Podcast „We are TUM“ – Transkript zur dreizehnten Folge

„Also ich würde sagen, dass Impfungen eine der größten naturwissenschaftlichen und medizinischen Errungenschaften der Menschheit überhaupt ist und wir heute medizinisch gesehen nicht an diesem Punkt wären, an dem wir jetzt sind, wenn es die Impfung nicht gegeben hätte.“

[Moderator Matthias Kirsch:] Die Frau, die wir dort gerade gehört haben, heißt Katharina Tartler. Sie ist Studentin an der TU München und setzt sich mit ihrer Hochschulgruppe dafür ein, an Schulen über das Thema Impfungen aufzuklären. Denn obwohl die Impfung eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit ist, lehnen immer mehr Menschen sie ab. Warum das so ist, dazu später mehr. Herzlich willkommen zu „We are TUM“, dem Podcast von und für die Technische Universität München. Mein Name ist Matthias Kirsch und ich begleite Sie durch diesen Podcast. Wie immer stellt Ihnen aber ganz zu Beginn der Präsident der Universität, Thomas Hofmann, die restlichen Themen der heutigen Episode vor.

[Präsident Thomas Hofmann:] Liebe Zuhörende, Singapur liegt etwa zehntausend Kilometer von München entfernt. Trotzdem arbeiten gerade TUM-Wissenschaftler daran, die Millionenmetropole Singapur auf Elektromobilität umzustellen. Und sie erzählen uns, wie das gehen soll. Eines unserer internationalen Markenzeichen an der TUM sind die zahlreichen Unternehmen, die an der Universität ihren Ursprung fanden. Sechzig bis siebzig Gründungen gibt es hier pro Jahr. Eine der Personen, die die jungen Gründerinnen und Gründer dabei unterstützt, ist Alina Friedrichs. Sie ist die Hidden Champion dieser Folge. Zum Abschluss hören wir dann noch von der Schreibtrainerin Dzifa Vode. Am Ende des Semesters machen sich viele Studierende wieder Gedanken um Zitate, Paraphrasen oder korrekte Quellenangaben. In unserer Rubrik „Fünf Tipps“ gibt die Schreibtrainerin konkrete Ratschläge, wie sich Plagiate in Hausarbeiten vermeiden lassen und was Software auf diesem Gebiet alles leisten kann. Viel Spaß beim Zuhören.

Spitzenforschung

[Kirsch:] Stellen Sie sich München vor. Eine Großstadt, klar, aber mit anderthalb Millionen Einwohnern noch irgendwie überschaubar. Und trotzdem ist bereits hier in München die Umstellung auf Elektromobilität ganz schön schwierig. Logistik, politischer Wille, Innovation, das sind alles Hürden, die es zu überwinden gibt. Einer noch größeren Herausforderung stellen sich zwei Wissenschaftler der TU. David Eckhoff und Tobias Massier arbeiten daran, Singapur auf Elektromobilität umzustellen. Also eine Metropole mehr als dreimal so groß wie München. Wie ihnen das gelingen soll und welche Rolle die TU München dabei spielt, darüber hat mein Kollege Fabian Dilger mit den beiden gesprochen.

[Dilger:] Herr Massier, Herr Eckhoff, guten Tag nach Singapur. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben für das Gespräch.

[Eckhoff:] Ja, schönen guten Tag, sehr gerne.

[Massier:] Guten Tag, Herr Dilger. Freue mich auf das Gespräch.

[Dilger:] Zu Anfang die Frage, wie pendeln Sie jeden Morgen ins Büro und wie lange brauchen Sie dafür?

[Eckhoff:] Für mich ist meistens das Taxi die Wahl. In Singapur ist das Taxi eigentlich Teil des öffentlichen Transportsystems. Deutlich günstiger als zum Beispiel in München. Auf dem Heimweg momentan laufe ich auch gerne mal nach Hause. Ich wohne nicht so weit weg, dass das möglich ist.

[Massier:] In meinem Fall sind es zwei Buslinien, die ich nehme und das dauert je nach Verkehr zwischen 35 und 45 Minuten.

[Dilger:] Das sind beides auch Verkehrsmittel, die Teil ihrer täglichen Arbeit sind. Denn de facto, wenn man es mal so runterbrechen könnte, forschen sie daran, das Verkehrssystem der Megacity Singapur komplett umzustellen.

