• 1.10.2019
  • Lesezeit: 6 Min.

Der neue Präsident Thomas F. Hofmann im Interview

„Wir schaffen einen globalen Tauschplatz des Wissens“

Seit dem 1. Oktober 2019 ist Prof. Thomas F. Hofmann Präsident der Technischen Universität München (TUM). Der Lebensmittel- und Naturstoffchemiker möchte Menschen miteinander in Kontakt bringen und den Diskurs zwischen Universität und Gesellschaft stärken.

Prof. Thomas F. Hofmann ist seit dem ersten Oktober Präsident der Technischen Universität München. A. Eckert / TUM
Prof. Thomas F. Hofmann ist seit dem ersten Oktober Präsident der Technischen Universität München.

Wie sieht für Sie die TUM der Zukunft aus?

Prof. Thomas F. Hofmann: Die TUM der Zukunft ist für mich ein kreativer und aufregender Ort, an dem Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammenkommen können, um sich auszutauschen und sich inspirieren zu lassen, sich gegenseitig herauszufordern, fortzubilden, und zu kollaborieren. Alle mit dem gemeinsamen Ziel, durch Innovationen die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu meistern und das Leben und Zusammenleben der Menschen nachhaltig zu verbessern. Ich denke dabei natürlich an die jungen Leute aus aller Welt, die bei uns studieren. Und an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen und die zahlreichen Alumni und Alumnae, die mit ihrer Erfahrung als „Global Citizens“ immer wieder an ihre TUM zurückkehren. Nur wenn es uns gelingt, gemeinsam einen globalen Tauschplatz des Wissens zu schaffen, können wir verantwortungsvolle Lösungen für die Probleme unserer Zeit, etwa die Folgen des Klimawandels, erarbeiten.

„Mir ist es wichtig, die Ideen, das Wissen und die Kreativität Einzelner wertzuschätzen und zu fördern.”— Prof. Thomas F. Hofmann

Wie wollen Sie die TUM fit für diese Herausforderungen machen?

Mir ist es wichtig, die Ideen, das Wissen und die Kreativität Einzelner wertzuschätzen und zu fördern. Und das unabhängig von sozialen Merkmalen und kulturellen Hintergründen. Diese Vielfalt ist der Schlüssel unserer Mission. Außerdem geht es darum, die Talente aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenzubringen und ihnen Raum zu geben, Neues auszuprobieren und bislang unkartierte interdisziplinäre Territorien zu erschließen – und zwar bevor andere schon da waren! Dafür werden wir unser System der Fakultäten auf Schools umstellen, in denen Expertinnen und Experten verschiedener Fächer an übergeordneten Fragestellungen arbeiten. Wir richten außerdem „TUM Innovation Networks“ ein: interdisziplinäre Teams, die visionären Forschungsansätzen eine Chance geben und sie verfolgen – mit dem Bewusstsein, dass sich auch die beste Idee als Sackgasse oder eben als Quantensprung erweisen kann. Außerdem möchte ich die technikorientierten Geistes- und Sozialwissenschaften ausbauen und in die Lehre und Forschung unserer Ingenieurinnen und Ingenieure integrieren – als Leitmotiv unseres Human-Centered Engineering. Für unsere Studierenden werden sie in Zukunft ganz natürliche Teile ihres Curriculums sein.

Sie waren zehn Jahre lang Geschäftsführender Vizepräsident für Forschung und Innovation – wie hat sich die Forschung an der TUM in dieser Zeit entwickelt und was hat Sie daran besonders begeistert?

Am meisten begeistern mich die zahlreichen wissenschaftlichen Durchbrüche und Innovationen, die unsere Forscherinnen und Forscher in den letzten Jahren erreicht haben.Dafür gilt ihnen mein größter Dank, denn diese Errungenschaften tragen die Reputation der TUM in die Welt hinaus. Sie machen uns noch attraktiver für internationale Spitzentalente. Als Geschäftsführender Vizepräsident war es meine Aufgabe und Freude, die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation weiter zu verbessern. So haben wir zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um individuelle Talente und Teams im Wettbewerb um Drittmittel zu unterstützen. Und das trägt Früchte: So konnten wir zum Beispiel die Sprecherschaft und Beteiligung  an Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFBs) in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent von 21 auf 33 SFBs steigern. Durch unsere maßgeschneiderten Unterstützungsangebote liegt unser Erfolg bei Förderpreisen des European Research Council (ERC) mit heute 117 ERC Grants deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Zu diesem Erfolg hat auch der TUM Faculty Tenure Track beigetragen, den wir 2012 eingeführt haben. Von den bislang über 100 berufenen Assistant Professors aus aller Welt konnten sich zahlreiche Talente bei der ERC- oder SFB-Antragstellung behaupten. Mit dem TUMentrepreneurship-Programm ist es uns in den letzten Jahren gemeinsam mit der UnternehmerTUM gelungen, unsere Position als führende Gründungshochschule in Deutschland auszubauen: Wir bringen jedes Jahr 70 bis 80 TechStart-ups auf den Markt. Insgesamt mehr als 800 Gründungen sind in den letzten 20 Jahren aus der Universität hervorgegangen. Ein Viertel aller vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten EXIST-Gründungsprojekte gehen heute an die TUM. Großartige Erfolge, auf denen ich nun mutig aufbauen will, um die TUM zur führenden Startrampe für Start-ups in Europa zu machen.

