• 18.3.2019

Wissenschaftler nutzen Bakterien, um Tumorregionen zu charakterisieren

Mit Purpurbakterien auf Fresszellenjagd

Tumore sind in ihrer Zellzusammensetzung sehr unterschiedlich, was ihre Diagnose und Therapie schwierig macht. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München hat nun gezeigt, dass sich harmlose Purpurbakterien dazu eignen, diese unterschiedlichen Regionen innerhalb der Tumore zu charakterisieren. Sie nutzten die Bakterien, um sogenannte Fresszellen mit optoakustischen Methoden sichtbar zu machen. Sie spielen eine Rolle bei der Tumorentwicklung.

Veränderung des optoakustischen Signals von phototrophen Bakterien durch die Aufnahme von Makrophagen (außerhalb von Makrophagen: blau; innerhalb von Makrophagen: rot). Die in der oberen Reihe schematisch dargestellte Situation kann sowohl im Mikroskop (2. Reihe) als auch mittels MSOT (unten) nachverfolgt werden. Dabei gibt die Veränderung des MSOT-Signals (3. Reihe) Auskunft über die Verteilung von Rhodobacter-Zellen, die sich innerhalb und außerhalb von Makrophagen befinden und damit über ihre Lokalisation und Aktivität. (Bild: Helmholtz Zentrum München)
Veränderung des optoakustischen Signals von phototrophen Bakterien durch die Aufnahme von Makrophagen (außerhalb von Makrophagen: blau; innerhalb von Makrophagen: rot). Die in der oberen Reihe schematisch dargestellte Situation kann sowohl im Mikroskop (2. Reihe) als auch mittels MSOT (unten) nachverfolgt werden. Dabei gibt die Veränderung des MSOT-Signals (3. Reihe) Auskunft über die Verteilung von Rhodobacter-Zellen, die sich innerhalb und außerhalb von Makrophagen befinden und damit über ihre Lokalisation und Aktivität. (Bild: Helmholtz Zentrum München)

Zahlreiche Krebserkrankungen führen zu soliden, also festen Tumoren. In ihrem Inneren weisen diese Tumore große Unterschiede auf zellulärer und molekularbiologischer Ebene auf. Ein Grund hierfür ist die unterschiedliche Lokalisation und Aktivität von sogenannten Fresszellen (Makrophagen). Sie sind dafür zuständig, Krankheitserreger wie Viren und Bakterien aufzunehmen und in ihrem Inneren abzubauen. Obwohl diese Immunzellen ein wichtiger Teil des gesunden Immunsystems sind, spielen sie auch eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Tumoren.

Mithilfe von Bakterien entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun eine bildgebende Methode, die aufzeigen kann, wo solche Fresszellen anwesend und aktiv sind. An der Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, waren auch das Forschungszentrum Jülich sowie die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beteiligt.

Harmlose Bakterien als Werkzeug für die Bildgebung

„Wir konnten zeigen, dass sich die für den Menschen harmlosen Purpurbakterien der Gattung Rhodobacter indirekt als Marker für die Präsenz und Aktivität von Makrophagen eignen“, sagt Dr. Andre C. Stiel, Mitarbeiter am TUM-Lehrstuhl für Biologische Bildgebung von Prof. Vasilis Ntziachristos und Leiter der Arbeitsgruppe ‚Cell Engineering‘ vom Institut für Biologische und Medizinische Bildgebung des Helmholtz Zentrums München. Rhodobacter erzeugen in großen Mengen das Pigment Bacteriochlorophyll a für ihre Photosynthese. Dieser Farbstoff ermöglichte den Forschenden, Bakterien im Tumor mit der multispektralen optoakustischen Tomographie (MSOT) aufzuspüren.

Bei einer MSOT-Aufnahme wandelt sich Licht zuerst in Schall und dann in visuelle Informationen um. Zunächst wird ein schwacher, pulsierender Laserstrahl auf das Körpergewebe gerichtet. Moleküle und Zellen, auf die der Strahl trifft, erwärmen sich geringfügig und reagieren mit minimalen Vibrationen, die wiederum Schallsignale erzeugen. Diese werden von Sensoren aufgenommen und in Bilder umgewandelt. Die Art und Weise, in der die einzelnen Zellen und Moleküle auf den Laser reagieren, hängt von ihren optischen Eigenschaften ab, etwa hier von den Eigenschaften bakterieller Farbstoffe.

Fresszellen verändern Bakterienumgebung im Tumor

Wie funktioniert das Prinzip der Tumorcharakterisierung? Makrophagen nehmen im Zuge ihrer natürlichen Fressaktivität – der sogenannten Phagozytose - die Bakterien auf. Dadurch ändert sich die Umgebung der Bakterien, deren Absorption von elektromagnetischer Strahlung und damit auch das optoakustische Signal. Rhodobacter fungieren so als Sensoren: Sie geben Hinweise auf die Anwesenheit und Aktivität von Fresszellen.

So könnten in der Zukunft Bakterien sowohl die Lage von Tumoren anzeigen, als auch eine erhöhte Aktivität von Makrophagen aufdecken, die je nach Situation Hinweise auf unerwünschte Entzündungen oder auf das erwünschte Ansprechen immunologischer Therapien geben, und schlussendlich dafür genutzt werden, den Effekt von Therapien im Detail zu erforschen.

Publikation:

Lena Peters et al. (2019): Phototrophic purple bacteria as optoacoustic in vivo reporters of macrophage activity. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-019-09081-5

Kontakt

Dr. Andre C. Stiel
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Biologische Bildgebung (Prof. Vasilis Ntziachristos)
Technische Universität München
Tel.: +49 89 3187 3972
E-Mail: andre.stielspam prevention@helmholtz-muenchen.de

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