• 12.12.2023
  • Lesezeit: 4 Min.

Neue Quantensysteme im Mikrometer-Maßstab

Schwingende Nanosaiten

Prof. Eva Weig und ihr Team bauen mechanische Quantensensoren, die so groß sind, dass sie unter dem Elektronenmikroskop sichtbar sind. Sie könnten vielleicht eines Tages wichtige Bausteine einer neuen Quantentechnologie sein.

Prof. Weig (links) und ihre Doktorandin Maria Kallergi sitzen vor einem Gerät und diskutieren die Testergebnisse bei der Messung einer Nanosaite. Magdalena Jooss
Prof. Weig (links) und ihre Doktorandin Maria Kallergi diskutieren die Messung einer Nanosaite.

Für den Normalbürger mit gesundem Menschenverstand klingen die Vorgänge in der Quantenwelt eher nach Märchen: Teilchen, die sich in Wellen verwandeln und umgekehrt oder Objekte, die simultan an zwei verschiedenen Stellen sind. Ohne diese erstaunlichen Phänomene gäbe es heute keinen Computer, keinen Laser, keine Kernspintomographie, nicht einmal einen gewöhnlichen Fernseher. Eva Weig, Professorin für Nano- und Quantensensorik an der TUM und ihr internationales Team entwickeln neue technische Komponenten für Quantentechnologien wie Quantensensoren.

Quantensysteme mit einer Billion Atome

Normalerweise sind Quantensysteme einzelne oder mehrere Elementarteilchen, Atome oder höchstens Moleküle. An Eva Weig´s Lehrstuhl entstehen extrem kleine Saiten aus Keramik- bzw. Halbleitermaterial, die etwa eine Billion (1012) Atome enthalten. Trotz ihrer Größe können sie sich unter bestimmten Bedingungen wie quantenmechanische Systeme verhalten. „Unsere Objekte kann man vergleichen mit Nano-Gitarrensaiten, die man durch Zupfen in Schwingung versetzt“, erklärt die Physikerin. „Sie können bestimmte Zustände annehmen, die gespeichert, übertragen, ja sogar mit anderen verschränkt werden können.“

Mit ihrer Länge von bis zu 50 Mikrometern gehören diese Nanosaiten heute zu den größten quantenmechanischen Systemen, die es auf der Welt gibt. Als Direktorin des TUM Center for QuantumEngineering (ZQE) und Mitglied des Exzellenzclusters „Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST), bringt Weig die Quantenforschung gemeinsam mit vielen Kolleg:innen voran. „Wie freuen uns immer darüber, exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt und jeder Karrierestufe bei uns willkommen zu heißen, die an diesem Feld interessiert sind und mit uns arbeiten möchten“, sagt sie.

Herstellung und Anwendungsmöglichkeit der Nanosaiten

Eine junge Wissenschaftlerin, die diesem Aufruf folgte, ist Maria Kallergi. Die Elektro- und Informationstechnikerin aus Griechenland studierte an der TUM und ist gerade in ihrem zweiten Jahr des PhD. Sie und ihre Kolleg:innen aus Deutschland, Ägypten und der Türkei, versuchen Nanosaiten so herzustellen und zu charakterisieren, dass sie sich - ausreichend gekühlt - wie ein quantenmechanisches System verhalten. Das wäre eine signifikante Weiterentwicklung und würde neue Anwendungsfelder eröffnen, zum Beispiel Qbits mit einem mechanischen Resonator zu erfassen.

Bei der Herstellung ihrer Nanosaiten benutzen die Forschenden Reinräume, in denen sie mit Hilfe von Elektronenstrahl-Lithographie in mühsamer Kleinarbeit Schicht um Schicht auf Silizium-Wafer auftragen. So entsteht am Ende eine Nanosaite mit einer typischen Länge von 30 bis 50 Mikrometern und einer Dicke von weniger als 100 Nanometern. Anschließend werden die Saiten in einer Vakuumkammer exakt vermessen. Sie dürfen nicht mit Luft in Berührung kommen, denn der Zusammenstoß mit Luftmolekülen würde sie sofort abbremsen.

Konstante Frequenz über einen langen Zeitraum

Das „Anzupfen“ der Saite ist mit Laserlicht, elektrischen Feldern oder auch Schallwellen möglich. In ihrem PhD-Projekt regt Maria Kallergi die Nanosaiten mit einem elektrischen Feld an, bei dem sie konstant Frequenz und Amplitude verändert. Die Bewegung der Saite erzeugt dann wiederum ein elektrisches Signal, das sie misst. Wenn die Nanosaite mit einer Amplitude angeregt wird, die hoch genug ist, dann müssen die physikalischen Grundsätze für eine nicht-lineare Dynamik herangezogen werden, um das System zu beschreiben. Kallergi´s Aufgabe ist es, das System in diesem Zustand zu charakterisieren und weitere stabile Zustände zu identifizieren. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus der Mathematik und Physik passt sie dann, basierend auf ihren Ergebnissen, gängige mathematische Modelle an das ungewöhnliche Verhalten der Nanosaiten an.

Durch ständige Weiterentwicklung und Verbesserung unterschiedlicher Prototypen, haben Eva Weig und ihr Team Nanosaiten mit einer besonderen Eigenschaft geschaffen: Manche dieser Saiten können für ein paar Millisekunden immer mit der gleichen Frequenz schwingen. Für quantenmechanische Vorstellungen bedeutet dies eine ungeheuer lange Zeit. Übertragen auf eine normale Gitarrensaite würde diese etwa eine Stunde lang im gleichen Ton schwingen. „Das ist wirklich aufsehenerregend“, sagt Kallergi, „denn aufgrund dieser Fähigkeit könnte man solche Systeme als Zwischenspeicher für quantenmechanische Informationen nutzen, zum Beispiel zum Parken von Qubits in Quantencomputern.“

System vereint Sensoreigenschaften

Das Besondere an den Saiten ist, dass sie nur sehr wenig Energie an ihre Umgebung abgeben und deshalb bereits bei Raumtemperatur funktionieren. Allerdings reagieren sie besonders empfindlich auf jede äußere Störung. Das wollen sich Eva Weig und ihr Team zunutze machen, indem sie die Schwingung der Nanosaiten durch gezielte „Störungen“ beeinflussen wollen. Auf diese Weise kann man sie an andere Systeme ankoppeln, sie damit manipulieren oder als Detektor verwenden. „Unsere Systeme vereinen die Quantenmechanik und mechanische Vibrationen. Diese besonderen Fähigkeiten könnten sie künftig zu leistungsfähigen und vielseitig einsetzbaren Sensoren machen, mit denen man kleinste magnetische Felder oder Kräfte detektieren könnte“, sagt Weig.

 

Der Artikel wurde bereits auf der Webseite "Research in Bavaria" des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst veröffentlicht:

https://www.research-in-bavaria.de/nanostrings-as-quantum-sensors

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