• 10.6.2013

Abwasserreinigung mit dem PhyscoFilter:

Ein Moos für sauberes Wasser

Kläranlagen garantieren uns sauberes Wasser. Zumindest in Industrieländern ist das selbstverständlich. Allerdings filtern die Anlagen nicht alles heraus. Mit diesen „ungeklärten Fällen“ beschäftigen sich jetzt TUM-Studierende in Weihenstephan. Sie wollen eine verbreitete Moospflanze genetisch verändern – und sie zur kostengünstigen Minikläranlage für Arzneimittelbestandteile und Chemikalien machen.

Drei Mitglieder des iGEM-Teams im Labor
Ingmar Polte, Katrin Fischer und Dong-Jiunn Jeffery Truong (v.l.n.r.) vom iGEM-Team untersuchen das Mooswachstum im Labor. (Foto: Andreas Heddergott)

Das Moos-Projekt ist der diesjährige Beitrag zum internationalen iGEM-Wettbewerb  für Synthetische Biologie. Er wird heuer zum neunten Mal am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgetragen. Ziel des Wettbewerbs: Organismen sollen gentechnisch modifiziert werden – und mit neuen Eigenschaften einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen.

Abbauen und filtern: Wie wird das Wasser Chemikalien-frei?


Um mit dem Moos Schadstoffe aus dem Wasser zu entfernen erprobt das iGEM-Team zwei Ansätze: „Zum einen wollen wir das Moos dazu bringen, gefährliche Substanzen zu harmlosen Stoffen abzubauen (Biodegradation); zum anderen soll es biologisch nicht-abbaubare Substanzen binden und so als Filter arbeiten (Bioakkumulation)“, erklärt Katrin Fischer. Sie studiert im 5. Semester Biochemie.

Für diese beiden Verfahren schleusen die jungen Forscherinnen und Forscher selbst entworfene DNA-Bausteine in das Erbmaterial des Mooses ein. Diese kodieren für Proteine, die Chemikalien aufspalten oder die Schadstoffe binden. Damit ist das Moos unter anderem in der Lage, die weitverbreitete Gruppe der Makrolid-Antibiotika und Hormone aus der Antibabypille abzubauen. Außerdem bindet das Moos das Insektizid DDT. Diese Stoffgruppen können in herkömmlichen Kläranlagen nur unzureichend abgebaut werden.

Sicheres Moos durch genetischen Schalter


„Das Moos Physcomitrella patens ist auch in der Natur ein wichtiger Wasserfilter – und damit der ideale Organismus für unser Projekt“, sagt Fischer. Obwohl die Studenten in ihrem Projekt lediglich zeigen wollen, dass ein Moosfilter funktionieren kann, haben sie den möglichen Einsatz in der Praxis im Blick.

Damit das modifizierte Moos keinesfalls unkontrolliert ins Freiland gelangt, haben die Studierenden eine ebenso simple wie effektive Lösung gefunden: Sie verwenden Moos, das aufgrund einer Mutation keine reifen Sporen bilden kann und bauen zusätzlich einen Selbstzerstörungs-Mechanismus in die Pflanze ein.

„Dieser biologische Schalter reagiert sensibel auf Licht im roten Wellenlängenbereich“, erklärt Jeffery Truong, Masterstudent der Molekularen Biotechnologie und Entwickler des Filters. „Man könnte dann einen Filter für das Sonnenlicht verwenden, der den Rotlichtanteil gezielt entfernt. Wenn die Pflanze versehentlich freigesetzt wird, ist sie dem Sonnenlicht ausgesetzt, das Licht aller Wellenlängen enthält – das heißt, sie kann nicht überleben.“

Austausch über synthetische Biologie


Die technisch-wissenschaftliche Umsetzung ist jedoch nur ein Teilaspekt im iGEM-Projekt. Die Studierenden wollen auch die Öffentlichkeit über den Moosfilter informieren und an diesem Beispiel das umstrittene Thema Gentechnik diskutieren. Dazu sind verschiedene Aktivitäten geplant, darunter ein Stand auf den Münchner Wissenschaftstagen im November 2013 und Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern.

Außerdem testet das Team, ob sich der „PhyscoFilter“ in der industriellen Abwasseraufbereitung einsetzen lässt. Dafür haben die Studierenden bereits einen Prototyp entwickelt. Und mit einer Machbarkeitsstudie überprüfen sie, wie aus der vielversprechenden Idee eine unternehmerische Anwendung werden kann.

Finale in Boston


Mit ihrem PhyscoFilter sind die TUM-Studierenden beim Finale vertreten, das vom 1. bis 3. November 2013 in Boston ausgetragen wird. Gerade haben sie in Lyon beim europäischen Vorentscheid den zweiten Platz belegt. Insgesamt nehmen in diesem Jahr 223 Teams aus der ganzen Welt teil.

Das TUM-iGEM-Team 2013 hat 11 Mitglieder, die meisten kommen aus den Studiengängen Biochemie und Molekulare Biotechnologie. Verstärkt wird das Team mit Studierenden der Mathematik und Maschinenbauwesen. Die Jungforscherinnen und -forscher rechnen sich gute Chancen aus – ihr Thema ist nicht nur technisch anspruchsvoll, wie Truong klarstellt:

„Wasser ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Doch die zunehmende Verbreitung von Chemikalien bedroht viele Ökosysteme und die Artenvielfalt. Mit unserem Projekt wollen wir einen Beitrag leisten, diese wertvolle Ressource zu schützen.“

von Barbara Wankerl



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