• 7.7.2022
  • Lesezeit: 1 Min.

Unternehmerische Nachhaltigkeit im Globalen Süden

Reisender zwischen zwei Welten

Prof. Frank-Martin Belz fördert nachhaltige Innovationen und Unternehmertum in Entwicklungsländern. Er und sein Team bilden herausragende Studierende dazu aus, zur nachhaltigen Entwicklung von Ländern wie Ghana, Uganda, Kenia, Indien oder Peru beizutragen.

Prof. Frank-Martin Belz unterhält sich mit einer Kollegin aus Uganda. Kats David
Prof. Frank-Martin Belz (links) forscht zur nachhaltigen Entwicklung von Ländern des Globalen Südens.

Der Tag beginnt bereits morgens um fünf Uhr. Um diese Uhrzeit steht Frank-Martin Belz auf, atmet die frische Morgenluft auf dem Balkon ein und macht eine Runde Yoga. Später am Tag will er noch schwimmen oder laufen gehen, erzählt der Wirtschaftswissenschaftler, der schon am Ironman auf Hawaii teilgenommen und das Buch „Challenge Ironman: Auf der Suche nach Sinn“ über diesen Triathlon geschrieben hat, der als der anspruchsvollste weltweit gilt. Um solche Strapazen durchzustehen, braucht man viel Durchhaltewillen und Disziplin. Die hat Frank-Martin Belz auch beruflich. „Mein Arbeitsalltag ist extrem strukturiert, um mich einer Tätigkeit mit allen Sinnen und jedem nötigen Engagement zu widmen“, sagt der 56-Jährige.

Nachhaltigkeit als Antrieb

Frank-Martin Belz ist immer in Bewegung, er mag keinen Stillstand. Dafür verlässt er gerne seine Komfortzone. „Ich bin offen für neue Herausforderungen und Veränderungen“, sagt der Professor für Corporate Sustainability. So gibt es mehrere Richtungswechsel in Belz‘ Lebenslauf. Erst vor zwei Jahren hat er das TUM SEED Center gegründet, wo zu „Sustainable Energies, Entrepreneurship and Development in the Global South“ – also kurz SEED – geforscht und gelehrt wird. Eine Konstante ist dabei das Thema Nachhaltigkeit. „Sie ist mein Antrieb und der Grundgedanke all meiner Forschungen“, sagt Belz. In seiner Promotion und Habilitation beschäftigte er sich mit der Entwicklung und Vermarktung von nachhaltigen Innovationen wie Mobilitätsservices, Passivhäuser, Biolebensmittel und Fair-Trade-Produkte. 2003 wurde er als Professor an die TUM berufen, wo er sich mit dem Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen beschäftigt.

Das Leben der Menschen verbessern

Immer deutlicher wurde ihm jedoch bewusst, dass weltweit tätige Konzerne vor allem vom Erfolg an den Kapitalmärkten getrieben seien und weniger ökologische und soziale Ziele ernsthaft verfolgten. „Die Nachhaltigkeit wird häufig lediglich als Feigenblatt benutzt und eingesetzt, um noch mehr Gewinn zu erzielen“, sagt Belz. 2010 sei ein Wendepunkt für ihn gewesen, um zu den Ursprüngen in seinem wirtschaftlichen Denken zurückzukehren. Die TUM gab ihm den kreativen Raum, um diesen Schritt zu gehen: „Schon immer interessierten mich nicht schnelllebige Wirtschaftszyklen, sondern die großen Dimensionen: Wir müssen in historischen Zeiträumen denken, um die Ökonomie wirklich nachhaltig zu gestalten – um wirklich im Kampf gegen den Klimawandel voranzukommen und den Menschen zu nutzen. Da hat kurzfristiges Gewinndenken keinen Platz.“    

Während eines Sabbaticals wurde ihm klar, für was er seine Kraft in Zukunft verwenden möchte: Für wirtschaftliche Prozesse, die das Leben der Menschen unmittelbar verbessern – vor allem, wenn diese in den Regionen des Globalen Südens leben. 1,3 Milliarden Menschen müssen mit weniger als 1,90 US-Dollar am Tag auskommen und leben damit unter der internationalen Armutsgrenze – die meisten in Subsahara-Afrika und in Südasien. Eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität. „Ohne Strom ist aber kaum Bildung möglich, da Schüler abends nicht mehr lernen können. Wasser kann nicht aus großen Tiefen an die Oberfläche gepumpt werden, um die Dörfer zu versorgen. Und die Menschen können keine Kleinstunternehmen gründen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Ein Zentrum für Ausbildung und Forschung

So entstand die Idee zum TUM SEED Center. Ein Projekt, das viel bewirken könnte: Studierende und junge Unternehmen sollen weltweit darin unterstützt werden, sich für nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Zehn Jahre lang werden nun spannende Initiativen in Deutschland, Ghana, Uganda, Kenia und weiteren Ländern aus dem Bereich nachhaltige Energien gefördert. Parallel dazu werden Masterprogramme in Ländern des Globalen Südens und in Deutschland aufgebaut, um über die universitäre Lehre in den Ländern das Wissen weiterzugeben. In der Universität entwickeln Studierende eigene Geschäftsmodelle, probieren sie aus, bekommen Geschäftsmodelle und Storytelling für ihre Unternehmensgründung an die Hand. Dabei wird das SEED Center von einem interdisziplinären Team an der TUM unterstützt, zu dem auch TUMentrepreneurship und UnternehmerTUM, das Zentrum für Gründung und Innovation an der TUM, gehören.

Das Dorf als Labor

In acht Ländern des Globalen Südens entstehen zudem „Living Labs“ – echte Dörfer, in denen nachhaltige Energiesysteme langfristig aufgebaut werden. Damit kann die Dorfgemeinschaft eine Mühle antreiben, durch Wasserpumpen Felder bewässern oder Kleinunternehmen wie einen Kiosk oder eine Näherei mit Strom versorgen. Forschende der TUM werten den Nutzen wissenschaftlich aus, denn auch wirtschaftlich sollen die Unternehmen, die das TUM SEED Center fördert, natürlich ein Erfolg werden. Der Markt der lokalen Stromversorgung in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern wird auf 200 Milliarden US-Dollar geschätzt. „Diesen Schatz gilt es zu heben, auch wenn es unternehmerisch schwierig ist“, sagt der 56-Jährige.

Im Herbst 2021 gab es endlich ein großes Kick-off-Meeting des TUM SEED Centers, nachdem es ein Jahr zuvor aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen musste. Alle Mitwirkenden kamen in München zusammen. „Ich habe mich sehr gefreut, all diese jungen, engagierten Menschen an einem Ort zu sehen“, sagt Frank-Martin Belz. „Da wusste ich: Es hat sich gelohnt, eine berufliche 180-Grad-Wendung hinzulegen.“ Auch in Zukunft will Frank-Martin Belz in Bewegung bleiben. Er sieht sich als Reisender zwischen zwei Welten – seiner Heimat in Europa und den Ländern Globalen Südens, in denen er zu Gast ist. Er selbst habe einfach viel Glück im Leben gehabt, seine Forscherkarriere sei ein großes Privileg gewesen. Daher versucht er nun, der Gesellschaft ein bisschen was davon zurückzugeben.

Technische Universität München

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