• 25.7.2025
  • Lesezeit: 2 Min.

Molekularer Mechanismus entschlüsselt

Beta-Carotin entlastet überforderte Enzyme

Enzyme sind für den Stoffwechsel unerlässlich und spielen eine wichtige Rolle in zahlreichen Prozessen im Körper, in Pflanzen und in der Industrie. Manche Enzyme drosseln jedoch ihre Aktivität, wenn sie zu viel auf einmal leisten müssen. Dies kann die Wirkung von Medikamenten oder die Effizienz industrieller Prozesse mindern. Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben den Mechanismus dieser sogenannten Substratinhibierung untersucht und herausgefunden, dass Beta-Carotin dabei helfen kann, ihn auszuhebeln.

Portraitbild von Wilfried Schwab Magdalena Jooss / TUM
Prof. Wilfried Schwab und sein Team konnten nachweisen, dass die Leistungsfähigkeit mancher Enzyme davon abhängt, in welcher Reihenfolge verschiedene Moleküle an sie andocken.

Enzyme reinigen unsere Kleidung, helfen bei der Verdauung und sorgen für lockeres Brot. Je mehr sie zu tun haben, umso aktiver sind sie in der Regel. Doch etwa 20 Prozent der bekannten Enzyme arbeiten langsamer oder stellen ihre Tätigkeit sogar ganz ein, wenn sie zu viele Moleküle verstoffwechseln müssen.

Bislang ist dieser Mechanismus der Substratinhibierung nicht gut untersucht – Forschende gehen davon aus, dass er der Regulation in den Zellen dient. Er kann jedoch auch kontraproduktiv sein. „Untersuchungen von Wirkstoffen im Labor haben den Verdacht erhärtet, dass Substratinhibierung auch die Wirkung von Medikamenten beeinflussen kann. Hohe Konzentrationen des Wirkstoffs führen dann zu einer verlangsamten Reaktion“, sagt Wilfried Schwab, Professor für Biotechnologie der Naturstoffe an der TUM. Auch in der Lebensmittelherstellung oder in der industriellen Reinigung kann Substratinhibierung die Effizienz von Prozessen beeinflussen.

Selbstverteidigungsenzym der Tabakpflanze

Wilfried Schwab und sein Team konnten nun erstmals nachweisen, dass die Reihenfolge, in der die Moleküle an Enzyme andocken, beeinflusst, ob es zur Substratinhibierung kommt oder nicht. Das Team untersuchte hierfür die Reaktionen eines Enzyms, das Abwehrstoffe, sogenannte Phenole, in der Tabakpflanze so umwandelt, dass diese sich gegen Fressfeinde oder Krankheiten schützen kann.

Das Enzym bindet hierfür Zuckermoleküle und Phenole. Im Versuch zeigte sich: Dockt zuerst das Zuckermolekül an und dann das Phenol, arbeitet das Enzym wie gewünscht. Bindet jedoch zu oft zuerst das Phenol, kommt es zur Substratinhibierung – und je mehr Phenole in der Tabakpflanze vorliegen, umso häufiger docken diese zuerst an das Enzym an. Die Umwandlung zum Abwehrstoff stockt.

Konkurrenz verhindert Überlastung

Die Forschenden machten noch eine zweite Entdeckung: Beta-Carotin kann den Mechanismus der Substratinhibierung aushebeln und die Aktivität des Enzyms wieder steigern. Es konkurriert mit den Phenolen um die gleichen Stellen am Enzym und verhindert deshalb, dass zu viele der Phenole als Erste am Enzym andocken. Mit diesem Versuch knüpfte das Team an vorangegangene Studien an: „Wir hatten Hinweise darauf, dass Beta-Carotin einen Einfluss auf die Substratinhibierung haben könnte. Dass es diese aber sogar abschwächen kann, hat uns tatsächlich überrascht“, sagt Wilfried Schwab.

Doch bedeutet das, dass die Zugabe von Beta-Carotin das Problem der Substratinhibierung in allen Bereichen löst? „Beta-Carotin ist kein Wundermittel. Zudem kommt es auch dort auf die richtige Balance an, damit das Enzym wie gewünscht arbeiten kann. Unsere Entdeckung zeigt aber eine ganze Bandbreite neuer Forschungswege auf, die perspektivisch in einer Vielzahl von Feldern für Verbesserungen sorgen kann.“

Publikationen

Liao, J., Shahul Hameed, U.F., Hoffmann, T.D. et al. „β-Carotene alleviates substrate inhibition caused by asymmetric cooperativity.“ Nat Commun (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-58259-7

Weitere Informationen und Links

Die Professur für Biotechnologie der Naturstoffe ist Teil der TUM School of Life Sciences.

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Kontakte zum Artikel:

Prof. Wilfried Schwab
Technische Universität München (TUM)
Biotechnologie der Naturstoffe
wilfried.schwabspam prevention@tum.de
Tel.: +49 8161-71 2912

Aktuelles zum Thema

HSTS