• 28.4.2020

Sorgentelefon „Nightline München“

„Wir hören jedem zu“

Beziehungsprobleme, Leistungsdruck oder Einsamkeit: Viele Studierende kennen diese Probleme, aber nicht jeder hat jemanden, mit dem er über sie sprechen kann. Die Nightline München hat ein offenes Ohr für jeden. Studierende aller Fachrichtungen hören hier zu. Jonas Kupfer (Name geändert) ist im Vorstand von Nightline.

Mann mit Headset von der Seite
Zuhören ohne zu bewerten: Bei der Telefon-Hotline "Nightline München" sind Studierende für ihre Kommiliton*innen da. (Foto: Maren Willkomm)

Was genau ist Nightline und wer sitzt da am anderen Ende der Leitung, wenn man anruft?

Jonas Kupfer: Nightline ist ein Zuhörtelefon von Studierenden für Studierende. Aber wir sind natürlich für jeden da, der uns anruft, ganz egal, ob Studierender oder nicht. Bei uns kann jeder anrufen, der gerade etwas auf der Seele hat und darüber sprechen möchte. Wir werden vom Studentenwerk finanziell und bei der Organisation unterstützt. Das Zuhörtelefon ist anonym, kostenlos und vertraulich. Deshalb möchte ich auch anonym bleiben, damit unsere Anrufer wissen: Der Rahmen bleibt geschützt.

Mit welchen Problemen rufen die Leute bei Euch an?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei meinen Anrufern sind es hauptsächlich zwei Kategorien, die auch fließend ineinander übergehen können. Zum einen sind das Beziehungsprobleme, sei es mit dem Partner oder mit der Familie und Freunden. Es kommt oft vor, das Studierende neu nach München ziehen und dann keine Freunde finden. Zum anderen haben viele mit Leistungsdruck zu kämpfen.

Spielt denn Corona eine große Rolle?

Ja, Corona ist derzeit ein Problem, das viele unserer Anrufer beschäftigt. Vor allem der Leistungsdruck verschlimmert sich gerade in der Corona-Krise. Manche spüren eine Unsicherheit, weil sie das Gefühl haben, nichts zu schaffen oder weil sie nicht wissen, wie ihr Studium nun weitergeht. Findet die Prüfung statt und wenn ja, wann?

Was passiert, wenn man Eure Nummer wählt?

Unseren Telefonservice gibt es an zwei Abenden die Woche. Wir hören geschult zu, das heißt, wir haben alle eine Ausbildung gemacht, bei der wir das Gesprächsverfahren nach Carl Rogers gelernt haben. Nach dieser Methode läuft ein Gespräch bei der Nightline ab. Der Anrufer soll seine Situation selbst beschreiben und analysieren und wir Nightliner sind da, um zuzuhören. Dabei reflektiert der Anrufer seine Situation und entwickelt schon selbst eine Lösung. Wir verfolgen strenge Prinzipien.

Welche denn zum Beispiel?

Zum einen eine bedingungslose Wertschätzung, das heißt wir begegnen den Anrufern vorurteilsfrei. Das klappt sehr gut, da wir als Zuhörer die Reaktionen und Gefühle der Anrufer spiegeln. Es geht auch nicht darum, eine Lösung zu erarbeiten. Viele Anrufer wollen auch gar keine Lösung, sondern brauchen einfach mal ein offenes Ohr. Wir geben auch keine Ratschläge. Bei der Methode nach Rogers geht es darum, dass die Person alles schon in sich hat und wir durch das Zuhören nur behilflich sind, es an die Oberfläche zu bringen.

Was muss man tun, wenn man selbst Nightliner werden möchte?

Wir sind zurzeit ungefähr 20 aktive Mitglieder und freuen uns über jeden, der mitmachen möchte. Man kann sich bei uns bewerben und im Falle einer Zusage absolviert man eine Schulung und kann Telefondienst machen. Das ist aber kein Muss, einige setzen sich auch anderweitig beim Sorgentelefon ein. Wir sind bei unserer Arbeit auch nicht alleine, sondern erhalten Unterstützung von der Therapeutin Andrea Muth, wie ehrenamtlich Supervisionen mit den Nightlinern durchführt.

Wie wird das Sorgentelefon angenommen?

Es erfordert sehr viel Mut, bei uns anzurufen. Viele Leute können sich nicht überwinden. In einer Schicht habe ich vielleicht zwei bis drei Anrufer. Ein Anruf dauert aber meistens auch über eine Stunde, sodass man den ganzen Abend telefoniert. Manche rufen öfter an, viele aber auch nur einmal, was natürlich total ok ist.

Sind es immer nur Zweiergespräche?

Wir haben vor kurzem auch versucht, ein Gruppentelefonat zu etablieren, weil wir dachten, dass in Zeiten von Selbstisolation auch Einsamkeit eine große Rolle spielt. Das scheint aber nicht der richtige Rahmen zu sein, sodass wir ab nächsten Monat wieder zu normalen Telefongesprächen am Dienstag- und Donnerstagabend zurückkehren werden.

(Interview: Sabrina Czechofksy)


Jonas Kupfer (Name geändert) ist 23 Jahre alt und studiert an der TUM Maschinenbau. Da bei Nightline Anonymität oberstes Prinzip ist, bleibt er auch hier anonym. Zum Sorgentelefon kam Kupfer, weil er das Gefühl hatte, sein Studium nehme sein ganzes Leben ein. Er wollte daneben auch etwas anderes tun und dabei anderen etwas Gutes tun. Mehr Infos: Nightline München

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