• 15.11.2018

Themen-Spezial "Kampf gegen multiresistente Bakterien"

Bakteriengifte lösen wichtige Bremse des Immunsystems

Die Bakterienart Staphylococcus aureus kann zahlreiche Erkrankungen wie Hautinfektionen, Lungenentzündung oder Blutvergiftung verursachen. Ein Problem sind die starken Immunreaktionen, die die Bakterien auslösen. Grund hierfür sind spezifische Bakteriengifte, wie ein Team der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Tübingen herausfand. Sie verringern die Menge an Zellen, die Immunreaktionen eigentlich bremsen können. Multiresistente Keime, die viel Enterotoxin produzieren, macht das noch gefährlicher.

Staphylococcus aureus Bakterienkultur auf einer Agarplatte. (Bild: ksass / istockphoto)
Staphylococcus aureus Bakterienkultur auf einer Agarplatte. (Bild: ksass / istockphoto)

Es ist ein Cocktail aus unterschiedlichsten Substanzen, den Staphylococcus aureus bei einer Infektion in den Körper abgibt und ihn dadurch schädigt. Darunter sind auch die beiden Bakteriengifte Staphylococcus Enterotoxin A und B (SEA und SEB). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TUM und der Universität Tübingen stellten sich die Frage, ob sie zu den übermäßigen Immunreaktionen gegen die Krankheitserreger beitragen.


Sie untersuchten deshalb den Einfluss dieser Substanzen auf eine ganz besondere Gruppe von Immunzellen, den sogenannten „Myeloid-derived suppressor cells“ (MDSCs). Diese Zellen arbeiten als Bremse des Immunsystems und verhindern, dass Immunreaktionen zu stark werden und so den Körper eher schädigen als ihm zu helfen.

Gifte verstärken Immunreaktionen

Privatdozent Dr. Nikolaus Rieber ist Leiter der Studie und stellvertretender leitender Oberarzt mit den Schwerpunkten Infektiologie und Rheumatologie an der Kinderklinik München Schwabing, die von der TUM und der München Klinik betrieben wird. Mit seinem Team hat er rund 20 unterschiedliche Stämme von Staphylococcus aureus getestet. Darunter auch solche, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Solche multiresistenten Keime sind in Kliniken ein ernstes Problem, da sich durch andere Erkrankungen geschwächte Patienten mit ihnen anstecken und diese Infektionen kaum noch behandelbar sind.

Bei ihren Untersuchungen stellten Nikolaus Rieber und sein Team fest, dass die Menge an Entertoxinen die Wirkung auf die hemmenden MDSCs verändert. Gaben bestimmte Stämme viel Gift ab, führte das dazu, dass es sehr viel weniger kontrollierende Immunzellen gab. Geringe Mengen der Gifte hatten den gegenteiligen Effekt – es gab mehr MDSCs.

„Wir können noch nicht im Detail sagen, ob die hohen Konzentrationen an Toxinen dazu führen, dass MDSCs absterben oder weniger entstehen. Das Ergebnis ist aber dasselbe: die Immunreaktionen werden nicht mehr effektiv in Schach gehalten und entwickeln sich zu stark.“, erklärt Rieber.

Sie stellten fest, dass die multiresistenten Stämme sehr viel Enterotoxin produzierten. „Das dürfte sie neben ihren Resistenzen gegen Antibiotika noch gefährlicher machen. Sie rufen übertrieben starke Immunreaktionen hervor und schwächen so den Körper zusätzlich.“, fasst Rieber das Problem zusammen.

Möglicher Einsatz gegen Krebs

Das Wissen über die Wirkung der Toxine ließe sich auch gegen Krebserkrankungen einsetzen, so Rieber. Bei Tumoren ist häufig das Problem, dass das Immunsystem nicht mehr gegen den Krebs vorgeht, weil hemmende Mechanismen zu stark sind. Rieber erklärt, wie eine Therapie aussehen könnte: „Eine Möglichkeit wäre es, abgeschwächte Enterotoxine einzusetzen und so im Bereich des Tumors stärkere Immunreaktionen hervorzurufen. Die könnten dazu führen, dass die Krebszellen wieder effektiver bekämpft werden.“ Als weiteres Ziel wollen die Forscherinnen und Forscher den molekularen Mechanismus hinter dem von ihnen beobachteten Effekt untersuchen.


Publikation

Stoll H., Ost M., Singh A., Mehling R., Neri D., Schäfer I., Velic A., Macek B., Kretschmer D., Weidenmaier C., Hector A., Handgretinger R., Götz F., Peschel A., Hartl D. and Rieber N.: Staphylococcal Enterotoxins Dose-Dependently Modulate the Generation of Myeloid-Derived Suppressor Cells, Frontiers in Cellular and Infection Microbiology, September 13, 2018, DOI: 10.3389/fcimb.2018.00321 (Open Access)

Kontakt

PD Dr. Nikolaus Rieber
Stellv. Ltd. Oberarzt
Kinderklinik München Schwabing
München Klinik und Klinikum rechts der Isar der TUM
Tel.: +49 (0) 89 3068–3442
nikolaus.rieberspam prevention@tum.de

Mehr Informationen

Die Kinderklinik München Schwabing ist eine Kooperation der TUM und der München Klinik.

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS