• 9.12.2025
  • Lesezeit: 6 Min.

EU-Förderung für Projekte aus Biotechnologie, Medizin und Physik

Sechs ERC Consolidator Grants für Forschende der TUM

Wie können die Eigenschaften von Schleimpilzen künstliche Organe verbessern? Warum bildet Bauchspeicheldrüsenkrebs Synapsen? Wie können Kernspin-Resonanz-Messungen empfindlicher werden? Diese und andere Fragen wollen sechs Forschungsteams an der Technischen Universität München (TUM) mithilfe der renommierten ERC Consolidator Grants beantworten.

Prof. Karen Alim und ein Mitarbeiter im Labor Andreas Heddergott / TUM
Prof. Karen Alim (l.) erforscht die faszinierenden Eigenschaften von Schleimpilzen. Sie und fünf weitere Forschende der TUM werden künftig mit einem ERC Consolidator Grant gefördert. Ziel ihres Projekts: Blutgefäße in künstlichen Organen zu verbessern.

Die Projekte werden durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) mit jeweils bis zu zwei Millionen Euro gefördert. Durch die sechs jetzt eingeworbenen ERC Consolidator Grants steigt die Zahl der ERC Grants an der TUM auf insgesamt 261, 60 davon Consolidator Grants . 

Prof. Dr. Karen Alim

Für viele schwer erkrankte Menschen sind künstliche Organe die große Hoffnung. Doch leider funktioniert die Versorgung der Zellen darin mit Nährstoffen meist nur unzureichend, weil das Netzwerk an Blutgefäßen – anders als in natürlichen Organen – nicht selbst lernt, wie es sich optimal anpassen und ausgestalten muss. Prof. Karen Alim will deshalb im Projekt „Learning Matters!“ grundlegend verstehen, wie Materie lernt und das dann unter anderem den künstlichen Blutgefäßen beibringen. Dabei setzt sie auf die erstaunlichen Fähigkeiten der Schleimpilze. Diese einzelligen Lebewesen sind bekannt dafür, auch ohne ein Gehirn komplexe Probleme zu lösen, etwa den kürzesten Weg durch ein Labyrinth zu finden. Die Vision von Prof. Alim ist es, eine Ära der lernfähigen Materie einzuläuten – Materie, die buchstäblich fühlt und aus ihrer Vergangenheit lernt.

Die Physikerin Karen Alim ist Professorin für Biologische Physik und Morphogenese an der TUM School of Natural Sciences. Ihre Forschung wurde 2020 bereits mit einem ERC Starting Grant gefördert. Sie ist Mitglied der Exzellenzcluster BioSysteM und ORIGINS.

Prof. Dr. Dr. Ihsan Ekin Demir

Grundlage für das Projekt SYNAPSE-ON-CANCER von Prof. Ekin Demir ist eine überraschende Entdeckung seines Teams: Bauchspeicheldrüsenkrebs klinkt sich in das Nervensystem ein und nutzt über sog. Pseudosynapsen dessen Signale für das eigene Wachstum. Über diese Pseudosynapsen empfangen Tumorzellen den Neurotransmitter Glutamat. Dieser löst verschiedene wachstumsfördernde Prozesse aus. Jetzt will Demir genauer untersuchen, wie genau Nervenzellen in den Tumor hineinwachsen, wie die Pseudosynapsen entstehen und was genau dabei auf molekularer Ebene geschieht. Er nimmt an, dass in Pankreastumoren regelrechte Neuronen-Krebs-Netzwerke entstehen. Neben einem besseren Verständnis des Mechanismus will Demir ihn auch für die Behandlung von Patientinnen und Patienten nutzbar machen. Mit bioinformatischen Methoden sucht er nach zugelassenen Medikamenten, die neben ihrer eigentlichen Funktion auch die Pseudosynapsen blockieren.

Ekin Demir ist Mitglied der TUM School of Medicine and Health und Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des TUM Klinikums. Seit 2021 hat er die Else Kröner Clinician Scientist Professur „Translational Pancreatic Surgery” inne.

Prof. Dr. Stefan Guldin

Antikörper sind für Diagnostik und Therapie unverzichtbar, da sie Krankheitserreger binden, neutralisieren und für Immunzellen markieren. Ihre Herstellung ist jedoch teuer, langwierig und meist auf tierbasierte Verfahren angewiesen. Stefan Guldin möchte mit dem Projekt EngToTarget eine Alternative zu biologisch gewonnenen Antikörpern entwickeln: maßgeschneiderte Nanostrukturen, die beispielsweise in Schnelltests eingesetzt werden könnten. Grundlage ist ein Konzept der nanoskaligen Selbstorganisation, nach dem sich einfache molekulare Bausteine so beeinflussen lassen, dass sie hochselektive, multivalente Strukturen ausbilden. Durch diesen Aufbau könnten sie dann an gewünschte Moleküle binden – unter anderem auch an Krankheitserreger. Bisher war das Konzept vor allem theoretisch verankert; nun möchte Stefan Guldin es erstmals in die Praxis umsetzen und Nanopartikel entwickeln, die jeweils an Influenza- und Covid-Viren sowie an Cholera-Bakterien binden und direkt in der Diagnostik anwendbar sind. Das Open-Source-Verfahren, das das Team hierfür realisieren möchte, soll die Vorteile von automatisierten Methoden, Robotik und maschinellem Lernen kombinieren. 

