• 14.4.2022
  • Lesezeit: 4 Min.

Johannes Brantl im Interview über die Munich Compact Light Source als Modell

„Einfach machen, es macht Spaß“

Über 23.000 Teile, 5.600 Bauschritte und 900 Stunden. Johannes Brantl hat die Munich Compact Light Source, einen Teilchenbeschleuniger zur Erzeugung von Röntgenstrahlung, sowohl als virtuelles Modell als auch mit Klemmbausteinen von Lego nachgebaut. Brantl forscht als Doktorand am Lehrstuhl für Biomedizinische Physik, der das Gerät am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) der Technischen Universität München (TUM) in Garching betreibt.

Johannes Brantl hat die Munich Compact Light Source, ein hochkomplexes Gerät zur Erzeugung von Röntgenstrahlen, in einem detaillierten Modell nachgebaut Carolin Lerch / TUM
Johannes Brantl hat die Munich Compact Light Source, ein hochkomplexes Gerät zur Erzeugung von Röntgenstrahlen, in einem detaillierten Modell nachgebaut

Was hat Sie motiviert, dieses hochkomplexe Gerät als Modell nachzubauen?

Bei einem Besuch im Garchinger ESO Supernova Planetarium und Besucherzentrum war ich vom dortigen Modell des European Extremely Large Telescope fasziniert. Daraufhin wollte ich versuchen, die Röntgenquelle an unserem Lehrstuhl nachzubauen. Da ich nicht die richtigen Bausteine zu Hause hatte, habe ich zunächst nach einem Software-Programm gesucht, mit dem ich virtuell arbeiten kann.

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Wie lange haben Sie gebraucht, um das Modell digital zu konstruieren?

Gut 500 Stunden. Und nochmal 200 Stunden für die Anleitung, die fast 5600 Bauschritte beinhaltet.  Kurz vor dem Lockdown im Frühjahr 2020 hatte ich das virtuelle Modell fertiggestellt.

Was hat Ihnen in dieser Phase des Projekts am meisten Spaß gemacht?

Beim Rendern des virtuellen Modells sind schöne und realistische Bilder entstanden. Diese konnte ich nun auch anderen Leuten zeigen, statt nur vom Projekt zu erzählen. Über die positiven Rückmeldungen dazu habe ich mich sehr gefreut.

Wie ging es nach dem virtuellen Aufbau weiter?

Viele meiner Kolleginnen und Kollegen wollten beim Aufbau des echten Modells gerne mit dabei sein und helfen. Daraufhin habe ich eine Anleitung erstellt, damit andere Leute mitbauen können, und anschließend die Bausteine bestellt An mehreren Abenden und mit vielen Pizzapausen dazwischen, haben wir das Modell zusammengesetzt. Insgesamt sind 213 Arbeitsstunden in den Bau geflossen.

Das ist ganz schön lang. Waren Sie durchgehend motiviert, durchzuhalten?

Ach, ich war immer motiviert. Ich habe mich ganz in meinem Element gefühlt. Wir haben meistens gegen 17:30 Uhr angefangen, zwei Stunden gebaut, etwas zu Essen bestellt und danach weitergebaut, manchmal bis kurz vor Mitternacht. 213 Stunden mag sich viel anhören, aber diese waren aufgeteilt auf mehrere Abende und viele Leute. Insgesamt haben 18 Kolleginnen und Kollegen vom Lehrstuhl mitgeholfen.

Haben Sie früher auch schon Modelle gebaut?

Ja, seit ich ganz klein war. Die ersten Modelle waren noch relativ einfach. Eines der ersten richtigen Legomodelle habe ich gebaut, als ich vier Jahre alt war, das war ein Polizeilaster. Auf den war ich damals sehr stolz. Irgendwann kamen Star Wars Modelle hinzu. Wenn ich eine Idee hatte, habe ich sie mit gesammelten Bausteinen ausprobiert und ausgefeilt. Wenn der strukturelle Kern sitzt und die Form ungefähr passt, kommen die Dekoelemente dazu. 

Das Modell der MuCLS ist nun im Foyer des MIBE in Garching ausgestellt. Wie wird es genutzt?

Wir nutzen das Modell, um Besucherinnen und Besuchern zu erklären, wie die Munich Compact Light Source funktioniert. Demnächst werden wir es auch noch mit LEDs beleuchten, die wir einzeln ansteuern können. Damit könnte man noch besser zeigen, wo was passiert, zum Beispiel, wo die Elektronen beschleunigt werden.

Vereinfacht erklärt, was ist die Munich Compact Light Source und was ist das Besondere daran?

