• 6.8.2021

TUM-Team entwickelt Rover, der lunaren Staub in Baumaterial umwandelt

LARSS auf dem Weg zum Mond

Mit einem ferngesteuerten Rover, der Staub und Sand in festes Baumaterial verwandeln kann, nimmt ein Team der TUM-Studentengruppe WARR an der IGLUNA Feldkampagne 2021 der Schweizer Space-Innovation teil. Die Studierenden wollen damit einen Beitrag leisten zum Bau einer ersten menschlichen Siedlung außerhalb der Erde.

Laura Bauer mit Mond-Rover LARSS Patrick Ulf Weiner
LARSS bei der Arbeit: Nur mit Schutzbrille kann TUM-Studentin Laura Bauer von der WARR dem Mond-Rover zusehen.

Gleich geht‘s los. Gespannt beobachten die Mitglieder des TUM-Teams, wie LARSS erwacht. Der sechsrädrige Rover steht auf einem kleinen Plateau gleich neben der Bergstation der Pilatus-Seilbahn in mehr als 2000 Metern Höhe.

Auf Befehl des Operators, der LARSS vom Control Room im Verkehrshaus Luzern aus steuert, öffnet sich die Sonnenblende. Zum Vorschein kommt eine 46 mal 46 Zentimeter Zentimeter große Linse, die über zwei Rundschienen beweglich mit dem Rover verbunden ist. Mit einem leisen Surren richten Elektromotoren die Linse exakt in Richtung Sonne aus.

Sinterprozess beginnt

Auf dem Sand unter dem Rover erscheint ein kleiner, gleißend heller Lichtfleck. Die Studierenden packen schnell die dunklen Schutzbrillen aus – das durch die Linse fokussierte Sonnenlicht ist so hell, dass es die Augen schädigen kann. Innerhalb weniger Sekunden wird der Sand auf 800 bis 1000 Grad Celsius erhitzt – Korngrenzen lösen sich auf, der Sinterprozess beginnt.
Während der Lichtstrahl zum nächsten Punkt wandert, kühlt der zuvor erhitzte Fleck aus und erstarrt. Punkt für Punkt erzeugt LARSS – der Kosename ist die Abkürzung für Lunar Automated Rover for Solar Sintering – im Sand eine dünne Linie aus gesintertem, harten Material.

Gebannt sieht das TUM-Team LARSS bei der Arbeit zu: „Es ist das erste Mal, dass ein mobiler Rover mit einer Optik zum Sintern ausgestattet wurde“, erklärt Laura Bauer. „Teil eines Teams zu sein, das eine völlig neue Technik entwickelt, ist natürlich cool. Aber das eigentlich Entscheidende ist nicht so sehr das Ergebnis, sondern der Weg dorthin: Im Physikstudium haben ich viel über Material- und Werkstoffeigenschaften gelernt. Das war alles sehr theoretisch. Hier aber geht es um die Anwendung: Man sieht, dass etwas funktioniert. Das ist enorm motivierend.“

Siedlung auf dem Mond

Ein Jahr lang hat das Team der Studentengruppe WARR – kurz für Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt der Technischen Universität München – an dem Projekt gearbeitet. Die Ziel: Die Teilnahme an der Feldkampagne IGLUNA 2021 der Schweizer Space-Innovation. Die Kampagne stand unter dem Motto: „Weltraumhabitat mit Fernsteuerung“.

Studierende aus aller Welt konnten zukunftsweisende Ideen zur Exploration des Weltraums und zur Verbesserung des Lebens auf der Erde einreichen.  „Wir hatten damals gerade ein Video der ESA gesehen, indem gezeigt wird, wie eine Siedlung auf dem Mond, „Moon Village“ genannt, aussehen könnte. Das hat uns inspiriert“, erinnert sich Projektleiter Michael Ebnicher.

Feldkampagne in der Schweiz

Doch Gebäude auf dem Mond müssten vor Meteoriteneinschlägen geschützt werden. Man könnte sie, so die Überlegung der Studierenden, mit Mondstaub bedecken und diesen verfestigen. Dass Sintern mit Hilfe von Sonnenlicht technisch möglich ist, hatte die ESA bereits demonstriert. Nie zuvor war jedoch versucht worden, die Optik für das Sintern mit einer mobilen Plattform zu verbinden, um ferngesteuert Oberflächen abzufahren und zu verfestigen.

Mit dem Konzept eines ferngesteuerten Rover für Solar-Sintern sicherte sich das WARR-Team – 35 Studierenden aus mehr als 10 Nationen – einen Platz unter den ersten 12 Wettbewerbern und wurde eingeladen an der IGLUNA Feldkampagne vom 16. bis 25. Juli in Luzern teilzunehmen.

Mondähnliche Bedingungen


Doch erst einmal musste LARSS gebaut werden: „Bei der Realisierung unseres Konzepts wurden wir unterstützt durch ein Expertenteam der ESA und verschiedener Luft- und Raumfahrtunternehmen. Wir haben Tipps zum Projektmanagement bekommen, Anregungen, wie man aus Fehlern lernt, wie man Pannen voraussieht und vermeidet. Das war enorm hilfreich und eine echte Vorbereitung aufs Berufsleben“, so Ebnicher.

Am 14. Juli, einen Tag vor Beginn der Feldkampagne, wurde LARSS dann per Seilbahn auf den Pilatus geschickt, um dort – unter mondähnlichen Bedingungen in dünner Luft, bei intensiver Sonneneinstrahlung und ferngesteuert mit einer Zeitverzögerung von 2,5 Sekunden seinen Dienst aufzunehmen.

„Wir dachten wirklich, wir hätten an alles gedacht, doch dann stellte sich heraus, dass eine Platine defekt war. Einer unserer Kommilitonen, der ohnehin erst einen Tag später kommen wollte, hat über Nacht noch eine neue Platine gelötet und mitgebracht“, berichtet Ebnicher. „Und da das Wetter während der ersten Tage ohnehin schlecht war, haben wir auch gar nichts versäumt. Nur viel gelernt.“

Aufbruch in die dritte Dimension

Seit die Platine ausgetauscht wurde, funktioniert alles: LARSS sintert. Punkt für Punkt. Aus Punkten werden Linien, mehrere Linien ergeben eine Fläche. „Die hauchdünne Sinterschicht ist noch nicht praxistauglich, aber sie ist ein Anfang. Und sie beweist, dass die Technik funktioniert“, sagt Ebnicher.

Um den Untergrund zu stabilisieren, bräuchte man größere und vor allem dreidimensionale Strukturen, die sich – ähnlich wie beim 3D-Druck – aus mehreren Schichten aufgebaut werden müsste. Grundsätzlich wäre die mobile solare Sintertechnik hierfür durchaus geeignet, davon ist man der Elektrotechniker überzeugt: „Wer weiß. Vielleicht greift die ESA unsere Technik ja auf und sie kommt beim Bau eines Moon Village zum Einsatz. Dann würde unsere Idee eines Tages zum Mond fliegen – das wäre schon echt phantastisch.“

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Kontakte zum Artikel:

HSTS