• 5.6.2025
  • Lesezeit: 4 Min.

NewIn: Hristo Svilenov

Proteine für die Medizin von morgen

Als Professor für Biopharmaceutical Technology sucht Hristo Svilenov nach den Arzneistoffen von Morgen. Was die Arbeit an lebenden Zellen so komplex macht, wie er mit Rückschlägen umgeht und wie das Immunsystem von Kühen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen helfen könnte, erzählt er in einer neuen Folge NewIn.

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Sie forschen und lehren im Bereich Biopharmaceutical Technology. Was zeichnet die Arbeit in diesem Bereich besonders aus?

Wir arbeiten mit lebenden Zellen, die wir im Grunde als kleine Produktionsanlagen nutzen: Sie stellen für uns Proteine mit bestimmten Eigenschaften her, die wir dann als Wirkstoffe in Medikamenten verwenden können. Zellen reagieren aber sehr empfindlich auf äußere Umstände, deshalb haben wir die Herausforderung, die Prozesse und Methoden so zu gestalten, dass sie reproduzierbar sind und immer die gewünschte Qualität und Menge von einem Protein erzeugen. Schließlich wollen wir am Ende Medikamente haben, die nicht nur wirksam sind, sondern auch möglichst wenige Nebenwirkungen verursachen und haltbar sind, also sowohl gut gelagert werden können als auch vom Körper nicht so schnell abgebaut werden. Das macht vieles schwieriger als in der Herstellung konventioneller Medikamente. Bei dieser arbeitet man mit kleinen Moleküle, die durch chemische Synthese hergestellt werden. Sie sind weniger komplex und ihre Herstellung viel einfacher zu kontrollieren und zu reproduzieren.

Können diese Biopharmazeutika auch dazu beitragen, Medikamente für Krankheiten zu finden, für die es bisher keine Mittel gibt?

Ich sehe hier noch viel Potenzial, um Behandlungsansätze für Erkrankungen zu finden, die bisher nicht therapierbar sind. Zum Beispiel haben viele hochwirksame Chemotherapeutika schwerwiegende Nebenwirkungen, da sie nicht nur Krankheitserreger, sondern auch humane Zellen angreifen. Wir hoffen, dass man diese Chemotherapeutika in Zukunft durch neue hochspezifische und personalisierte Biopharmazeutika ersetzen kann. Deshalb schauen wir, wie unterschiedliche Organismen in der Natur mit Proteinen diverse Krankheiten bekämpfen und untersuchen das pharmazeutische Potential dieser Proteine. So schaffen wir die Grundlage für das, was in fünf oder zehn Jahren vielleicht von der Industrie aufgegriffen und als Medikament weiterentwickelt wird.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Ihre Forschung den Sprung in die Anwendung schafft?

Für mich vereint die Arbeit in einem Forschungsprojekt im Idealfall beides: Einerseits erkundet man wissenschaftliches Neuland, andererseits orientiert man sich am möglichen Nutzen für die Medizin und entwickelt eine Technologie oder ein Molekül. Aber grundsätzlich erlaubt die Grundlagenforschung es natürlich schon, ganz neue Dinge zu versuchen und eine andere Perspektive einzunehmen als die Forschungsabteilungen in der Industrie. Auch wenn das natürlich immer das Risiko mit sich bringt, dass etwas nicht funktioniert.

Ist das nicht frustrierend, wenn man zu Beginn nicht weiß, ob etwas am Ende funktionieren wird?

Ich würde sagen, dass unsere Arbeit schon etwas nach dem High Risk, High Reward-Prinzip funktioniert, die Forschung also nicht immer zu dem gewünschten oder erwarteten Ergebnis führt. Aber wenn man erfolgreich ist, dann hat man etwas wirklich Neues auf die Welt gebracht, das vielen Menschen helfen kann. Zum Beispiel im Bereich der Antibiotikaresistenzen sehe ich viel Potenzial für neue Entwicklungen, die von der Grundlagenforschung den Transfer in die Pharmaindustrie schaffen und damit ein globales Problem lösen können.

Mit Antibiotikaresistenzen beschäftigen sie sich unter anderem in einem ihrer Forschungsprojekte, in dem Kühe eine besondere Rolle spielen. Könnten Sie dazu etwas mehr sagen?

In dem Projekt arbeiten wir als eine der ersten Forschungsgruppen weltweit mit den sogenannten Picobodys, also Mini-Proteinen, die man in Antikörpern von manchen Rinderarten findet. Diese Mini-Proteine wurden erst vor wenigen Jahren entdeckt und wir denken, dass sie als Basis für antibakterielle Medikamente dienen könnten. Gefördert wird das Projekt vom European Research Council.

Wie könnten diese Antikörper von der Kuh denn gegen Antibiotikaresistenzen helfen?

Kühe sind Wiederkäuer und haben wegen ihres komplexen Magen-Darm-Systems mit sehr vielen Bakterien und Krankheitserregern Kontakt. Sie müssen also über Mechanismen verfügen, die es ihnen ermöglichen, trotzdem gesund zu bleiben. Was wir bisher über Picobodys wissen, deutet darauf hin, dass sie bei diesem Prozess eine große Rolle spielen. Wir hoffen deshalb, dass wir uns deren Eigenschaften zunutze machen können. Und das Schönste ist, dass jede Kuh Millionen von diesen Mini-Proteinen hat. Das ist also ein großes, noch wenig erforschtes Feld, auf dem wir neue Strukturen, neue Sequenzen, neue Moleküle finden können.

Sie waren während Ihres PostDocs bereits eine Weile an der TUM und sind nun wieder zurück – diesmal als Professor. Gibt es etwas, was für Sie bei der Arbeit an der TUM besonders heraussticht?

Was mich immer beeindruckt ist das Kollegium. Es gibt wirklich hervorragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hier an der TUM. In dieser Atmosphäre mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten ist sehr motivierend und auch sehr inspirierend. Das ist für mich das ganz Besondere an der TUM.

Zur Person

Hristo Svilenov ist Professor für Biopharmaceutical Technology an der TUM. Er studierte Pharmazie an der Medizinischen Universität Sofia und promovierte 2019 in Pharmazeutischer Technologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der Technischen Universität München (2020–2021) wurde er als Associate Professor an die Universität Gent berufen. 2024 kehrte er als Professor an die TUM zurück. Seine Forschung befasst sich mit der Entwicklung neuer Medikamente auf Basis von Proteinen. 2024 hat er für das Projekt Picobody einen ERC-Starting Grant erhalten.

Weitere Informationen und Links

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