[Eckhoff:] Das ist richtig. Die große Herausforderung, die sich hier stellt, ist, wie kann man so eine Megacity wie Singapur von konventionellen Antrieben, Benzin und Diesel Richtung Elektroantrieb umstellen. Und das ist nicht so trivial. Und Herr Massier und ich, wir arbeiten da gemeinsam dran, wie man diese Herausforderungen bewältigen kann.

[Dilger:] Was kann man denn in Singapur so gut erforschen, was man in Deutschland noch nicht kann? Wo sind die Voraussetzungen besonders gut in Singapur?

[Massier:] Es ist gut, dass es eben ein sehr kleines und ein sehr abgeschlossenes System ist. Es hat weniger was mit der Kultur oder Ähnlichem zu tun. Es ist einfach wie so ein Sandkasten, Sandbox auf Englisch. Das heißt, man weiß genau, wo die Grenzen sind, also die Grenzen des entsprechenden Verkehrssystems. Und da ist es einfach sehr viel einfacher, darauf aufzubauen oder darauf etwas zu entwickeln, als wenn man jetzt ein sehr großes System hat wie Deutschland, wo es dann noch zwischen Städten Verbindungen gibt und sehr viel mehr Verkehrsmöglichkeiten bis hin zum Flugzeug. Hier in Singapur gibt es ja lokal nur Bahn, Taxi, Bus und inzwischen halt auch ein paar, wie nennt man das, private Hire-Fahrzeuge, Uber oder Grab.

[Dilger:] Sie beide haben jeweils zwei sehr wichtige Simulatoren für diese Umstellung des Verkehrs in Singapur entwickelt. Das sind sozusagen die Herzstücke dieser Transformation. Fangen wir doch bei Ihnen an, Herr Eckhoff. Was kann Ihr City Mobility Simulator leisten?

[Eckhoff:] Ja, der CityMoS wurde hier von uns bei TUMCREATE entwickelt. Und die Idee ist es, eine virtuelle Spielwiese zu haben, einen digitalen Zwilling des Transportsystems von Singapur im Computer, der uns erlaubt, verschiedene, wir sagen dazu sogenannte What-if-Szenarien, also Was-wäre-wenn-Szenarien durchzuspielen. Ganz konkret zum Beispiel könnte das sein, wenn wir gefragt werden: „Hey, welche Buslinien könnten wir denn elektrifizieren“? Dann können wir das durchsimulieren und sagen: „Ja, diese Buslinien eignen sich fantastisch zur Elektrifizierung“. Andere Buslinien, vielleicht, weil sie zu lang sind, weil Timings der Busse nicht optimal sind, eher weniger. Ganz prinzipiell ist es so, dass wir den CityMoS entwickelt haben, weil es zu diesem Zeitpunkt und auch heute noch keine anderen Tools gibt, die eine ganze Insel wie Singapur oder eine ganze Stadt in so einem hohen Detailgrad abbilden können, mikroskopisch. Denn Elektromobilität betrifft ja den Einzelnen. Also ich muss selber für mich Entscheidungen treffen, wann lade ich mein Fahrzeug, wie viel Batterie habe ich noch übrig, um den nächsten Trip zur Arbeit oder nach Hause zu bewerkstelligen. Und deswegen ist es dort schwierig, eben mit einem makroskopischen Modell dranzugehen. Das heißt, wir müssen dort mit hohem Detailgrad eine große Fläche simulieren. Und das ist genau das, wo der CityMoS zum Einsatz kommt.

[Dilger:] Herr Massier, Ihr Team forscht dazu, wie Elektrofahrzeuge in das Stromsystem von Singapur integriert werden können. Was ist denn das größte Problem, wenn man eine ganze Megacity mit sechs Millionen Einwohnern knapp auf E-Fahrzeuge umstellt?

[Massier:] Von der Netzseite her ist das Problem, dass man nicht weiß, zu welchen Tageszeiten und an welchen Orten man wie viel zusätzliche elektrische Last erwarten wird aufgrund dieser Umstellung. Und es ist für die verschiedenen Fahrzeugtypen auch sehr unterschiedlich. Also wenn wir jetzt private Fahrzeuge betrachten, dann werden die möglicherweise zu Hause geladen oder auch in den Gebäuden, wo die Menschen arbeiten, wenn sie mit dem Auto zur Arbeit fahren. Wenn es aber Taxis oder Busse sind, sieht das wieder anders aus. Die Busse, die werden voraussichtlich an ihren Busbahnhöfen laden, wobei hier dann sehr viel Ladeleistung in einem kleinen Punkt auftritt, also eine sehr hohe Leistung an einem Ort, was sehr wahrscheinlich zur Überlastung von Netzen führen kann. Und bei Taxis könnte die Leistung überall auftreten, denn die Taxis sind nicht gebunden an spezielle Ladestationen oder Bahnhöfe oder Ähnliches. Das heißt, all das zusammenzubringen ist sehr schwierig und vorauszusehen, was dann genau passiert im Stromsystem. Das ist wirklich die Herausforderung.

[Dilger:] Gibt es denn Beispiele, wo Ihrer beider Arbeit auch in Deutschland Anwendung gefunden hat?

[Eckhoff:] Der Technologie- und Wissensaustausch mit der TUM ist natürlich sehr stark. Und gerade im Bereich des CityMoS haben wir an der TUM ein Projekt laufen. Am Lehrstuhl von Prof. Knoll haben wir ein kleines CityMoS-Team aufgebaut, wo wir uns ganz konkret an einem Projekt anschauen, wie kann man Lieferflotten, in dem Beispiel ist es jetzt DHL, elektrifizieren und was ist der Effekt auf das Tagesgeschäft dort. Das ist ein Verbundprojekt gemeinsam mit Siemens, DHL und der FH Dortmund, wo dann auch wirklich konkret der CityMoS eingesetzt wird, um Fragestellungen in Deutschland zu bearbeiten.

[Massier:] TUMCREATE ist ja ein Projekt zwischen der TU München und der NTU. Und das heißt natürlich, dass auch an den entsprechenden Lehrstühlen in München unsere Arbeit angewendet wird. Das heißt, dort wird zum Beispiel auch unser MESMO weiterentwickelt. Das Tool ist ja open source. Das heißt, jeder, der möchte, kann sich daran beteiligen. Und eine Idee ist es dann auch für München einzusetzen, zum Beispiel für Fernwärmenetze oder Ähnliches und wie man hier dann entsprechende Ausgleichsmechanismen anwenden kann.

[Dilger:] Herr Massier, bei Ihnen weitet sich der Blick in den nächsten Jahren hoffentlich auch. Es geht von der Fokussierung auf Mobilität hin zu einem Gesamtblick auf die gesamte Energieversorgung des Staates Singapur.

[Massier:] Singapur hat ja auch das Paris Agreement unterschrieben zur Reduktion seines CO2-Ausstoßes. Und hier möchten wir in zukünftigen Programmen Alternativen aufzeigen. Das kann sein Import von Elektrizität aus anderen Ländern, zum Beispiel aus der Region, vielleicht aber auch aus Australien. Es gibt tatsächlich ein Projekt, das in den nächsten Jahren realisiert werden soll. Oder auch unterschiedliche synthetische Kraftstoffe, die importiert werden könnten oder auch Wasserstoff. Und hier stellt sich natürlich die Frage, wie ändert sich dann das ganze Energiesystem Singapurs von der Versorgungsseite genauso wie von der Endenergie-Seite.

[Dilger:] Herr Massier, Herr Eckhoff, vielen Dank fürs Gespräch und schöne Grüße nach Singapur.

Hidden Champion

[Kirsch:] Jedes Jahr betreut die TU München mit ihrer Entrepreneurship-Abteilung rund dreihundert Gründungsvorhaben. Kein Wunder also, dass so viele Start-ups im Umfeld der Universität entstehen. Aber nicht alle Vorhaben werden Realität. So wurden im Jahr 2021 zum Beispiel aus mehreren hundert Ideen am Ende 63 Ausgründungen. Alina Friedrichs von TUM Entrepreneurship weiß, was der Unterschied zwischen Projekt und fertigem Produkt ist. Und sie hat es meiner Kollegin Clarissa Ruge verraten.

[Ruge:] Ich freue mich heute sehr auf unser Hidden-Champion-Gespräch und zwar mit Alina Friedrichs, Hidden Champion von einem der wohl interessantesten und sagenumwobensten Bereiche an der TUM, nämlich Start-ups und Entrepreneurship. Genauer gesagt arbeitet Alina Friedrichs im TUM Forschungsförderung & Technologietransfer, TUM ForTe, und ist eben auch für Gründungsberatung zuständig. Hallo Alina.