Stefan Guldin ist seit 2024 Professor für Complex Soft Matter an der TUM School of Life Sciences und wissenschaftlicher Co-Direktor des Projekts Proteins4Singapore.

Prof. Dr. Danny Nedialkova

Wenn Proteine nicht richtig funktionieren, kann dies zu schwerwiegenden Problemen in lebenden Organismen führen. Um solche Fehler zu vermeiden, verfügen Zellen über ausgeklügelte Systeme, die sicherstellen, dass Proteine korrekt hergestellt werden. Im Projekt QUALItRNA untersucht Prof. Danny Nedialkova, wie Zellen die Integrität von Transfer-RNAs (tRNAs) bewahren – jener Moleküle, die Aminosäuren zu den Ribosomen transportieren, wo dann Proteine aufgebaut werden. Im Projekt wird erforscht, was geschieht, wenn dieses Schutzsystem versagt, und wie sich die daraus resultierenden Fehler auf die normale Entwicklung von Zellen auswirken. Mithilfe modernster Sequenzierungstechnologien und menschlicher Stammzellmodelle will QUALItRNA jene biologischen Veränderungen identifizieren, die bei tRNA-Funktionsstörungen zu neurologischen Entwicklungsstörungen beitragen können, etwa zu geistiger Behinderung. Langfristiges Ziel ist es, Schwachstellen in diesem Prozess aufzudecken und so neue Ansatzpunkte für zukünftige Therapien zu schaffen.

Danny Nedialkova ist Professorin für Biochemie der Genexpression an der TUM School of Natural Sciences und Leiterin einer Max-Planck-Forschungsgruppe. Ihre Forschung wurde bereits 2018 mit einem ERC Starting Grant gefördert.

Dr. Roberto Rizzato

Die Kernspinresonanz (NMR) ist eine grundlegende Methode in Chemie, Biologie und Medizin, doch ihr Potenzial wird durch ihre bekannte geringe Empfindlichkeit stark eingeschränkt. Im Projekt NMR-NANOTUBES kombiniert Dr. Roberto Rizzato Quantentechnologie und Nanomaterialien, um diese Einschränkung zu überwinden. Er entwickelt Bor-Nitrid-Nanoröhren, die optisch aktive Spin-Qubits beherbergen – eine absolute Neuheit in der heutigen Quantentechnologie. Diese Röhren sind so klein, dass viele von ihnen in eine einzelne lebende Zelle eindringen können und erstmals räumlich aufgelöste NMR-Messungen auf subzellulärer Ebene ermöglichen. Das Projekt untersucht außerdem ihren Einsatz als Hyperpolarisationsplattform bei Raumtemperatur, um NMR-Signale für biomedizinische Anwendungen zu verstärken. Dieser Ansatz eröffnet den Weg zu kompakten, leicht zu bedienenden Geräten, die eines Tages direkt in klinischen Umgebungen eingesetzt werden könnten und so die Zugänglichkeit fortgeschrittener NMR-Methoden erheblich erhöhen würden.

Dr. Roberto Rizzato ist physikalischer Chemiker und forscht an der Professur für Quantensensorik an der TUM School of Natural Sciences.

Prof. Dr. Karoline Schäffner

Nach heutigem Wissensstand besteht das Universum zu rund 25 Prozent aus Dunkler Materie. Weltweit versuchen viele Forschungsteams, die rätselhaften Teilchen der Dunklen Materie nachzuweisen. Eines dieser Experimente, DAMA/LIBRA, nimmt für sich in Anspruch, Dunkle Materie nachgewiesen zu haben. Allerdings fehlt bislang die Bestätigung durch unabhängige Experimente. Im Projekt Pirates PIRATES wollen Karoline Schäffner und ihr Team die strittigen Ergebnisse überprüfen. Dafür verwenden sie das gleiche Detektormaterial wie das Original, arbeiten aber mit deutlich sensibleren supraleitenden Quantensensoren – die kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert werden sollen. Ziel ist dabei, die Produktion solcher Sensoren zuverlässig und skalierbar zu gestalten, um in Zukunft große Sensormatrizen herstellen zu können. Zudem wird die Gruppe neuartige kristalline Materialien testen, die die Empfindlichkeit künftiger Detektoren deutlich erhöhen und damit bisherige Grenzen überwinden könnten.

Karoline Schäffner ist Professorin für Experimental Dark Matter and Neutrinos an der TUM School of Natural Sciences und leitet am Max Planck Institut für Physik eine Forschungsgruppe zum Thema Dunkle Materie. Kürzlich wurde sie im Lise-Meitner-Exzellenzprogramm der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet. Sie ist zudem Mitglied des Exzellenzclusters ORIGINS.

Exzellenzcluster

Erfahren Sie mehr zu unseren sieben Exzellenzclustern: Interdisziplinäre Teams forschen zum Beispiel an nachhaltiger Energieumwandlung, Quanten oder gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien.

Exzellenzcluster

Weitere Informationen und Links

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS