• 29.7.2020
  • Lesezeit: 4 Min.

Mikrobielle Interaktionen stabilisieren Kohlenstoff im Boden

Schlüssel für langfristige Speicherung von CO2 in Böden

Böden spielen in der langfristigen Speicherung von CO2 und somit in dessen Reduktion in der Atmosphäre eine wichtige Rolle und tragen so zur Verlangsamung des Klimawandels bei. Um diese Mechanismen besser zu verstehen, hilft ein Blick in die kleinste Welt der Bodenmikroorganismen: Eine internationale und interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat nun erforscht, wie Mikroorganismen miteinander interagieren und so zu Kohlenstoffabbau und -speicherung in terrestrischen Ökosystemen beitragen.

Frau Prof. Koegel-Knabner mit Studierenden und Doktoranden bei der Bodenprobenentnahme im Freisinger Waldgebiet.
Prof. Ingrid Koegel-Knabner - hier mit Studierenden und Promovierenden bei der Bodenprobenentnahme im Freisinger Waldgebiet - hat mit internationalen Kolleginnen und Kollegen ein neues Konzept der Kohlenstoffstabilisierung im Boden vorgelegt. (Foto: A. Eckert / TUM)

Kohlenstoff, das wichtigste Element für alles Leben auf der Erde, zirkuliert im sogenannten Kohlenstoffkreislauf zwischen Atmosphäre, Ozeanen und Ökosystemen an Land. Während sich ein Kohlenstoffatom in der Atmosphäre im Durchschnitt nur drei Jahre aufhält, bevor es durch pflanzliche Photosynthese gebunden und in Biomasse umgewandelt wird, verweilt es in Landökosystemen im Durchschnitt für 23 Jahre, bevor es durch mikrobielle Zersetzung toter Biomasse wieder als CO2 in die Atmosphäre entweicht.

Bei dieser mikrobiellen Zersetzung toter Biomasse verbleibt jedoch ein Teil des Kohlenstoffs im Boden, wo er dann für sehr lange Zeiträume gebunden sein kann – in tieferen Bodenschichten wird die Verweildauer auf hunderte bis einige tausend Jahre geschätzt. Welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass Kohlenstoff im Boden so effizient "zurückgehalten" wird, ist eine hochaktuelle Frage und Gegenstand intensiver Forschung von Bodenwissenschafterinnen und -wissenschaftlern weltweit.

 

Bodenbedingungen in ständiger Veränderung

Ein neues Konzept der Kohlenstoffstabilisierung im Boden, vorgelegt von einem interdisziplinären Konsortium aus experimentell arbeitenden Forscherinnen und Forschern aus dem Bereich der Bodenwissenschaften und der mathematischen Modellierung unter der Leitung von Johannes Lehmann von der Cornell Universität berücksichtigt nun, dass sich das Leben von Bodenmikroorganismen auf kleinster Skala in einer hochkomplexen Umwelt abspielt. Johannes Lehmann war im Rahmen seines Hans Fischer Senior Fellowships mehrfach zu Gast am Institute for Advanced Study der Technischen Universität München (TUM-IAS). Die Ergebnisse des Konsortiums wurden in "Nature Geoscience" veröffentlicht.

"Wieviel Kohlenstoff von Mikroorganismen abgebaut oder in langfristig speicherbare Biomasse umgewandelt wird, hängt demnach nicht nur davon ab, wieviel Kohlenstoff und wieviel Mikroorganismen sich in Summe im Boden befinden, sondern auch sehr stark von der Wahrscheinlichkeit, ob sich ein Mikroorganismus und eine organische Kohlenstoffverbindung auf der mikroskopisch kleinen Skala im Boden überhaupt treffen. Je ungleichmäßiger die räumliche Verteilung von Mikroorganismen und Kohlenstoff im Boden ist, desto größer ist die Chance, dass ein Kohlenstoffmolekül isoliert ist, und daher nicht abgebaut wird", erklärt die Letztautorin des Papers Ingrid Kögel-Knabner von der TUM.

"Die Bedingungen im Boden ändert sich ständig," sagt Johannes Lehmann, Erstautor der Studie. "Obwohl es viel Kohlenstoff gibt, verhungern Mikroorganismen, insbesondere wenn sie sich an sich ständig ändernde Bedingungen in einem Labyrinth anpassen müssen."

 

Soziale Interaktion von Mikroorganismen

Darüber hinaus spielt die chemische Diversität von toter Biomasse im Boden eine große Rolle, da Mikroorganismen für jede Art von Molekül, das sie abbauen wollen, erst die dafür geeigneten Enzyme produzieren müssen.
Wenn die abzubauenden Moleküle sehr verschieden sind und von jeder Molekülart dafür aber nur wenig vorhanden ist, zahlt es sich für Mikroorganismen mitunter nicht aus, in die Produktion von vielen verschiedenen Enzymen zu investieren, wovon jedes nicht viel "Gewinn" in Form von gewonnener Energie bringen kann. Wieviel eine Investition bringt, ist jedoch für eine Bodenmikrobe von großer Bedeutung, da sie in starkem Konkurrenzkampf mit vielen anderen Bodenmikroorganismen steht.

Manchmal formen sich dadurch auch Allianzen zwischen Mikroorganismen, um Ressourcen gemeinsam besser in einer Gruppe aufschließen zu können. Diese vielfältigen Interaktionen zwischen Mikroorganismen können zu emergenten Phänomenen, also einer Art "Selbstorganisation" der mikrobiellen Gemeinschaft führen, die sich wiederrum auf Kohlenstoffabbau und -speicherung auswirkt.

 

"Funktionelle Komplexität" des Bodens

"Der Boden ist ein hochkomplexes Ökosystem, in dem viele verschiedene Arten von Mikroorganismen und Kleinstlebewesen zumeist in Bodenporen – aus mikrobieller Sicht eine Art Tunnelsystem – miteinander interagieren," sagt Christina Kaiser von der Universität Wien, die zu diesem Thema auch im Rahmen ihres vom European Research Council (ERC) geförderten Projekts forscht. "Diese sozialen Interaktionen der Bodenmikroorganismen beeinflussen das ganze System und damit auch die Stoffkreisläufe im Boden."

Das neue Konzept postuliert daher, dass die "funktionelle Komplexität" des Bodens, bestehend aus der räumlichen Verteilung von Mikroben und abbaubaren Kohlenstoffverbindungen, sowie die chemische Vielfalt dieser Verbindungen, gemeinsam mit der Selbstorganisierungsfähigkeit des mikrobiellen Ökosystems, einen starken Einfluss auf die langfristige Stabilisierung von Kohlenstoff im Boden hat.

Diese neue Betrachtungsweise könnte in Zukunft dazu beitragen, die Mechanismen der Speicherung von Kohlenstoff im Boden besser zu verstehen. Ein Verständnis, das nicht nur für die Entwicklung genauerer Klimavorhersagemodelle von Bedeutung ist, sondern auch als Grundlage für die Entwicklung von "klimarelevanten" Bodenmanagementpraktiken dienen könnte. Eine gezielte Bewahrung der funktionellen Komplexität im Ökosystem Boden könnte dafür sorgen, dass der Kohlenstoff noch langfristig darin gespeichert bleibt.

 

Publikationen

Johannes Lehmann, Colleen M. Hansel, Christina Kaiser, Markus Kleber, Kate Maher, Stefano Manzoni, Naoise Nunan, Markus Reichstein, Joshua P. Schimel, Margaret S. Torn, William R. Wieder, Ingrid Kögel-Knabner (2020), Persistence of soil organic carbon caused by functional complexity, Nature Geoscience. DOI: 10.1038/s41561-020-0612-3
 

Weitere Informationen und Links

Die Forschung wurde gefördert durch das Institute for Advanced Study der Technischen Universität München (TUM-IAS) mit Mitteln der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder und des 7. Europäischen Rahmenprogramms (Marie-Curie-COFUND-Projekt Nr. 291763).

Prof. Kögel-Knabner ist Mitglied des Hans-Eisenmann-Forums (HEF) für Agrarwissenschaften, einem Zentralinstitut der TUM.

Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung der Technischen Universität München und der Universität Wien.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Ingrid Kögel-Knabner
Technische Universität München
Lehrstuhl für Bodenkunde
Tel.: +49-(0)8161-713677
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