[Friedrichs:] Hi, es freut mich sehr hier zu sein.

[Ruge:] You teach what you do. Sie beraten nicht nur Gründer an der TUM, sie haben auch selbst schon mehrere Unternehmen gegründet. Woher kommt der Drang dazu?

[Friedrichs:] Ich glaube, dass sich ganz viele heutzutage die Frage stellen, wie man zum einen Veränderungen mit antreiben kann und zum anderen aber auch selbstbestimmt arbeiten kann. Und das ist auch was, was mich einfach antreibt, warum es mich auch immer wieder in Gründungen zieht, aber warum ich auch so gerne bei der TUM Gründungsberatung bin und ja viel Kontakt mit Start-ups habe und neuen Ideen.

[Ruge:] Ganz kurz und knapp, was war Ihr größter Fehler bei Ihrer eigenen Gründung und was war Ihr größter Lernerfolg?

[Friedrichs:] Bei meinem ersten Start-up war ich ja im Fashion-Bereich. Wir haben eine Shopping-Community für faire und nachhaltige Mode aufgebaut und was wir am Anfang total unterschätzt haben, ist der Wettbewerb im Fashion-Bereich. Also da sind einfach mit Zalando und auch Amazon einfach schon so viele Player im Markt und ganz viel Geld und das haben wir einfach total unterschätzt. Weshalb wir auch dann irgendwann festgestellt haben, das wird sich finanziell einfach nicht rentieren.

[Ruge:] Das heißt, Ihre Erfahrung, würde ich sagen, hilft allen, die gerade gründen wollen, oder?

[Friedrichs:] Ich glaube, dass man sehr, sehr viele Fehler am Anfang vermeiden kann und da als Gründungsberatung auch einfach sehr ehrlich und direkt Fragen stellen muss und kann, die dann den Blick dahin richten, wo sind die crucial points am Anfang einer Gründung, die man im Blick behalten muss.

[Ruge:] Ihr Fachgebiet ist die Gründungsberatung beim Programm TUM Entrepreneurship. In welchem Stadium des Projekts helfen Sie Studierenden? Schon kurz nach der ersten Idee oder erst dann, wenn Steine aus dem Weg geräumt sind?

[Friedrichs:] Also wir starten wirklich am Anfang, wenn die Idee noch am Entstehen ist. Was für uns wichtig ist, ist, dass die Idee nicht erst zwei Tage alt ist, sondern dass sich die Person, die zu uns kommt, schon ein bisschen damit beschäftigt hat, den Wettbewerb umrissen hat und idealerweise auch schon ein Team mitbringt.

[Ruge:] Jetzt aber ganz konkret, wie kann denn die TUM bei einer Gründung beziehungsweise den dann auftauchenden Problemen helfen? Was können Sie für die Studierenden tun oder ihnen geben?

[Friedrichs:] Also zum einen stehen wir tatsächlich mit One-on-one-Beratung den Studierenden oder auch Alumni oder Forschenden zur Seite. Zum anderen unterstützen wir mit Netzwerk, mit Mentoren. Wir haben ein Inkubationsprogramm, wir haben eine Vielzahl an Angeboten, die wir zur Verfügung stellen und die genutzt werden können, um die ersten Schritte zu erleichtern, um sich zu vernetzen.

[Ruge:] Welches von den Angeboten hätten Sie am meisten geschätzt in Ihrer eigenen Gründungsphase?

[Friedrichs:] Ich glaube, es ist total wichtig, eine Person an der Seite zu haben, die versteht, wo man hinwill, die die richtigen Fragen stellt. Also ich glaube, dass Gründungsberatung schon enorm hilft am Anfang einer Gründung, um den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge zu lenken. Aber das zweite ist auch, was am Anfang ganz wichtig ist, das Netzwerk und die Möglichkeit, sich mit anderen Gründer:innen zu vernetzen, aber auch Experten, Mentor:innen zur Verfügung zu stellen.

[Ruge:] Die TUM bietet für Studierende ein großes Angebot an Starthilfen auf dem Weg zum Gründen. Ist das gewissermaßen ein softes Kriterium? Entscheiden sich zum Beispiel Studierende bewusst für ein Studium an der TUM, weil sie nachher gründen wollen?

