• 26.6.2019

Medizin mal ganz anders

„Winning“ in Südafrika

Um die 160 Schussverletzungen pro Monat: Das Chris Hani Baragwanath Hospital in Johannesburg/Südafrika hat die größte Unfallnotaufnahme der Welt. Danilo Hackner, Medizinstudent an der TUM, hat vier Monate lang in dem Krankenhaus gearbeitet, wo circa 70 Prozent der Patienten Notfälle sind.

Danilo Hackner in Rettungshubschrauber
Im Rettungshubschrauber: Medizinstudent Danilo Hackner hat vier Monate lang in Südafrika gearbeitet. (Foto: Danilo Hackner)

Die Entscheidung, nach Johannesburg zu gehen, fiel, nachdem der angehende Arzt die Reportage „Saving Soweto“ gesehen hatte. Das Krankenhaus genießt als Ausbildungsstätte bei Chirurgen einen exzellenten Ruf. Danilo zieht die Bilanz zu seinem Aufenthalt:

Drittgrößtes Krankenhaus der Welt

„ „Are you winning?“ – diese Frage wurde mir in meiner Zeit in Südafrika oft gestellt; nie laut, ungeduldig oder anklagend. Sie wird für mich zum Sinnbild der Arbeit und Ausbildung in der Trauma-Unit des „Bara“, wie das Krankenhaus auch genannt wird.

Mit 3.200 Betten ist es das drittgrößte Krankenhaus der Welt und Anlaufstelle für die Bevölkerungsschicht Südafrikas, die sich keine Krankenversicherung leisten kann. Die Lage in der Nähe zu Soweto speist es mit einem nicht enden wollenden Strom an Patienten. Soweto (South Western Township), eigentlich ein Zusammenschluss aus 30 Townships, ist ein Ort der Extreme. Zwei Nobelpreisträger lebten hier, und gleichzeitig zählt es zu den Orten mit der weltweit höchsten Rate an Morden und Vergewaltigungen.

Improvisation gefragt

Das Trauma-Departement gliedert sich in einen großen Bereich für Leichtverletzte und den »Resus« (für resuscitation, Wiederbelebung), wo die lebensbedrohlich Verletzten versorgt werden – eben bis hin zur Wiederbelebung.

Vor allem in den Nachtschichten an Wochenenden war der Patientenansturm extrem. Schon zu Schichtbeginn war die Notaufnahme brechend voll. Man war sehr gut in die Versorgung eingebunden, da ein klares Vorgehen die Abläufe strukturierte. Mit zunehmender Patientenzahl galt es jedoch immer mehr zu improvisieren: Personal wurde knapp, Dinge funktionierten nicht, und wichtiges Material fehlte.

Resus wird zum OP

Neben Schuss- und anderen schweren Verletzungen durch Messer, Macheten oder ähnliches behandelten wir vor allem die Folgen von Verkehrsunfällen. Leider ist es in Johannesburg nicht nur üblich, stark alkoholisiert zu  fahren, sondern die Autobahnen werden auch als Gehweg zwischen Stadt und den Townships genutzt. So kümmerten wir uns so gut es ging um die meist seit Stunden wartenden Patienten, bis der nächste Schwerverletzte kam – und der kam bestimmt.

Im Resus wurden die Schwerverletzten nur soweit versorgt, dass sie stabil genug für den Transport in den OP waren. Notfalls lagen sie innerhalb von Minuten auf dem Operationstisch. Mitunter war ihr Zustand aber so kritisch, dass wir selbst diese Minuten nicht hatten. Dann wurde kurzerhand der Resus zum OP umfunktioniert.

Zeit in Südafrika ein Gewinn

So viel Leid und Grausamkeit man auch ausgesetzt war, so möchte ich meine Zeit dort nicht missen. Nicht nur die Vielzahl an einzigartigen Erfahrungen, sondern auch der Optimismus der Menschen in für uns unvorstellbaren Situationen werden mir in Erinnerung bleiben.

Genau wie das gute Gefühl, wenn jemand den Kopf durch den blutbefleckten Vorhang zwischen den Behandlungsplätzen streckte und fragte: „Are you winning?“. Es war eine allgemeine Frage, nicht nur auf die Tätigkeit bezogen. Hinter ihr versteckte sich viel mehr als nur eine Abfrage des aktuellen Vorankommens. Nach meiner Zeit im Bara kann ich nur antworten: Ja, ich habe gewonnen - viel mehr als nur vier Monate in Südafrika.“

Kontakt: D.Hacknerspam prevention@tum.de

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