• 15.2.2022
  • Lesezeit: 3 Min.

Ein Bluttest für nur 22 Euro könnte schwere Stoffwechselentgleisungen verhindern

Früherkennung von Typ-1-Diabetes bei Kindern

Ein Bluttest reicht aus, um die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes bei Kindern früh zu erkennen und schwere Stoffwechselentgleisungen zu verhindern. Ein Forschungsteam des Helmholtz Munich und der Technischen Universität München (TUM) hat nun berechnet, dass eine Einführung des Screenings in die Regelversorgung das Gesundheitssystem in Deutschland voraussichtlich nur 22 Euro pro untersuchtem Kind kosten würde.

Früh entdeckt kann der Diabetes optimal betreut und behandelt werden. Bleibt er unentdeckt, kann dies eine lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung und ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen zur Folge haben. FatCamera/ iStockphoto
Früh entdeckt kann der Diabetes optimal betreut und behandelt werden. Bleibt er unentdeckt, kann dies eine lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung und ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen zur Folge haben.

Weltweit leben vier von tausend Menschen unter 20 Jahren mit der Diagnose Typ-1-Diabetes. Dieser ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Nur in etwa jedem zehnten Fall gab es bereits einen nahen Verwandten mit der Erkrankung. Das heißt: Typ-1-Diabetes kann jedes Kind treffen.

Früh entdeckt kann der Diabetes optimal betreut und behandelt werden. Oft kommt er jedoch erst mit einer schweren bis lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung ans Licht. Damit ist häufig eine intensivmedizinische Behandlung verbunden, ein längerer Krankenhausaufenthalt, eine schlechtere Blutzuckereinstellung mit erhöhtem Risiko für Folgeerkrankungen sowie sehr hohe Kosten für das Gesundheitssystem.

Früherkennung als Regelversorgung

„Wir wollen so viele Kinder wie möglich vor schweren Stoffwechselentgleisungen schützen. Typ-1-Diabetes-Früherkennung ist dafür unerlässlich. Deshalb setzten wir uns dafür ein, dass entsprechende Tests in die medizinische Regelversorgung aufgenommen werden“, sagt Prof. Peter Achenbach, einer der Studienleiter von Helmholtz Munich und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kinder- und Jugendmedizin der TUM.

Bis heute gibt es nur sehr wenige Studien, die ein bevölkerungsweites Screening auf Typ-1-Diabetes-Frühstadien durchführen. Die Fr1da-Studie unter der Leitung von Helmholtz Munich, das weltweit größte bevölkerungsweite Screening zur Typ-1-Diabetes-Früherkennung bei Kindern, schließt diese Lücke.

Seit 2015 ist es in Bayern für Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren möglich, ihr Blut auf sogenannte Inselautoantikörper untersuchen zu lassen. Diese Antikörper sind Anzeichen einer Entzündung und Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse. So können Forschende bereits Jahre bevor es zu einem Insulinmangel und zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels mit Krankheitssymptomen kommt, ein Frühstadium von Typ-1-Diabetes nachweisen.

In Zusammenarbeit mit 682 Kinderärztinnen und -ärzte sowie 16 pädiatrischen Diabetes-Kliniken in Bayern wurden in der Fr1da-Studie in den ersten vier Jahren insgesamt 90.632 Kinder untersucht; bei 280 Kindern (0,31 Prozent) wurde ein Typ-1-Diabetes-Frühstadium diagnostiziert.

So viel kosten Früherkennungstests

In der aktuellen Analyse beziffert das Forschungsteam die Kosten der Früherkennungsuntersuchung. Das Ergebnis: Im Rahmen der Fr1da-Studie beliefen sich die Kosten pro Kind auf rund 28 Euro. Sollte das Screening in die medizinische Regelversorgung aufgenommen werden, gehen die Forschenden davon aus, dass sich der Betrag auf etwa 22 Euro pro untersuchtem Kind reduzieren könnte. 

Die Kostenanalyse berücksichtigt sowohl die Beschaffung, Verarbeitung und Analyse der Blutproben, als auch die Mitteilung der Ergebnisse. Ebenso enthalten sind die Ausgaben für Tests zur Einschätzung der Betazell-Funktion und des Blutzuckers sowie für eine Präventivschulung und Beratung für betroffene Kinder und deren Familien.

„Auch, wenn unsere Analysen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind, bieten sie einen Referenzrahmen für die Implementierungskosten des Screenings“, erklärt Michael Laxy, Professor für Public Health und Prävention an der TUM und ebenfalls Studienleiter bei Helmholtz Munich.

„Als nächstes wollen wir evaluieren, wie das langfristige Verhältnis von Screening-Kosten, möglichen Kosteneinsparungen durch die Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen und deren Folgen und der potenziell erhöhten Lebensqualität durch ein Screening im Vergleich zu den Kosten und der Lebensqualität ohne Screening ist“, sagt Michael Laxy.

Publikationen

Costs of Public Health Screening of Children for Presymptomatic Type 1 Diabetes in Bavaria, Germany
Florian M. Karl, Christiane Winkler, Anette-Gabriele Ziegler, Michael Laxy, Peter Achenbach
Diabetes Care, 14.02.2022 – DOI: 10.2337/dc21-1648
 

Weitere Informationen und Links

Diese Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD e.V.) gefördert. Die Fr1da-Studie wurde gefördert durch Mittel der LifeScience-Stiftung, der Juvenile Diabetes Research Foundation International, des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, des Leona M and Harry B Helmsley Charitable Trust, der Deutschen Diabetes-Stiftung, des Landesverbands Bayern der Betriebskrankenkassen, der B. Braun-Stiftung, der Deutschen Diabetes Hilfe und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD eV).

Prof. Peter Achenbach ist Diabetesforscher am Helmholtz Diabetes Center bei Helmholtz Munich. Er arbeitet als stellvertretender Direktor am Institut für Diabetesforschung unter der Leitung von Anette-Gabriele Ziegler, Professorin für Diabetes und Gestationsdiabetes an der TUM. Achenbach ist auch Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), das die Fr1da-Studie neben weiteren Partnern mitfinanziert. Darüber hinaus ist er am Klinikum rechts der Isar der TUM tätig. Prof. Michael Laxy ist Gesundheitsökonom, Epidemiologe und Public-Health-Forscher. Er ist Professor für Public Health und Prävention an der TUM und leitet die Arbeitsgruppe für Ökonomie und Management von Diabetes am Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen bei Helmholtz Munich.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. med. Peter Achenbach
Stv. Direktor des Instituts für Diabetesforschung (IDF)
Helmholtz Munich
Heidemannstr. 1, 80939 München
Tel.: +49 89 3187 4595
E-Mail: peter.achenbachspam prevention@helmholtz-muenchen.de

Prof. Dr. Michael Laxy
Technische Universität München
Professur für Public Health und Prävention
Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften
Tel.: +49 89 289 24977
E-Mail: Michael.laxyspam prevention@tum.de

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