• 22.7.2021

Sportschützin Carina Wimmer fliegt zu den Spielen nach Tokio:

„Ohne Corona wäre ich nicht bei Olympia“

Seit Jahren heißt der Sehnsuchtsort von Carina Wimmer Tokio: Dort will die TUM-Studentin und Sportsoldatin nicht für einen Urlaub hin, sondern für die Olympischen Spiele 2021. Erst vor wenigen Wochen hat sie sich dafür qualifiziert, nach zwei EM-Goldmedaillen mit der Luft- und der Sportpistole.

Deutscher Schützenbund
Hat das Ticket für Olympia: Sportschützin Carina Wimmer studiert an der TUM und ist Sportsoldatin bei der Bundeswehr.

Wie sehr waren die letzten Wochen ein Hoffen und Bangen?

Um die Motivation dafür aufrecht zu erhalten, musste ich mir einreden, dass Tokio stattfindet und ich deshalb darauf hintrainiere. Bei der EM in Kroatien, die quasi die Voraussetzung für meine Teilnahme bei Olympia war, war es auch lange unsicher, ob die stattfindet. Aber als Sportlerin kann ich nicht sagen: Mal schauen, ob ein Wettkampf jetzt stattfindet oder nicht. Sonst würde ich mit lauter Zweifeln ins Training gehen.

Dann sind Sie mit dieser Unsicherheit wohl halbwegs optimistisch umgegangen.

Na ja, es hat sich schon einiges verschoben. Im März 2020 wäre ich das erste Mal zu einem Weltcup in der Wertung gefahren. Der wäre in Indien gewesen und wurde aber natürlich abgesagt. Das war, ehrlich gesagt, einfach beschissen. Darauf hatte ich ja ewig hintrainiert. Bald darauf erreichte ich aber einen Punkt, an dem ich mich fragte, was ich aus dieser Situation mache. Zwar konnte ich zu Hause Trockentraining machen und für das Kraft- und Fitnesstraining bin ich meistens heim zu meinen Eltern. Aber sonst konnte ich ja nirgendwo trainieren. Und so schrieb ich den Sommer über meine Bachelorarbeit in Gesundheitswissenschaften an der TUM.

Aber kamen Sie dann nicht total aus dem Training raus?

Nein, nicht wirklich. Denn meine Bachelorarbeit hat mir enorm viel für mein Sportlerdasein gebracht. Nach der Abgabe bin ich super stark ins Training eingestiegen. Mein Thema war nämlich der Umgang mit Corona im Spitzensport. Dafür hatte ich viele Interviews mit Olympioniken aus verschiedenen Disziplinen geführt.

Corona hatte also auch einen Vorteil für Sie?

Ich habe mich auch viel mit Psychologie beschäftigt, zum Beispiel was Bewältigungsstrategien angeht. Für mich war die Verschiebung auf 2021 ein super Gewinn. Ohne Corona wäre ich jetzt nicht bei Olympia. In dem Jahr wollte ich noch besser werden und mich technisch weiterentwickeln, weil die anderen auch nur bedingt trainieren konnten. Das war für mich eine große Motivation, an die Weltspitze heranzukommen.

Wann haben Sie sich das erste Mal vorstellen können, dass Sie es zu Olympia schaffen?

Dieser Traum beginnt ja schon in der Juniorenzeit. Fängt man dann an, international zu schießen, wird der Traum realistischer. Konkret wurde es nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro: Wir haben die Euphorie von Monika Karsch mitgenommen, die dort mit der Sportpistole Silber gewonnen hat. Für mich stand damals der Sprung in den Erwachsenenbereich an. Und so zeichnete es sich ab, dass wir schauen, wie in den kommenden vier Jahren die Leistungen besser werden. Und jetzt steht Tokio vor der Tür. Das ist Wahnsinn.

Sportschützin Carina Wimmer beim Wettkampf Screenshot YouTube
TUM-Studentin Carina Wimmer holte im Juni 2021 beim Weltcup im kroatischen Osijek die Silbermedaille.

Wie erklären Sie einem Laien, wie ein Wettkampf bei Olympia abläuft?

In 75 Minuten muss ich 60 Schüsse abgeben. Das Ziel vorne ist die Scheibe, auf der Ringe sind. Die Zehn ist die höchste Ringzahl. Insgesamt kann ich also 600 Ringe schießen. Um ins Finale zu kommen, muss ich mindestens um die 580 Ringe schießen. Der Schussablauf ist immer der gleiche. Letztendlich zählt, dass ich den 60 Mal so konstant wie möglich abrufen kann.

Der Schießsport unterscheidet sich also zu den meisten anderen Sportarten darin, dass die Hochleistung in der Ruhe und nicht in der Bewegung liegt.

Jeder weiß, wie man vor Prüfungen angespannt ist – das passiert uns auch: Die Muskeln zittern, das Herz schlägt schneller, der Schweiß sammelt sich auf der Stirn, die Gedanken rasen. Wir können uns im Wettkampf nicht physisch auspowern, wir müssen mit maximaler Ruhe am Stand stehen und die Präzision bewahren. Mit mentaler und körperlicher Fitness muss ich schauen, dass ich über eine Stunde Höchstleistung bringe. Präzision on Top. Ich weiß, wie sich mein Körper anfühlen muss – um millimetergenau die Waffe in die Mitte zu rücken.

Das ist sicher nicht einfach...

Es braucht eine wahnsinnige mentale Selbstregulation. Denn in 60 Minuten ändert sich meine Konzentration immer wieder. Während einer Vorlesung bin ich auch nicht immer 100 Prozent aufmerksam. So ist es auch im Schießsport. Wenn mir irgendein Gedanke im Wettkampf kommt, muss ich den wegschieben können. Nur weil man dafür mal eine Strategie gefunden hat, klappt die nicht immer. Aber man lernt aus jeder Situation wieder etwas für den nächsten Wettkampf.

Sie beginnen im Herbst mit dem Master in Gesundheitswissenschaften an der TUM. Wie haben Sie das geplant?

Mit meiner Laufbahnberaterin habe ich mir überlegt, dass ich den Master im Herbst 2021 anfange und im Sommer 2026 fertig werde. Das ist wirklich sehr gestreckt. Funktionieren tut Studium und Spitzensport aber nur, weil ich in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Neubiberg bin. Das Schießen wird auf jeden Fall oberste Priorität haben. Das ist schließlich auch mein Job, mit dem ich mein Geld verdiene. Warum ich mir das trotzdem antue? Mich begeistert die Kombination aus Sport, Ernährung und gesundheitlicher Prävention. Und irgendwann gibt’s auch ein Leben nach dem Profisport.

Weitere Informationen und Links
  • Der erste Wettkampf von Carina Wimmer bei den Olympischen Spielen in Tokio findet am 25. Juli 2021 statt.
  • Die Begeisterung fürs Schießen kommt von ihrer Mutter, ebenfalls einer Sportschützin. Als Zehnjährige hat Carina Wimmer mit ihrer Zwillingsschwester das erste Mal geschossen – und seitdem nicht mehr aufgehört.
  • Profil Carina Wimmer beim Deutschen Schützenbund
  • Neben Carina Wimmer gehen in Tokio an den Start: Judoka Theresa Stoll, die an der TUM Medizin studiert, und 800 Meter-Läuferin Christina Hering, TUM-Alumna Master Management.

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