Prozess für industrielle Fertigung und Anwendung entwickelt
Nachhaltige Carbonfasern auf der Basis von Algen

Projektkoordinator Prof. Thomas Brück, Leiter des TUM-Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie, betont: „Mit dem Gemeinschaftsprojekt GreenCarbon ist uns ein großer Schritt in Richtung nachhaltige industrielle Carbonfaserproduktion gelungen.“ Neben der TUM sind das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, das Unternehmen SGL Carbon sowie der Aerospace-Konzern Airbus an dem vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Konsortium beteiligt.
Neuer Herstellungsprozess für Carbonfasern
Carbonfasern sind leicht, zugleich extrem stabil und widerstandsfähig. In Form von carbonfaserverstärkten Kunststoffen kommen sie vielfältig zum Einsatz: in Flug- und Fahrzeugen, Windrädern, aber auch in Sportartikeln wie Fahrrädern, Tennisschlägern und Ski. Hergestellt werden die Leichtgewichte aus Acrylnitril, einem Grundstoff, der bisher vor allem aus erdölbasiertem Propen gewonnen wird.
Forschende am Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie an der TUM School of Natural Sciences untersuchten die Gewinnung von Ölen aus photosynthetisch aktiven Mikroalgen. „Über die Photosynthese binden die Mikroalgen das Treibhausgas CO2, unter anderem in Form von Algenölen“, erläutert Prof. Thomas Brück. Aus diesen wertvollen Ölen wurde dann über chemische Prozesse Glycerin gewonnen.
Fraunhofer-Forschenden gelang es ein Verfahren zu entwickeln, mit dem das biogene Glycerin katalytisch in Acrylnitril umgewandelt werden kann, den zentralen Ausgangsstoff für die Carbonfaserproduktion. Dieser Prozess konnte am Straubinger Institutsteil des Fraunhofer IGB im Labormaßstab so weit entwickelt werden, dass er nun bereit für den nächsten Skalierungsschritt, die industrielle Anwendung, ist. „Damit haben wir die Voraussetzung zur Produktion nachhaltiger Carbonfasern geschaffen, welche die gleichen Hochleistungseigenschaften wie konventionell hergestellte Carbonfasern aufweisen“, freut sich Dr. Arne Roth, Abteilungsleiter am Fraunhofer IGB.
Die Herstellung der nachhaltigen Carbonfasern war Aufgabe des Industriepartners SGL Carbon, welcher auf die Entwicklung und Herstellung kohlenstoffbasierter Lösungen spezialisiert ist. Das Unternehmen produzierte 50k- Heavy-Tow-Carbonfasern, die aus Bündeln von 50.000 einzelnen Filamenten bestehen und mechanisch sehr stabil sind, nach anerkannten Industriestandards. Daraus wurden kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe, so genannte Verbundlaminate, hergestellt.
Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus war als assoziierter Partner ebenfalls am Projekt GreenCarbon beteiligt. Airbus nutzt Komposite aus Carbonfasern als Hochleistungsmaterialien zur Fertigung von Bauteilen für Flugzeuge und Hubschrauber und untersucht Verfahren, die eine nachhaltigere Produktion dieser Materialien aus erneuerbaren Rohstoffen ermöglichen.
Airbus führte daher ein Technologiescreening durch und analysierte insbesondere auch die Ökobilanz der verschiedenen Technologieoptionen. Von den guten Ergebnissen inspiriert, arbeitet Airbus an der Demonstration der Technologie für fliegendes Gerät. Hierzu fand 2024 der Erstflug eines Forschungshubschraubers mit Carbonfasern aus erneuerbaren Quellen statt, der die Eignung dieser Technologien für Luftfahrtanwendungen beweist.
Weitere Forschung und Entwicklung notwendig
Aufbauend auf den vielversprechenden Ergebnissen des “GreenCarbon”-Projekts wollen die Partner nun die Technologie optimieren und in die breite industrielle Anwendung bringen. Der neue Fertigungsprozess lässt sich nach Einschätzung der Forschenden prinzipiell auch für die nachhaltige Produktion von Acrylsäure nutzen, einem Baustein für viele Polymere, die heute noch aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden.
„Unsere GreenCarbon-Wertschöpfungsroute bietet damit neue Potenziale für die Rohstoffwende in der chemischen Industrie, speziell in der Produktion kohlenstoffbasierter Hochleistungsmaterialien“, so Brück. Das Konsortium erhofft sich eine erneute Förderung für das Nachfolgeprojekt durch das BMFTR.
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