• 18.7.2019
  • Lesezeit: 5 Min.

Prof. Schreiber erklärt, warum die Mondlandung hilft, die Relativitätstheorie zu überprüfen

„Es war das große Abenteuer der 60er-Jahre“

Vor 50 Jahren landete die Mondfähre Eagle auf dem Mond. An Bord befand sich ein Laserreflektor, den die Astronauten auf der Mondoberfläche platzierten. Noch heute nutzen einige Laserstationen diesen, um Bahnbestimmungen des Erde-Mond-Systems durchzuführen. Unter anderem das Geodätische Observatorium in Wettzell, das von der Technischen Universität München (TUM) und dem Bundesamt für Kartographie betrieben wird. Prof. Karl Ulrich Schreiber erklärt, warum der Reflektor für die Wissenschaft auch heute noch eine große Bedeutung hat.

Zu sehen ist Astronaut Buzz Aldrin, der gerade das Seismometer aufgebaut hat (vorne). Dahinter steht der Laser Ranging Retro-Reflector (LR-3). JSC/NASA
Das historische Foto zeigt Buzz Aldrin, der gerade das Seismometer auf der Mondoberfläche aufgebaut hat (vorne). Links dahinter steht der Laser Ranging Retro-Reflector (LR-3).

Herr Schreiber, wie sehr hat Sie die Mondlandung in Ihrer Jugend beeindruckt?

Es war nicht nur die Mondlandung als solches. Sondern mich haben vor allem die einzelnen Schritte, die zur Mondlandung geführt haben, wahnsinnig interessiert. Es war eine große technische Herausforderung. Zum Beispiel die Frage: Wie kann ich eine Rakete beschleunigen, um zum Mond zu gelangen? Damals waren die technischen Möglichkeiten noch begrenzt. Jeder Teilaspekt von diesem Megaprojekt hatte eine Menge Unwägbarkeiten. Es war das Super-Abenteuer, das man als Jugendlicher in den 60er-Jahren erleben konnte. Meine Geschwister, meine Klassenkameraden und ich waren mit Haut und Haaren dabei. Das hatte, glaube ich, auch Einfluss auf meine Berufswahl.

Was genau hat Sie so fasziniert?

Mir ging es vor allem um die Technik. Als Jugendlicher faszinierte mich der Aspekt, dass man sich außerhalb des normalen Lebensraums, also der Erde, bewegt und wie eine solche Mission realisiert werden kann. Nach dem Physik-Studium habe ich das Angebot bekommen, am Observatorium in Wettzell zu arbeiten. Und mich hat das Mondfieber wieder gepackt. Die Arbeit dort hat mit Laserentfernungsmessung zu tun, das hat mich sehr interessiert, aber es war vor allem die Herausforderung bei der Technik, die für mich der Treiber war.

Es gibt auch eine Verbindung von der Mondlandung zu den Laserentfernungsmessungen.

Um zu unterstreichen, dass keine militärische Motivation hinter der Mission steckte, gab es auch schon bei der ersten Mondlandung eine wissenschaftliche Komponente. Es waren im Wesentlichen zwei Experimente: Ein Seismometer, das Daten sammelt, welche Aufschluss über die Struktur und die Beschaffenheit des Mondes geben und ein Laserreflektor. Mittlerweile stehen auf dem Mond bereits fünf Reflektoren an sehr unterschiedlichen Stellen. Mithilfe der Reflektoren kann der Abstand von der Erde zum Mond sehr genau gemessen werden. Es reicht ja nicht, einfach nur mit dem Laser Pulse zum Mond zu senden, denn dann weiß ich nicht, von wo das Echo kommt, zum Beispiel vom Kraterboden oder von einem Berg. Und ich kann auch nicht sagen, ob ich heute die gleiche Stelle getroffen habe wie gestern. Bei einer Streckenmessung im Zentimeterbereich müssen der Anfangspunkt und der Endpunkt der Strecke ganz exakt bestimmt sein.

Wie funktioniert diese Messung genau?

