• 22.11.2013

Forscher-Team gewinnt Gordon-Bell-Preis 2013 für Supercomputing

Weltrekord-Simulation in der Fluiddynamik

Wie verhalten und verändern sich Gas-Flüssigkeitsgemische? Ein internationales Forscherteam hat das spontane Verdampfen und Kollabieren einer Dampfblasenwolke (Kavitation) in einer Flüssigkeit mit bisher unerreichter Detailgenauigkeit simuliert. Dazu waren 1,6 Milllionen Rechnerkerne auf dem derzeit schnellsten Supercomputer der Welt im Einsatz. Die Arbeit wurde diese Woche an der führenden Supercomputing Konferenz in Denver vorgestellt und mit dem Gordon Bell-Preis der Association for Computer Machinery (ACM) ausgezeichnet – eine der bedeutendsten Auszeichnungen im Supercomputing.

Die Weltrekordsimulation kann gleichzeitig 15.000 Kavitationsbläschen hochaufgelöst darstellen.
Die Weltrekordsimulation kann gleichzeitig 15.000 Kavitationsbläschen hochaufgelöst darstellen. (Bild: CSE-Lab, ETH Zürich)

Die Forscher simulierten gleichzeitig 15.000 implodierende Gasbläschen in einer Flüssigkeit. Dies stellt eine 150-fache Verbesserung der bisherigen Ergebnisse dar. Die Spitzenleistung lag bei 14.4 PetaFLOPS – das entspricht 14,4 Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde. Für die komplexe Strömungssimulation, die 13 Billionen Rechenelemente umfasste, wurden durchgängig 72 Prozent der maximalen Performance des Computers erreicht. Geleitet wurde das Weltrekordprojekt von der Gruppe von Prof.  Koumoutsakos am Computational Science and Engineering Lab (CSE Lab) der ETH Zürich.

Damit lassen sich künftig Wechselwirkungen im Detail untersuchen, die bei der Kavitation auftreten. Beispielsweise extreme Druckschwankungen, die etwa das Material von Schiffspropellern oder Treibstoffinjektoren von Verbrennungsmotoren schädigen. An den Simulationsversuchen waren Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), ETH Zürich, des IBM Forschungszentrums (Zürich) und dem Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL, USA) beteiligt.

Auf das Modell kommt es an

„Das ist die größte realistische Strömungssimulation, die jemals durchgeführt wurde. Ein echter Durchbruch. Denn bislang war uns die effiziente rechentechnische Umsetzung der physikalisch-mathematischen Modellierung nicht gelungen“, erklärt Prof. Nikolaus Adams vom TUM-Lehrstuhl für Aerodynamik und Strömungsmechanik. 

Eine so große Zahl an Rechenkernen parallel arbeiten zu lassen erfordert ausgeklügelte Strategien. „Die Hochskalierung von Programmen, die auf den Rechenkernen effizient arbeiten, geschieht nicht automatisch. Wichtig ist, jeden Rechenkern mit der maßgeschneiderten Balance zwischen Instruktionen und Daten in jedem Zyklus zu versorgen. Das wiederum erfordert ein geschickt konstruiertes physikalisch-numerisches Modell“, betont Nikolaus Adams.

Vermeidung von Materialschäden

Die nun gelungene Simulation trägt dazu bei, in Flüssigkeiten das Phänomen der Kavitation zu verstehen. Den Zusammenhang zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Druck hat bereits der Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli beschrieben. Wenn in einer strömenden Flüssigkeit der statische Druck unter den Dampfdruck fällt, bilden sich Dampfwolken, die aus einer Vielzahl einzelner Bläschen bestehen. Übersteigt dann der statische Druck wieder den Dampfdruck, kondensiert der Dampf und die Bläschen kollabieren schlagartig. Dabei treten kurzfristig extreme Druckspitzen auf, die den Umgebungsdruck um zwei bis drei Größenordnungen übersteigen. Treffen diese Druckspitzen auf Materialstrukturen, werden letztere beschädigt oder zerstört. Das Verständnis dieser Vorgänge erlaubt künftig, die Leistung und Lebensdauer, etwa von Schiffsschrauben oder Einspritzanlagen von Dieselmotoren zu verbessern. 

Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin

Auf der anderen Seite kann das Kavitationsphänomen in der Medizin von Nutzen sein, zum Beispiel bei der Zertrümmerung von Nierensteinen (Lithotripsie). Es kann auch zur Krebstherapie beitragen, um beispielsweise die Durchlässigkeit von Zellmembranen für den gezielten Einsatz von Medikamenten zu erhöhen.

Der Gordon-Bell-Preis der ACM (Association for Computing Machinery) geht auf Initiative des gleichnamigen Ingenieurs und Unternehmensgründers zurück und ist mit 10.000 Dollar dotiert. Der US-Amerikaner gilt als einer der Pioniere im Bereich Hochleistungsrechnen und Parallelverarbeitung. Der Preis wird seit 1987 jährlich für überragende Leistungen im Bereich Supercomputing vergeben. 

Kontakt:
Prof. Dr. Nikolaus Adams
Technische Universität München
Lehrstuhl für Aerodynamik und Strömungsmechanik
Tel.: +49 89 289-16120
nikolaus.adamsspam prevention@tum.de
www.aer.mw.tum.de

Technische Universität München

Corporate Communications Center

HSTS