[Friedrichs:] Die TUM hat Entrepreneurship als eine große Säule mit vorne draufstehen. Und ich glaube, dass viele Studierende sich deshalb auch bewusst für die TUM entscheiden, weil sie wissen, dass hier das Ökozentrum da ist, dass hier die Unterstützung da ist, dass hier viel Know-how auch da ist und dass Gründung ganz aktiv gefördert wird.

[Ruge:] Und was wäre, wenn man sagt „Hand aufs Herz, Mensch, da müssen wir wirklich noch mehr tun“, was wäre da ein Ansatz?

[Friedrichs:] Die TUM hat sich in den letzten Jahren sehr auf Technologie-Ausgründung fokussiert und jetzt kommt das Thema soziale und ökologische Innovationen in den Vordergrund und ich glaube, dass wir da noch viel, viel mehr tun können, um positiven Change voranzutreiben.

[Ruge:] Ihr Herzensthema ist Nachhaltigkeit. Wenn Sie sich eine Idee wünschen könnten, die Sie als Gründungsberaterin bis zur Marktreife bringen könnten, welche wäre das?

[Friedrichs:] Also ich bin generell fasziniert von jeder Person, die sich unternehmerisch aufmacht, um ein soziales oder ökologisches Problem zu lösen, die den Drive hat, die den Idealismus hat. Was ich total faszinierend finde, sind wirklich auch technologische Innovationen, die zum Beispiel Plastikalternativen oder auch Fleischalternativen, wo wir einfach noch wahnsinnig viel zu erforschen haben und die dann tatsächlich einen effektiven Beitrag zur Verhinderung des Klimawandels beitragen.

[Ruge:] Vielen Dank. Danke für die Anregung. Danke fürs Gespräch.

[Friedrichs:] Dankeschön.

Der junge Blick

[Kirsch:] Impfungen sind eine der wichtigsten Erfindungen der Naturwissenschaften. Sie retten Leben und sie können Krankheiten ausrotten. Aber genau weil sie so erfolgreich sind, haben sie manchmal auch ein Akzeptanzproblem. Etwas, was wir in der Corona-Pandemie auch erlebt haben. Warum das so ist, das erklärt die TU-Studentin Katharina Tartler. Sie hat die Hochschulgruppe VACCtion gegründet, mit der sie an Schulen über die Impfungen aufklärt. Mein Kollege Fabian Dilger hat sich mit ihr unterhalten.

[Dilger:] Hallo, guten Tag Frau Tartler.

[Tartler:] Guten Tag Herr Dilger. Schön, dass ich heute da sein darf.

[Dilger:] Frau Tartler, vervollständigen Sie doch bitte folgenden Satz: Die Erfindung von Impfungen bedeutet für die Geschichte der Menschheit …

[Tartler:] … ein wahnsinniges Erfolgserlebnis. Also ich würde sagen, dass Impfungen eine der größten naturwissenschaftlichen und medizinischen Errungenschaften der Menschheit überhaupt sind und wir heute medizinisch gesehen nicht an diesem Punkt wären, an dem wir jetzt sind, wenn es die Impfung nicht gegeben hätte.

[Dilger:] Impfungen sind eigentlich so erfolgreich, dass sie ihrem Ruf sogar damit schaden. Was ist denn dieses Paradox und wie funktioniert das?

[Tartler:] Ja, das Paradoxe an der ganzen Sache ist, dass die Impfungen uns helfen, Krankheiten auszurotten oder zumindest so weit zurückzudrängen, dass sie hier nicht mehr präsent sind. Aber dadurch, dass sie dann eben nicht mehr präsent sind, werden sie auch sehr schnell aus den Köpfen, aus den Gedächtnissen der Menschen gelöscht und dann wissen die Leute nicht mehr, wie es ist, darunter zu leiden und sind dann plötzlich der Meinung, ja so schlimm kann das ja nicht sein, weil sie haben es wie gesagt nicht mehr im Kopf, wie es ist, darunter zu leiden. Und somit schadet sich die Impfung im Prinzip tatsächlich selber, indem sie eigentlich Gutes für die Menschen tut.

[Dilger:] Wir in Europa, wir haben ja einen sehr guten Zugang zu Impfungen. Die Menschen im globalen Süden aber eher nicht. Leben wir de facto in zu guten Umständen, um den Wert von Impfungen noch richtig zu schätzen?

