größten Teilchenbeschleuniger der Welt am Genfer CERN, in künstlich erzeugt werden. Genau dort will Ante Bilandzic die Daten für sein ERC-gefördertes Projekt sammeln. Nach Umbauten des LHC im Winter 2014/15 kann Quark-Gluon-Plasma mit noch höheren Energien erzeugt werden. Bilandzic ist Experte für die Auswertung der riesigen Datenmengen, die bei diesen Experimenten anfallen und hofft, mithilfe neuer selbst entwickelter Methoden die genauen Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasma, insbesondere sein Flussverhalten zu erforschen.

Dr. Ante Bilandzic ist seit 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe für Dichte und seltsame hadronische Materie von Prof. Laura Fabbietti. Am CERN gewonnene Daten analysiert er bereits seit gut zehn Jahren.

Dr. Johannes Stigler

Chromosomen verändern im Laufe des Teilungszyklus einer Zelle ihre Struktur. Die vertraute X-Form haben sie vor allem kurz vor und während der Zellteilung. In der sogenannten Interphase, zwischen den Kernteilungen, haben sie dagegen andere Formen. Das hat weitreichende Auswirkungen: Die Struktur eines Chromosoms bestimmt mit, welche Teile des Erbguts aktiv werden oder interagieren. Bislang ist bekannt, dass bestimmte Proteine dafür sorgen, dass sich Chromosomen auf eine bestimmte Art verformen. Was bei diesen Prozessen genau passiert, wissen wir noch nicht. An dieser Stelle setzt das ERC-Projekt von Dr. Johannes Stigler an. Mithilfe neuer mikroskopischer Techniken will er untersuchen, wie Chromosomen „in Form kommen“. Das verwendete Verfahren ist so genau, dass Stigler das Verhalten einzelner Moleküle beobachten kann.


Dr. Johannes Stigler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Molekulare Biophysik.

Prof. Dr. Johannes Barth

Ein Proof-of-Concept Grant wurde an Prof. Johannes Barth verliehen. Die Grundlagen für das aktuelle Projekt „SoftBeam“ legte der Physiker mithilfe eines Advanced Grants des ERC, der ihm 2009 zugesprochen wurde.

Für „SoftBeam“ entwickelte das Team um Prof. Barth und Dr. Hartmut Schlichting eine Methode, um hochempfindliche Moleküle im Vakuum zu kontrollieren. Solche Verfahren bieten neue Möglichkeiten bei der Herstellung von Nanomaterialien, oder bei der Analyse von Stoffen im Rahmen von Massenspektrometrie. Bei beiden Anwendungen sind wichtige Moleküle und biologische Bausteine nur im gelösten Zustand verfügbar, müssen jedoch unter Vakuumbedingungen gehandhabt werden. Bislang gibt es kein universell anwendbares Gerät für diese Aufgabe. Herkömmliche Methoden können insbesondere Moleküle, die empfindlich auf Temperaturschwankungen oder Wasserentzug reagieren, in ihrer Integrität und somit Funktionalität beeinträchtigen. Die Wissenschaftler setzen für ihre Methode auf einen kontrollierten, hochintensiven und hochreinen Ionenstrahl, der aus jeder beliebigen löslichen Substanz erzeugt werden kann und sehr genau geführt wird. Mit dieser Entwicklung soll eine Marktlücke in der Nanotechnologie und der analytischen Chemie erschlossen werden.

Johannes Barth ist seit 2006 Professor für Molekulare Nanowissenschaften und Chemische Physik von Grenzflächen an der TUM und derzeit Dekan seiner Fakultät.

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