• 28.5.2014

Ungewöhnliches Desorptionsverhalten auf der Oberfläche von Katalysatoren

Weg von der Insel

Die Ablösung des Reaktionsprodukts, beispielsweise von der Oberfläche eines Abgaskatalysators, galt lange als ein einfacher, vom Zufall bestimmter Prozessschritt. Der Theorie nach hätten sich die Ablösungsereignisse auch zufällig über die ganze Oberfläche verteilen müssen. Doch viele Messergebnisse widersprachen dieser Modellvorstellung. Ein Team von Physikern der Technischen Universität München (TUM), der Ludwig-Maximilians Universität München (LMU) und des Syncrotron Elettra in Triest hat nun aufgeklärt, warum.

Inseln von adsorbiertem Sauerstoff (dunkel) auf einer Silberoberfläche – Bild: Prof. Dr. S. Günther / TUM
Inseln von adsorbiertem Sauerstoff (dunkel) auf einer Silberoberfläche – Bild: Prof. Dr. S. Günther / TUM

Die Reaktionen an der Oberfläche eines Abgaskatalysators im Auto lassen sich grob in drei Schritte einteilen: Zunächst lagern sich die Reaktionspartner an der Oberfläche des Katalysators an, dann folgt die eigentliche Reaktion und danach die Ablösung der gebildeten Produkte, die Desorption. Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Sebastian Günther von der TUM, Professor Joost Wintterlin von der LMU und Dr. Andrea Locatelli vom Syncrotron Elettra in Triest ist es nun erstmals gelungen, einen solchen Desorptionsvorgang mikroskopisch sichtbar zu machen und zu filmen.

Bisher galt die Ablösung des gebildeten Produkts am Ende der Reaktion, im Gegensatz zu den komplizierten anderen Oberflächenprozessen, als relativ einfach. Die Moleküle nehmen demnach thermische Energie vom Festkörper auf. Sobald diese Energie die Bindungsenergie an die Oberfläche übersteigt, desorbieren sie in einem rein statistischen Prozess, der nur von der Anzahl der Moleküle abhängt. „In einer Vielzahl von Fällen stimmen die nach diesem Modell berechneten Desorptionsraten aber nicht mit den gemessenen überein“, sagt Joost Wintterlin.

Darstellung im Nanometerbereich

Günther, Wintterlin und ihre Kollegen konnten mit ihren Untersuchungen nun zeigen, dass die räumliche Verteilung der Moleküle bei der Desorption wichtig ist. Für ihre Experimente nutzte das Forscherteam ein sogenanntes LEEM (LEEM steht für „low energy electron microscopy“), mit dem Oberflächen mit einer Auflösung im Nanometerbereich abgebildet werden können. Das LEEM funktioniert ähnlich wie ein normales Elektronenmikroskop, nur werden die energiereichen Elektronen, kurz bevor sie auf die Probenoberfläche treffen, auf niedrige Energien abgebremst. Mit dieser Mikroskopietechnik gelang es den Forschern, die Desorption von Sauerstoff von einer Silberoberfläche zu verfolgen.

„Es zeigte sich, dass die Sauerstoffschicht bei der Desorption in viele kleine Inseln zerfällt“, sagt Sebastian Günther, Leiter des Fachgebiets Physikalische Chemie mit Schwerpunkt Katalyse und Mitglied des Zentralinsituts für Katalyseforschung der TUM (CRC). Die Atome desorbieren ausschließlich von den Rändern dieser Inseln, deren Größenverteilung von der Vorbehandlung des Silberkristalls abhängt. „Solche Effekte erklären die scheinbar unverständliche Desorptionsrate. Sie spielen vermutlich auch bei vielen anderen Desorptionsprozessen von Oberflächen eine Rolle und könnten unsere Vorstellungen von den Vorgängen auf Katalysatoroberflächen verändern“, sagt Günther.

Die Arbeiten wurden aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Publikation:

Sebastian Günther, Tevfik Onur Mentes, Miguel Angel Niño, Andrea Locatelli, Sebastian Böcklein, Joost Wintterlin
Desorption kinetics from a surface derived from direct imaging of the adsorbate layer    Nature Communications 16. Mai 2014, doi:10.1038/ncomms4853

LEEM-Video:

LEEM-Video des Zerfalls von Sauerstoff-Inseln (dunkel) auf einer Silberoberfläche.

Kontakt:

Prof. Dr. S. Günther
Technische Universität München
Extraordinariat Physikalische Chemie mit Schwerpunkt Katalyse
Lichtenbergstr. 4, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 13403E-MailInternet

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