• 24.10.2016

Diabetesforschung

Wie kommt‘s zum Friendly Fire in der Bauchspeicheldrüse?

Bei Diabetes vom Typ-1 bekämpft der Körper die eigenen Insulin produzierenden Zellen. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM), vom Helmholtz Zentrum München und Deutschen Zentrum für Diabetesforschung haben im Fachjournal ‚PNAS‘ einen Mechanismus vorgestellt, an dem deutlich wird, wie das Immunsystem diesen Angriff vorbereitet. Durch einen gezielten Eingriff konnten sie diesen Prozess hemmen.

Nach Gabe eines Antagomir gegen miR92a werden Insulin (weiß) produzierende Betazellen seltener von Immunzellen (grün) angegriffen. Zudem sind mehr regulatorische T Zellen (rot) vorhanden, die die Betazellen (weiß) schützen können. (Foto: Helmholtz Zentrum München)
Nach Gabe eines Antagomir gegen miR92a werden Insulin (weiß) produzierende Betazellen seltener von Immunzellen (grün) angegriffen. Zudem sind mehr regulatorische T Zellen (rot) vorhanden, die die Betazellen (weiß) schützen können. (Foto: Helmholtz Zentrum München)

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunreaktion, bei der der Körper die eigenen Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört*, daher auch der Begriff Friendly Fire, der für Eigenbeschuss steht. Was genau zu dieser Fehlfunktion führt, versuchen Forscherinnen und Forscher nach wie vor herauszufinden, um therapeutisch in die Prozesse eingreifen zu können. Ein Team um Dr. Carolin Daniel, Gruppenleiterin am Institut für Diabetesforschung (IDF) des Helmholtz Zentrums München, hat nun einen weiteren Baustein zur Lösung des Rätsels hinzugefügt.

„Wir konnten erstmals zeigen, dass bei betroffenen Kindern zu Beginn der Autoimmunreaktion eine erhöhte Anzahl von speziellen Immunzellen im Blut zu finden ist“, sagt Studienleiterin Daniel. Das Team hat zuvor Blutproben von Kindern untersucht, die Professorin Anette-Gabriele Ziegler von der Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin im Rahmen von großen Kohortenstudien aufgebaut hat.

Dem Autoren-Team zufolge handelt es sich bei den Immunzellen um sogenannte Insulin-spezifische, follikuläre T-Helferzellen (TFH). Sie kommen unter anderem in den Lymphknoten vor und leiten Angriffe des Immunsystems ein, indem sie beispielsweise die Produktion von Antikörpern durch die B-Zellen fördern. Nun haben die Wissenschaftler sie vermehrt in den Proben der Kinder mit Inselzellautoimmunität gefunden – einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes.

Auf der Suche nach den Ursachen für den plötzlichen Anstieg der TFH-Zellen deckten die Wissenschaftler einen bisher unbekannten Signalweg auf. „Unsere Analysen ergaben, dass ein als miRNA92a** bekanntes Molekül den Anstoß für eine Kette von molekularen Ereignissen gibt, an deren Ende der plötzliche Anstieg dieser Immunzellen steht“, erklärt die IDF-Doktorandin Isabelle Serr den komplexen Sachverhalt. „Auf dem Weg dorthin verhindert miRNA92a vor allem, dass wichtige Signalproteine wie KLF2 und PTEN gebildet werden.“

Einsatz in Therapie und Diagnostik denkbar

Um zu überprüfen, ob sich dieser neu entdeckte Mechanismus zur therapeutischen Einflussnahme eignet, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirkung eines sogenannten Antago-miR, das spezifisch an miRNA92a bindet und deren Wirkung blockiert. In einem Versuchsmodell von Typ-1-Diabetes und im humanisierten Modell führte diese Behandlung zu einer deutlich geringeren Autoimmunreaktion.

„Die gezielte Inhibierung von miRNA92a oder des nachgeschalteten Signalweges könnten neue Möglichkeiten für die Prävention von Typ-1-Diabetes eröffnen“, mutmaßt Professorin Ziegler, Direktorin des IDF – „zudem könnten die Insulin-spezifischen TFH-Zellen als Biomarker dienen, um den Behandlungserfolg der von uns durchgeführten Insulin-Impfungen zu untersuchen.“

Glossar

* Bei Typ-1-Diabetes gehen Insulin-produzierende Zellen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse zu Grunde, da das körpereigene Immunsystem sie angreift und zerstört (Bildung von Inselautoantikörpern gegen Strukturen der Betazellen). Dadurch kann die Bauchspeicheldrüse den Körper nicht mehr ausreichend mit Insulin versorgen. Hat die Zerstörung der Betazellen ein bestimmtes Maß überschritten, bricht die Erkrankung aus und aufgrund des Insulinmangels steigen die Blutzuckerwerte. Quelle: www.Diabetesinformationsdienst-Muenchen.de   

* microRNAs (miRNAs) sind nichtkodierende RNAs, die eine wichtige Rolle bei der Genregulation und insbesondere beim Stilllegen von Genen spielen. Im Allgemeinen weisen sie eine Größe von 21 bis 23 Nukleotiden auf, sind also sehr kurz - daher der Name.

Publikation:

Serr, I. et al. (2016). miRNA92a targets KLF2 and PTEN signaling to promote human T follicular helper precursors in T1D islet autoimmunity, , DOI: doi/10.1073/pnas.1606646113

Kontakt:

Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler
Technische Universität München
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin
anette.zieglerspam prevention@tum.de

Technische Universität München

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