[Tartler:] Ich denke tatsächlich ja. Also bei uns ist es immer Jammern auf hohem Niveau, würde ich mal sagen, wenn wir wegen einer „Kleinigkeit“ oder so ins Krankenhaus kommen. Aber wir haben einfach die Mittel, was dagegen zu machen. Wir können Krankheiten ausreichend behandeln und wir können uns vor Krankheiten durch die Impfung auch effektiv schützen. Das ist eben nicht in allen Ländern der Welt so. Ich bin nach dem Abitur nach Nepal geflogen, um da Sozialarbeit zu leisten und in Vorbereitung darauf habe ich wahnsinnig viele Impfungen bekommen. Also ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass es nicht selbstverständlich sein könnte, an solche Impfungen zu kommen. Aber als ich dann dort war und einfach auch die Armut und die schlechte medizinische Infrastruktur dort gesehen habe, ist mir einfach klargeworden, was für ein wahnsinniges Privileg das eigentlich für uns hier ist, Zugang zu Impfungen und überhaupt zu der ganzen Medizin, zu den Medikamenten zu haben.

[Dilger:] Bei Impfaufklärung, da denkt man ja sofort an die Coronapandemie. Tatsächlich betreiben sie die Initiative und jetzt auch Hochschulgruppe VACCtion aber schon länger. Was war denn der Anlass für die Gründung?

[Tartler:] Genau, gegründet haben wir uns 2019 und das war eher ein langwieriger Prozess. Also meine Brüder haben mir tatsächlich ganz oft Nachrichtenausschnitte oder so geschickt von Impfgegnern, Impfgegnerdemos. Irgendwann bin ich dann auch ein bisschen ärgerlich geworden, sauer. Und dann irgendwann bin ich aber auf den Trichter gekommen, ja, die meisten Leute wissen es aber einfach nicht besser. Also gerade, wenn man eben ins Internet geht und sich informieren möchte, kommt man ganz schnell auf irgendwelche Verschwörungstheorien. Und dann dachte ich mir, ja da muss man doch irgendwas gegen machen können. Und dann wollte ich eben das Wissen, dass ich habe durch mein Studium, das Studium der Biochemie, einfach nutzen, um eben Aufklärung zu betreiben, um den Leuten eine fundierte Grundlage zu geben, mit der sie dann eine Impfentscheidung treffen können.

[Dilger:] Der Name Ihrer Hochschulgruppe VACCtion, der ist ein Kofferwort aus Vaccination und Action. Ihren allerersten Vortrag, den haben Sie beim Seniorenclub Ihres Pfarrverbandes gehalten. Sie gehen auch in Schulen und informieren da. Wie informiert man denn Personen, die keine naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse haben, verständlich über Impfungen?

[Tartler:] Ganz wichtig ist es, denke ich, zunächst einmal zu erklären, wie eigentlich unser Immunsystem funktioniert. Das kann man auch sehr schön bildlich darstellen, mit kleinen Animationen, die wir auch in unseren Präsentationen mit drin haben. Und wenn man dann verstanden hat, wieso die Grundarbeit des Immunsystems eigentlich funktioniert, dann kann man das vergleichen mit der Arbeitsweise einer Impfung, denn die funktioniert eigentlich ganz ähnlich und warnt das Immunsystem quasi mit mehr oder weniger natürlichen Mechanismen eigentlich vor. Und wenn man eben das Ganze mal veranschaulicht bekommen hat, dann ist es im Prinzip wirklich nicht schwer zu verstehen.

[Dilger:] Hatten Sie denn auch mal so ein Aha-Erlebnis, wo jemand direkt nach einem Vortrag gesagt hat: „Ja, ihr habt mich überzeugt“?

[Tartler:] Ja, tatsächlich. Also das war jetzt in keinem Schulvortrag, das war in einem öffentlichen Online-Vortrag. Wir geben im Abstand von ein paar Monaten regelmäßige Online-Vorträge, zu denen alle eingeladen sind, alle Altersgruppen. Und da kam tatsächlich ein älterer Herr, der danach meinte: „Ja, das klingt ja eigentlich doch ganz plausibel“ und er würde sich jetzt doch impfen lassen, welche Impfung wir ihm denn empfehlen könnten. Ich möchte aber nochmal dazu sagen, dass unser großes Ziel nicht wirklich ist, die Leute vom Impfen zu überzeugen. Wir möchten den Leuten eine Grundlage mitgeben, eine Wissensgrundlage, mit der sie dann selber eigene Impfentscheidungen treffen können.

[Dilger:] Sie holen sich aber auch Hilfe aus der Professorenschaft, um ihre Themen zu bearbeiten?

[Tartler:] Ja, der Professor Zehn ist Immunologe in Weihenstephan, der Professor Luksch ist Neurobiologe auch in Weihenstephan. Der Hintergrund überhaupt, warum wir Professoren mit dabeihaben wollten, ist, dass klar, wir haben alle einen naturwissenschaftlichen Hintergrund, wir haben einen gewissen Grundstock an Wissen im Zusammenhang mit Impfungen und dem Immunsystem, aber wir sind eben alle nicht speziell Immunologen. Damit aber unsere Vorträge auch zu hundert Prozent richtig sind, alle Fakten stimmen, die Mechanismen, die wir auch darauf abgebildet haben, stimmen, haben wir eben die Unterstützung von Spezialisten in der Immunologie geholt, eben den Professor Zehn.

[Dilger:] Frau Tartler, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin bei der Arbeit mit Ihrer Hochschulgruppe.

Fünf Tipps

[Kirsch:] Zum Abschluss dieser Folge kommen wir wie immer zu unserer Rubrik „Fünf Tipps“. Und weil die Prüfungsphase vor der Tür steht und viele Studierende bald Hausarbeiten abgeben müssen, geht es diesmal um Zitate und Quellenangaben. Die Schreibtrainerin Dzifa Vode hat meinem Kollegen Fabian Dilger fünf konkrete Ratschläge darüber gegeben, wie man Plagiate verhindert, korrekt zitiert und erfolgreiche Abschlussarbeiten schreibt.

[Dilger:] Frau Vode, Sie leiten das Schreibzentrum an der Technischen Hochschule Nürnberg. Was ist denn für die Dozierenden an einer Uni überhaupt ein Plagiat? Welche Voraussetzungen muss das erfüllen?

[Vode:] Da kann man erst mal schauen, woran merken denn die Dozierenden überhaupt, dass es ein Plagiat ist. In der Regel lesen sie tatsächlich die Arbeiten von vorn nach hinten und stolpern dann. Stolpern, weil es plötzlich so einen Bruch gibt im Stil, dass andere Wörter, Begrifflichkeiten verwendet werden, dass es plötzlich sehr viel besser klingt vielleicht als vorher oder keine Rechtschreibfehler mehr da sind. Und dann werden die tätig und recherchieren systematisch. Damit es als Plagiat qualifiziert ist, müssen Formulierungen identisch sein. Das können Satzteile sein oder ganze Sätze oder auch mehrere. Oder Gedanken, Ideen, Arbeitsprodukte. Wenn keine Quelle angegeben ist, das ist ein Plagiat.

[Dilger:] Alles klar. Und jetzt zu Ihren Tipps, wie man da wirklich auf Nummer sicher geht.

#1

[Vode:] Mein erster Tipp, da geht es um die Länge von Paraphrasen. Studierende fragen mich häufig, wenn sie aus der Fachliteratur indirekt zitieren, dann muss man ja in eigenen Worten den Inhalt aus der Fachliteratur formulieren. Und da ist die Frage, wie muss das anders sein? Wie stark darf ich doch auch was übernehmen? Und manchmal kommt auch die Frage, ja, wie viele Wörter dürfen denn da identisch sein? So exakt kann man das natürlich nicht beantworten. Und ja, Sie dürfen Fachwörter übernehmen, das ist ganz klar. Und ansonsten den Satz umstellen, andere Satzkonstruktionen verwenden, vielleicht auch auf das Wichtige konzentrieren. Also das, was für Ihre Arbeit in dem Punkt wichtig ist.

#2

Tipp Nummer zwei wäre von Anfang an beim Lesen der Fachliteratur supergut dokumentieren. Das klingt langweilig, ist aber wirklich das A und O des wissenschaftlichen Arbeitens. Also bei jedem Buch, das Sie nehmen, am besten alle bibliografischen Angaben irgendwo notieren. Das kann wirklich eine gute alte Karteikarte sein, das kann eine Datei sein, Word oder Excel oder auch ein Literaturverwaltungsprogramm, was ich persönlich empfehlen würde. Aber das Wichtige ist, dass man das System durchhält und nicht wechselt, sondern alles an einem Punkt sammelt und dabei wirklich alles sauber erfasst.

