• 1.2.2018

Insektensterben: Auch gewöhnliche Arten werden immer seltener

Das Verschwinden der häufigen Arten

Der Artenrückgang betrifft nicht mehr nur die seltenen Exemplare, sondern inzwischen leiden besonders die häufigen Arten unter der Verinselung von Lebensräumen und einer intensivierten Landwirtschaft. Dies zeigen Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut. Sie beziehen in ihre Analyse die genetische Komponente mit ein.

Hauhechelbläuling Polyommatus icarus, einer der häufigsten Bläulinge mit stark abnehmenden Populationen. (Foto: J. Habel/ TUM)
Hauhechelbläuling Polyommatus icarus, einer der häufigsten Bläulinge mit stark abnehmenden Populationen. (Foto: J. Habel/ TUM)

Nachdem ein starker Verlust von Biomasse durch schwindende Fluginsekten belegt wurde, ist der Rückgang von Insekten von der Gesellschaft intensiv diskutiert worden. Bislang gingen Experten davon aus, dass insbesondere ökologisch spezialisierte Arten unter der landwirtschaftlichen Intensivierung leiden. Der starke Verlust von Biomasse zeigt jedoch, dass offensichtlich genauso die anspruchsloseren Arten stark rückläufig sind. Eine Studie in der Fachzeitschrift „Biological Conservation“ beschreibt, dass es mehrere, zeitlich aufeinander folgende Faktoren gibt, die zu diesem Artenrückgang führen, und diese je nach Zeitpunkt unterschiedliche Arten betreffen.

Die zwei Wissenschaftler Jan Christian Habel vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TUM und Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut zeigen, wenn qualitativ wertvolle Lebensräume (Habitate) zurückgehen, führt das zu einem Verlust von ökologisch spezialisierten Arten. Eine sich weiter verschlechternde Lebensraumqualität geht schließlich mit einem Zusammenbruch von Habitatnetzwerken einher – somit von ganzen Populationen. Jedoch trifft dies – anders als bisher angenommen – vor allem Arten mit geringem Grad an ökologischer Spezialisierung: die Generalisten.

Für Analyse wurde genetische Komponente einbezogen

Für ihre Veröffentlichung haben die Autoren die genetische Komponente einbezogen: Während spezialisierte Arten häufig genetisch einheitlich sind und eine reduzierte innerartliche Variabilität zeigen, besitzen Habitatgeneralisten in der Regel eine hohe genetische Vielfalt. Diese bleibt nur durch einen permanenten Austausch von Individuen zwischen lokalen Populationen aufrechterhalten. Findet kein Austausch mehr von Individuen innerhalb lokaler Populationen durch eine zunehmende Verinselung von Lebensräumen statt, führt dies zu einem genetischen Verlust, was negative Folgen hat für Fitness und Anpassungsfähigkeit von Individuen.

Ist Artenschutz durch isolierte Schutzgebiete überhaupt möglich?

Dass dieser Zusammenhang Populationen anfälliger für Umweltveränderungen macht und zum Aussterben von lokalen Populationen führen kann, ist das Fazit der Wissenschaftler. Für den praktischen Naturschutz stellt sich wiederum die Frage, ob langfristig die Artenvielfalt überhaupt in kleinen, isolierten Schutzgebieten erhalten werden kann? Dies mag für spezialisierte Arten mit ganz bestimmten Lebensraumansprüchen und einer einfachen genetischen Struktur funktionieren, allerdings nicht für die Masse an Arten, die auf einen regen Austausch zwischen lokalen Populationen angewiesen ist. Dies führt dazu, dass in Zukunft weiterhin Arten aussterben, was sich negativ auf Nahrungsnetze und Funktionen auswirkt.

Bildmaterial für die redaktionelle Berichterstattung

Publikation:

Habel, J.C. and Schmitt, T.: Vanishing of the common species: Empty habitats and the role of genetic diversity, Biological Conservation 1/2018. DOI: doi.org/10.1016/j.biocon.2017.12.018

Kontakt:

Dr. Jan Christian Habel
Technische Universität München
Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie
Tel.: +49/8161/71 4861
E-Mail: janchristianhabelspam prevention@gmx.de

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS