• 24.2.2023
  • Lesezeit: 4 Min.

Zwischenbilanz zum Medizininformatikprojekt DIFUTURE

„Daten können Leben retten“

Wenn Menschen an seltenen Krankheiten leiden, stehen sie oft vor einem großen Problem: Diese Erkrankungen kommen so selten vor, dass nur wenige Mediziner:innen sich damit gut auskennen. Und das wiederum sorgt dafür, dass schon die richtige Diagnose schwerfällt – von der erfolgreichen Behandlung ganz zu schweigen. Mit Hilfe von großen Datenmengen und Künstlicher Intelligenz wollen Forschende im Konsortium „Data Integration for Future Medicine“ (DIFUTURE) dies verbessern.

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In DIFUTURE haben sich mehrere Universitäten und ihre Kliniken zusammengeschlossen, um gemeinsam an Lösungen für die Präzisionsmedizin der Zukunft zu arbeiten. Nach sechs Jahren startet nun die nächste Phase dieses bundesweiten Projekts unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM).

Prof. Martin Boeker und seine Kolleg:innen setzen auf das Sammeln und Zusammenführen möglichst vieler medizinischer Daten aus der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung. In der Summe gibt es auch von sehr seltenen Erkrankungen auf die deutsche Gesamtbevölkerung von 82 Mio. Menschen gesehen doch viele tausend Betroffene. Und aus deren Gesundheitsdaten und demografischen Angaben lassen sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, und hier besonders dem Maschinellem Lernen, womöglich Hinweise ableiten, welche Behandlung eine Chance auf Erfolg hat.

Mehr Daten für die Behandlung von Krankheiten

Prof. Boeker ist Medizininformatiker mit einem Hintergrund als Mediziner und Informatiker an der TUM und leitet das aus sieben Konsortialpartnern bestehende Projekt DIFUTURE. „Unser gemeinsames Ziel ist es, für die Erforschung und damit mittelbar für die Behandlung von Krankheiten mehr und bessere Daten zur Verfügung zu stellen. Bessere Daten ermöglichen bessere Forschung und können auch für neue Methoden der KI genutzt werden. Denn Daten können Leben retten.“

Auf der Grundlage der Daten soll intelligente Software den Mediziner:innen Ratschläge für die erfolgversprechendste Therapie geben. Dafür durchforsten die spezialisierten und lernfähigen Algorithmen möglichst große Datenbestände und analysieren beispielsweise, was bei anderen Patient:innen in ähnlich gelagerten Fällen gut funktioniert hat. Sie beziehen dabei einfache Kategorien wie Geschlecht und Alter genauso mit ein, wie zum Beispiel Vorerkrankungen, therapeutische Misserfolge oder genetische Komponenten. „Dabei können auch neue bisher nicht bekannte Zusammenhänge aufgedeckt werden, um zum Beispiel für Patienten individuelle Behandlungen vorzuschlagen.“

Die größten Probleme dabei sind die Datenqualität und die Zusammenführung in auswertbaren Datenbanken – hierfür anerkannte Standards zu entwickeln ist eine der Hauptaufgaben von DIFUTURE. „Wir haben inzwischen die entsprechende Organisation und Technik mit zugehörigen Verträgen und Prozessen aufgebaut und rechtssicher gemacht. Das ist ein großer Erfolg für unser Projekt“, betont Boeker.

Software soll Arztbriefe verstehen lernen

Boeker konzentriert sich in seiner eigenen Forschung vor allem darauf, aus teils langen, sehr individuell formulierten Arztbriefen und anderen medizinischen Texten automatisch die wichtigsten Informationen herauszufiltern und damit für eine tiefere Analyse zur Verfügung zu stellen. „Auch weiterhin werden Ärztinnen und Ärzte ihre Befunde und Informationen zu Patienten gerne in Texten dokumentieren, statt nur vorgegebene Kategorien anzukreuzen“, erläutert Boeker. „Doch das macht den Zugang für Datenforschende – und damit die Nutzung für die Wissenschaft und damit für eine Verbesserung der Behandlung – sehr umständlich. Unser Team, das auch eine Nachwuchsgruppe zur automatisierten Sprachverarbeitung umfasst, will das künftig mit intelligenten Texterkennungsalgorithmen lösen.“

Datenschutz als zentrales Element

Ganz wesentlich ist für die Wissenschaftler:innen dabei der Datenschutz, der durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf europäischer Ebene geregelt ist. Um die Privatheit der Daten zu sichern, werden verschiedene Methoden wie Anonymisierung oder verteiltes Rechnen eingesetzt, bei dem die Daten das jeweilige Krankenhaus nicht verlassen. Für andere Analysen muss vorab die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden. Boeker erlebt hier große Bereitschaft bei den Patient:innen: „Sie wissen, dass sie mit ihren Daten anderen Kranken helfen können – und dass sie selbst von einem ebenso großzügigen Verhalten anderer Menschen profitieren.“

Präzisionsmedizin der Zukunft

Der übergeordnete Rahmen des DIFUTURE Konsortium ist die sogenannte Medizininformatik-Initiative, die in den vergangenen sechs Jahren vom Bundesforschungministerium (BMBF) mit ca. 180 Mio. Euro gefördert wurde. 2023 hat die die zweite Förderphase begonnen, in der den zahlreichen beteiligten Forschenden noch einmal ein ähnlicher Betrag zur Verfügung gestellt wird, zusammen mit dem Netzwerk Universitätsmedizin des BMBF.

Ein großes Ziel der künftigen Forschung ist es zum Beispiel, die Bekämpfung von Krebserkrankungen zu verbessern. Unter Einbezug der Daten zur individuellen Ausprägung molekularer Marker in Krebszellen von Betroffenen soll die Künstliche Intelligenz ganz spezifische Behandlungsmethoden ableiten. „Diese Methodik wird gerade aufgebaut und wird über die bisherige Standarddiagnostik hinausgehen“, erläutert der TUM-Professor. „Auf dieser Basis unterstützen wir die Präzisionsmedizin der Zukunft.“

Weitere Informationen und Links

Im Konsortium „Data Integration for Future Medicine“ (DIFUTURE) haben sich neben der TUM auch die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Eberhard Karls Universität Tübingen, die Universität Ulm, ihre Universitätsklinika und die Universität Augsburg sowie das Universitätsklinikum Regensburg, die Universität des Saarlandes und das Universitätsklinikum des Saarlandes zusammengeschlossen. Die beteiligten Universitätsklinika bauen an ihren Standorten medizinische Datenintegrationszentren auf, in denen Daten zusammengeführt werden, sodass eine gemeinsame und übergreifende Nutzung möglich wird.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Medizininformatik-Initiative gefördert.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. med. Martin Boeker
Lehrstuhl für Medizinische Informatik
Institut für KI und Informatik in der Medizin
Technische Universität München (TUM) / Klinikum rechts der Isar (MRI)
Tel. +49 89 41 40 43 20
E-Mail martin.boekerspam prevention@tum.de

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