Die Laserentfernungsmessung ist eine sehr elegante Technik, um Abstände über sehr große Distanzen zu messen. Das Prinzip ist einfach: Ich erzeuge kurze Laserpulse, die für eine bestimmte Zeit unterwegs sind, um zu dem Reflektor zu gelangen. Sie werden dort reflektiert und kommen auf dem gleichen Weg zurück. Ich kann am Boden sehr genau messen, wie lange sie unterwegs waren. Diese Zeit, circa 2,7 Sekunden, multipliziere ich mit der Lichtgeschwindigkeit, also etwa 300.000 Kilometer pro Sekunde. Da es sich um Hin- und Rückweg handelt, müssen wir das Ergebnis noch durch zwei teilen. Bevor ich diesen gemessenen momentanen Abstand verwenden kann, müssen noch einige Korrekturen, zum Beispiel für die Refraktion angebracht werden. Nach der ersten Mondlandung konnte man eine Messgenauigkeit im Bereich von Metern erreichen, heute liegt die Auflösung bei uns unter einem Zentimeter. Diese exakten Abstandsmessungen haben für die Bahnbestimmung, vor allem bei Satelliten, viele Vorteile.  

Prof. Ulrich Schreiber. A. Neidhardt / TUM
Prof. Ulrich Schreiber zeigt auf den Landeplatz der Apollo-11-Mission.

Aber es wird auch die Bahn des Mondes berechnet?

Das Erde-Mond-System ist sozusagen ein Schwerkraftlabor. Unter anderem kann man hier auch einige Vorhersagen der Relativitätstheorie überprüfen. Zum Beispiel das schwache Äquivalenzprinzip. Dabei geht es um das gravitative Verhalten von Körpern aus unterschiedlichem Material. Üben sie die gleiche Anziehungskraft aufeinander aus? Es gibt ein berühmtes Experiment, bei dem David Scott, Astronaut der Apollo-15-Mission, einen Hammer und eine Feder auf dem Mond gleichzeitig fallen lässt. Die Kameraaufzeichnung legt nahe, dass das Äquivalenzprinzip gilt, beide Gegenstände fallen gleich schnell. Wir können mit unseren Messungen viele tausendmal genauer hinschauen. Die Erde hat einen Eisenkern, der Mond einen Kern, der vorwiegend aus Silikat besteht. Die Lasermessungen zum Mond würden zeigen, ob es aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit der Himmelskörper eine entsprechende Bahnstörung gibt. Diese würde erst bei der Verfolgung der Mondbahn im Zentimeterbereich über längere Zeit sichtbar werden.

Was war das Ergebnis der Berechnungen?

Durch die 50 Jahre dauernde Messserie werden zwar die Messunsicherheiten immer kleiner, aber die Relativitätstheorie hält bislang der Überprüfung stand. Die Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie sind so exzellent, dass bislang noch kein Widerspruch in Sicht ist.

Sie führen in Wettzell ebenfalls Abstandsmessungen zum Mond durch?

In Wettzell verfolgen wir das, was man ein Fundamentalstationskonzept nennt. Das Konzept sieht vor, möglichst viele geodätische Messverfahren an einem Ort zu realisieren, damit systematische Fehler durch Vergleiche der Methoden erkannt und die Messverfahren miteinander kombiniert werden können. Aus diesem Gedanken heraus war es auch sinnvoll, die Mondentfernungsmessung hinzuzunehmen. Dies hat eine geodätische Komponente, denn es handelt sich um die Bahnbestimmung eines natürlichen Satelliten der Erde. Aber man kann eben auch Vorhersagen der Relativitätstheorie testen. Diese Messungen können zurzeit nur vier oder fünf Observatorien in der ganzen Welt liefern, weil die erforderliche Technik so aufwendig ist. Die Daten fließen dann zusammen. Wettzell ist zwar kein großer Spieler in dieser Gruppe, aber wir haben eine Besonderheit: Wir liefern die geringste Streuung. In Wettzell haben wir seit etwa einem Jahr die Möglichkeit, Laserpulse mit zehn Picosekunden Pulsdauer zu verwenden, das bedeutet eine theoretische Auflösung von drei Millimetern. Damit sollte sich eine Steigerung der Genauigkeit erzielen lassen.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Karl Ulrich Schreiber
Technische Universität München
Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie
+49 9941 603113  
ulrich.schreiberspam prevention@tum.de

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