Wie werden Forschungsergebnisse in der Lehre und auch über die Universität hinaus wirksam?

Indem wir durch stärkere Wechselwirkung mit den Schulen die Begeisterung unserer zukünftigen Studierenden für Wissenschaft und Technik erwecken. Indem wir den Dialog mit Politik und Gesellschaft deutlich intensivieren und Ausgründungen und Start-ups fördern, die Ideen in gesellschaftlich relevante Produkte und Technologien umsetzen. Und wir werden die Fähigkeit unserer Studierenden schärfen, sich effektiver mit anderen Disziplinen zu verknüpfen. Sie müssen in der Lage sein, die Arbeitsweisen, Werkzeuge und Kenntnisse unterschiedlicher Disziplinen nach Bedarf zusammenzuführen. Um neue Freiräume zu schaffen, werden wir unsere Angebote an Online-Lehrformaten massiv ausbauen und sie zeit- und ortsunabhängig nutzbar machen. Und wir werden diese geschickt kombinieren mit neuen Präsenzformaten der Campuslehre, die wir deutlich stärker auf Interaktion und die interdisziplinäre Verknüpfungsfähigkeit ausrichten werden, etwa durch problemorientiertes und projektbasiertes Lernen in Teams. Damit wollen wir die nächsten Generationen von Studierenden darin unterstützen, kognitiv flexibel zu bleiben, mit Menschen unterschiedlicher Disziplinen, Kulturen und Hintergründe kreativ zusammenzuarbeiten, andere zu inspirieren und ihre unternehmerische Neugier als „Studentpreneur“ zu aktivieren. Und schließlich befähigen unsere Formate die Studierenden, verantwortungsvoll zu denken und zu handeln – im Bewusstsein für Ethik und entlang eines moralischen Wertekanons.

„Für die Karrieren unserer Studierenden möchte die TUM ein verlässlicher Ankerplatz sein, zu dem sie immer wieder zurückkommen können.”— Prof. Thomas F. Hofmann

Was verstehen Sie unter lebenslangem Lernen?

Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. Viele der heutigen Technologien werden morgen schon veraltet sein! Unsere Alumnae und Alumni werden künftig häufiger den Arbeitgeber wechseln als ihre Vorgängerinnen und Vorgänger. Gleichzeitig werden Karrieren länger andauern, vermutlich nahezu ein halbes Jahrhundert. Es ist daher unser gesellschaftliches Mandat, unsere Studierenden und Alumnae und Alumni beruflich erfolgreich zu halten, indem wir fortlaufende akademische Weiterqualifizierungen anbieten. Erfolgreiche Alumnae und Alumni werden ein Leben lang Studierende bleiben! Damit leiten wir einen Wandel ein: vom „Einmalstudium“ an der TUM hin zu einem lebenslangen, kontinuierlichen Lernen. Für die Karrieren unserer Studierenden möchte die TUM ein verlässlicher Ankerplatz sein, zu dem sie immer wieder zurückkommen können. Bei uns können sie ihr Kompetenzprofil erweitern und so bei sich stetig ändernden Anforderungen des Arbeitsmarkts beruflich erfolgreich bleiben. Unsere Angebote wird das neue TUM Institute for Life-Long Learning unter einem Dach bündeln. Das Institut organisiert auch die interne Fortbildung unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu starten wir ein Qualifizierungs- und Karriereprogramm für den akademischen Mittelbau – der in der deutschen Academia bislang beschämend wenig Beachtung fand!

Worauf freuen Sie sich am meisten im neuen Amt?

Mein Herz schlägt für die Wissenschaft, deshalb werde ich meine eigene Forschung und Lehre schon vermissen! Aber ich freue mich außerordentlich, dass es nun losgeht und ich meine neue Aufgabe anpacken kann. Ich möchte mich austauschen mit den für den Erfolg der TUM so entscheidenden Menschen: Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wissenschaftsstützende Mitarbeitende, Emeritae und Emeriti, Alumnae und Alumni, Mäzeninnen und Mäzene, Freunde und alle, die uns unterstützen. Sie sind die DNA dieser Universität! Ich bin einer von ihnen – wir teilen die gleichen Prinzipien und Werte. Ihnen möchte ich zuhören und von ihnen lernen, was sie bewegt, was sie antreibt und was ihre Ziele sind. Im Gegenzug erwarte ich, dass sie gedanklich wendig bleiben, kritisch konstruktiv und kollegial, ohne unsere gemeinsamen Ziele aus den Augen zu verlieren. Denn gemeinsam sind wir in der Verantwortung, die uns anvertrauten enormen Ressourcen so zu nutzen, dass wir uns die Unterstützung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auch verdienen.

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Thomas F. Hofmann - Der neue Präsident der TUM

Weitere Informationen und Links

Prof. Thomas F. Hofmann (51) studierte Lebensmittelchemie an der FAU Erlangen-Nürnberg. Er promovierte 1995 und habilitierte sich 1998 an der TUM. 2002 wurde er an die Universität Münster berufen und kehrte 2007 wieder an die TUM zurück. Hier leitet er seitdem den Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik. Im Jahr 2017 wurde er zum Direktor des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie bestellt. Vor seiner Wahl zum Präsidenten der TUM war er zehn Jahre lang Geschäftsführender Vizepräsident für Forschung und Innovation und prägte die Exzellenzstrategien 2012 und 2018 maßgeblich mit.

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