Molekularer Mechanismus entschlüsselt
Beta-Carotin entlastet überforderte Enzyme

Enzyme reinigen unsere Kleidung, helfen bei der Verdauung und sorgen für lockeres Brot. Je mehr sie zu tun haben, umso aktiver sind sie in der Regel. Doch etwa 20 Prozent der bekannten Enzyme arbeiten langsamer oder stellen ihre Tätigkeit sogar ganz ein, wenn sie zu viele Moleküle verstoffwechseln müssen.
Bislang ist dieser Mechanismus der Substratinhibierung nicht gut untersucht – Forschende gehen davon aus, dass er der Regulation in den Zellen dient. Er kann jedoch auch kontraproduktiv sein. „Untersuchungen von Wirkstoffen im Labor haben den Verdacht erhärtet, dass Substratinhibierung auch die Wirkung von Medikamenten beeinflussen kann. Hohe Konzentrationen des Wirkstoffs führen dann zu einer verlangsamten Reaktion“, sagt Wilfried Schwab, Professor für Biotechnologie der Naturstoffe an der TUM. Auch in der Lebensmittelherstellung oder in der industriellen Reinigung kann Substratinhibierung die Effizienz von Prozessen beeinflussen.
Selbstverteidigungsenzym der Tabakpflanze
Wilfried Schwab und sein Team konnten nun erstmals nachweisen, dass die Reihenfolge, in der die Moleküle an Enzyme andocken, beeinflusst, ob es zur Substratinhibierung kommt oder nicht. Das Team untersuchte hierfür die Reaktionen eines Enzyms, das Abwehrstoffe, sogenannte Phenole, in der Tabakpflanze so umwandelt, dass diese sich gegen Fressfeinde oder Krankheiten schützen kann.
Das Enzym bindet hierfür Zuckermoleküle und Phenole. Im Versuch zeigte sich: Dockt zuerst das Zuckermolekül an und dann das Phenol, arbeitet das Enzym wie gewünscht. Bindet jedoch zu oft zuerst das Phenol, kommt es zur Substratinhibierung – und je mehr Phenole in der Tabakpflanze vorliegen, umso häufiger docken diese zuerst an das Enzym an. Die Umwandlung zum Abwehrstoff stockt.
Konkurrenz verhindert Überlastung
Die Forschenden machten noch eine zweite Entdeckung: Beta-Carotin kann den Mechanismus der Substratinhibierung aushebeln und die Aktivität des Enzyms wieder steigern. Es konkurriert mit den Phenolen um die gleichen Stellen am Enzym und verhindert deshalb, dass zu viele der Phenole als Erste am Enzym andocken. Mit diesem Versuch knüpfte das Team an vorangegangene Studien an: „Wir hatten Hinweise darauf, dass Beta-Carotin einen Einfluss auf die Substratinhibierung haben könnte. Dass es diese aber sogar abschwächen kann, hat uns tatsächlich überrascht“, sagt Wilfried Schwab.
Doch bedeutet das, dass die Zugabe von Beta-Carotin das Problem der Substratinhibierung in allen Bereichen löst? „Beta-Carotin ist kein Wundermittel. Zudem kommt es auch dort auf die richtige Balance an, damit das Enzym wie gewünscht arbeiten kann. Unsere Entdeckung zeigt aber eine ganze Bandbreite neuer Forschungswege auf, die perspektivisch in einer Vielzahl von Feldern für Verbesserungen sorgen kann.“
Liao, J., Shahul Hameed, U.F., Hoffmann, T.D. et al. „β-Carotene alleviates substrate inhibition caused by asymmetric cooperativity.“ Nat Commun (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-58259-7
Die Professur für Biotechnologie der Naturstoffe ist Teil der TUM School of Life Sciences.
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