Die MuCLS ist eine Art miniaturisiertes Synchrotron, also eine Maschine, die Röntgenstrahlung erzeugt. Die meisten Synchrotrons haben riesige Speicherringe mit ein paar hundert Metern Umfang. Dieser ist bei der MuCLS auf ein paar Meter reduziert. Dadurch ist das Gerät deutlich kompakter, erzeugt aber trotzdem Röntgenlicht mit ähnlichen Eigenschaften wie am Synchrotron. Die maximale Energie der Elektronen im Speicherring ist allerdings bei der MuCLS wesentlich kleiner als bei einem großen Synchrotron.

Die Munich Compact Light Source wird als Röntgenquelle für verschiedene Forschungsprojekte verwendet. Zu welchen konkreten Themen wurde beispielsweise schon damit geforscht?

Eine Doktorandin aus unserer Gruppe hat untersucht, wie Partikel im Mikrometerbereich, die sich in der Lunge befinden, heraustransportiert werden. Dabei konnte sie mittels Phasenkontrast-Bildgebung die Bewegung der Partikel im Atemsystem verfolgen.

Ein weiteres Beispiel ist die Untersuchung von Katalysatoren. Mithilfe von Röntgenabsorptionsspektroskopie hat unsere Forschungsgruppe einen Palladium-Katalysator analysiert, um mehr über die elektronische und geometrische Struktur herauszufinden.

Was war rückblickend das schwierigste Element im ganzen Modell?

Am schwierigsten war die Enhancement Cavity. Dort werden zwei Laserimpulse verstärkt und gespeichert. Von oben sieht dieses Element aus wie ein X. An jedem Ende ist ein Spiegel angebracht, der das Laserlicht in einem Winkel von genau 12,5 Grad reflektiert. Die Verbindungsröhren zwischen den Spiegeln in exakt diesem Winkel auf so kleinem Raum zu bauen war kompliziert, insbesondere weil ich die Klemmbausteine nicht unter Druck setzen wollte. Es waren einige Anläufe nötig, bis ich mit diesem Element zufrieden war.

Was ist Ihre nächste Herausforderung?

Zunächst habe ich noch eine kleinere Variante des Modells mit gut 3000 Bausteinen gebaut. Davon ausgehend habe ich wiederum eine noch kleinere Version erstellt. Die kleinste Variante hat nun die Größe von einem DIN-A4-Blatt und besteht aus knapp 1000 Teilen. Zukünftig könnten noch weitere wissenschaftliche Setups als Modelle folgen.

Ihr Tipp für alle, die sich auch an so ein komplexes Modell heranwagen möchten?

Einfach machen, es macht Spaß.

Publikationen

Informationen zur Munich Compact Light Source

Günther, B., Gradl, R., Jud, C., Eggl, E., Huang, J., Kulpe, S., Achterhold, K., Gleich, B., Dierolf, M. & Pfeiffer, F.
The versatile X-ray beamline of the Munich Compact Light Source: design, instrumentation and applications.
(2020). J. Synchrotron Rad. 27, 1395-1414.

Forschungsbeispiele aus dem Interview

Gradl, R., Dierolf, M., Günther, B. et al.
In vivo Dynamic Phase-Contrast X-ray Imaging using a Compact Light Source.
Sci Rep 8, 6788 (2018), doi.org/10.1038/s41598-018-24763-8

Huang, Juanjuan; Deng, Fuli; Günther, Benedikt; Achterhold, Klaus; Liu, Yue; Jentys, Andreas; Lercher, Johannes A.; Dierolf, Martin; Pfeiffer, Franz:
Laboratory-scale in situ X-ray absorption spectroscopy of a palladium catalyst on a compact inverse-Compton scattering X-ray beamline.
Journal of Analytical Atomic Spectrometry, 2021, doi:10.1039/d1ja00274k 
 

Weitere Informationen und Links

Zum Munich Institute of Biomedical Engineering

Die Munich Compact Light Source ist Teil der Forschungsinfrastruktur am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) der Technischen Universität München (TUM) in Garching. Das MIBE ist ein Integrative Research Institute der TUM. Am MIBE entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen dabei von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen. 

Zur Munich Compact Light Source

Die Munich Compact Light Source besteht aus einer inversen Compton-Quelle, die von Lyncean Technologies Inc. entwickelt und konstruiert wurde. Die X-ray Beamline mit zwei Stationen wurde an der TUM entwickelt. Das Gerät wird für Forschungsarbeiten an der TUM eingesetzt. 

Zur Person

Johannes Brantl hat Physik an der Technischen Universität München studiert und promoviert nun am Lehrstuhl für  „Biomedizinische Physik“ von Prof. Dr. Franz Pfeiffer.

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