#3

Tipp Nummer drei, beim Paraphrasieren, beim indirekten Zitieren, da geistert irgendwie immer auch noch die Idee rum, dass man das im Konjunktiv setzen muss. Das ist aber beim wissenschaftlichen Zitieren erst mal nicht so. Wenn ich jetzt Sie, Herr Dilger, zitieren würde, Sie haben meinetwegen gesagt, der Himmel ist blau. Und ich schreibe dann in meinem wissenschaftlichen Text, Dilger zufolge sei der Himmel blau, dann klingt es so, als würde ich mich davon distanzieren, als wäre der gar nicht so. Also in wissenschaftlichen Texten, wenn es um Aussagen geht, die ich auch unterschreiben kann, dann kann ich einfach das im Indikativ schreiben, also Dilger zufolge ist der Himmel blau.

#4

[Dilger:] Kommen wir zu einem Sonderfall. Ich habe ein super Forschungszitat gefunden, das ich gerne einsetzen möchte, aber nur aus zweiter Hand. Das heißt, ich habe die Originalquelle erst einmal nicht vor mir liegen. Was empfehlen Sie da den Studierenden?

[Vode:] Das hängt davon ab, wenn es am Anfang der Bearbeitungszeit ist und Sie noch alle Zeit der Welt haben, machen Sie sich auf die Suche. Also Faulheit ist sozusagen kein Grund aus zweiter Hand zu zitieren. Es ist eine Anforderung an Sie, Originalquellen zu beschaffen. Nur dann können Sie prüfen, ob das, was Sie zitieren möchten, auch wirklich so in der Originalquelle steht. Sie glauben gar nicht, wie häufig es vorkommt, dass Fehler immer weitergetragen werden, immer weiter zitiert werden, weil niemand in der Originalquelle jemals nachschaut. Wenn Sie natürlich morgen abgeben müssen und jetzt wirklich noch das geniale Zitat gefunden haben, dann können Sie auch aus zweiter Hand zitieren. Wenn das ein, zwei Mal in Ihrer Arbeit vorkommt, ist es auch in der Regel kein Problem, aber es sollte sich eben nicht durch die gesamte Arbeit ziehen.

#5

Tipp Nummer fünf zum Thema Plagiaterkennungssoftware. Es gibt aktuell viele Anbieter von Plagiaterkennungssoftware im Internet. Und ja, ich verstehe das Bedürfnis, seinen eigenen Text da hochzuladen und sozusagen extern einen Qualitätscheck machen zu lassen. Aber was eine Plagiaterkennungssoftware leisten kann, ist eigentlich nur auf textliche Übereinstimmungen zu prüfen. Das heißt, direkte Zitate zu anderen Texten, die auch online vorliegen, feststellen. Wenn Sie jetzt zum Beispiel aus einem Buch, was nicht digitalisiert ist, abgeschrieben haben, erkennt das die Plagiaterkennungssoftware nicht. Auch wenn Sie gut in eigenen Worten umformuliert haben und die Quelle vergessen haben, auch das erkennt die Software nicht. Das heißt, Sie können falsche negative Ergebnisse haben. Also Plagiate werden nicht angezeigt, obwohl Sie welche im Text haben und Sie sind dann so in falscher Sicherheit. Oder es werden auch falsche positive Ergebnisse angezeigt. Das heißt, es scheint so, als enthielte Ihr Text Plagiate, aber in Wirklichkeit sind es nur total unverfängliche, allgemeine Formulierungen, die in jeder wissenschaftlichen Arbeit vorkommen.

[Dilger:] Und wenn man Ihre vorherigen Tipps befolgt hat, dann braucht man in der Regel die Software ja auch gar nicht mehr zum Überprüfen. Frau Vode, vielen Dank für diese Tipps dazu, wie man Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten vermeidet.

[Kirsch:] Das war's für diese Folge von „We are TUM“. Auch in der nächsten Folge sprechen wir wieder über Spitzenforschung, das Studienleben und all die Menschen, die die TU zu dem einzigartigen Ort machen, der sie ist. Das war „We are TUM“. Diese Folge wurde produziert von Fabian Dilger, Clarissa Ruge und von mir, Matthias Kirsch. Das Sounddesign und die Postproduktion gestaltet Marco Meister von Edition Meister aus Berlin. Bis zur nächsten Folge. Kommen Sie mit uns und entdecken Sie die großen und die kleinen Geheimnisse der TU München.

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