• 24.3.2021
  • Lesezeit: 3 Min.

Selbstzerstörerische Immunzellen verursachen Fettleber-Hepatitis

Wie aktivierte T-Zellen die Leber zerstören

Die Fettleber-Hepatitis kann schwere Leberschäden und Leberkrebs verursachen. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt entdeckt, dass selbstzerstörerische, sogenannte auto-aggressive Zellen des Immunsystems für die Erkrankung verantwortlich sind. Dieses Wissen kann helfen neue Therapieformen zu entwickeln, um die Folgen der Fettleber-Hepatitis zu verhindern.

Andreas Heddergott
Prof. Percy Knolle und ein internationales Forschungsteam haben herausgefunden, dass Immunzellen durch bestimmte Signale angeregt werden, gesunde Leberzellen anzugreifen und so eine Fettleber-Hepatitis auslösen.

Starke Fettleibigkeit geht häufig mit einer Fettleber-Entzündung einher. Bisher war weitgehend unbekannt, wie es zu der Erkrankung kommt. Das Team um den Immunologen Prof. Percy Knolle von der TUM hat diesen Prozess Schritt für Schritt in Modell-Systemen an Mäusen erforscht – und liefert damit richtungsweisende Einblicke in die Entstehung der Fettleber-Hepatitis beim Menschen. „Alle Schritte, die wir in Modell-Systemen gesehen haben, konnten wir auch bei Patienten beobachten“, betont Knolle. Die Ergebnisse publizierte das Team im renommierten Fachjournal „Nature“.

Auto-aggressive Immunzellen zerstören Lebergewebe

Das Immunsystem schützt uns vor Bakterien und Viren und davor, dass bösartige Tumoren entstehen. Besonders wichtig sind hierbei sogenannte Killer CD8 T-Zellen. Sie erkennen infizierte Körperzellen spezifisch und eliminieren sie. Bei der Fettleber-Hepatitis haben die CD8 T-Zellen diese Fähigkeit zum spezifischen Ausschalten verloren. „Wir haben entdeckt, dass die Immunzellen in der Fettleber-Hepatitis nicht durch bestimmte Erreger, sondern durch metabolische Signale aktiviert werden“, erklärt Michael Dudek, Erstautor der Studie. „Die so aktivierten T-Zellen vernichten dann wahllos alle Zellen in der Leber.“

Schrittweise Aktivierung von T-Zellen

Bis dahin durchlaufen die Immunzellen eine einzigartige, schrittweise Zell-Aktivierung, die bisher nicht bekannt war. Nur wenn Entzündungssignale und Produkte des Fettstoffwechsels in der richtigen Reihenfolge auf die Immunzellen einwirken, entwickeln sie ihre zerstörerische Fähigkeit. „Ähnlich wie bei der Eingabe eines Sicherheitscodes zum Öffnen eines Safes werden die T-Zellen erst durch die definierte Sequenz an Aktivierungs-Signalen ‚scharfgeschaltet‘“, sagt Knolle, der Professor für Molekulare Immunologie an der TUM ist. Als Auslöser für das Töten von Gewebezellen identifizierte das internationale Forschungsteam einen eigentlich harmlosen Metaboliten: den Energieträger ATP, der sich dafür außerhalb der Zellen befinden muss. Auto-aggressive CD8 T-Zellen in der Leber, die mit ATP reagierten, zerstörten die Zellen in ihrer Nähe und verursachten so eine Fettleber-Hepatitis.

Auto-Aggression, aber keine Autoimmunität

Die von den Forscherinnen und Forschern entdeckte Zerstörung von Gewebe durch auto-aggressive Immunzellen unterscheidet sich von herkömmlichen Autoimmunerkrankungen. Dabei greifen Zellen des Immunsystems ganz gezielt bestimmte Körperzellen an. Möglicherweise spielen gewebezerstörende auto-aggressive T-Zellen aber auch eine Rolle bei Autoimmunerkrankungen, ohne, dass man das bisher weiß, so der Hinweis der Autoren.

Neue Therapien für Fettleber-Hepatitis

Bislang lässt sich die Fettleber-Hepatitis nur umkehren, wenn auslösende Faktoren – Übergewicht und eine hochkalorische Ernährung – ausgeschaltet werden, die Patienten also ihren Lebensstil ändern. Die Erkenntnis, dass die Fettleber-Hepatitis durch aktivierte Immunzellen entsteht, gibt nun Impulse für die Entwicklung neuer Therapien. „Die zerstörerische auto-aggressive Form der Immunantwort lässt sich klar trennen von der schützenden T-Zell-Immunantwort gegen Viren und Bakterien“, sagt Knolle. Er ist zuversichtlich, dass sich gezielte Immuntherapien erforschen lassen, welche lediglich die Zerstörung des Gewebes verhindern.

Publikationen

M. Dudek, D. Pfister, S. Donakonda, P. Filpe, A. Schneider, M. Laschinger, D. Hartmann, N. Hüser, P. Meiser, F.Bayerl, D. Inverso, J. Wigger, M.Sebode, R. Öllinger, R. Rad, S. Hegenbarth, M. Anton, A. Guillot, A.Bowman, D. Heide, P. Ramadori, V. Leone, F. Müller, C. Garcia-Caceres, T. Gruber, G. Seifert, A. M. Kabat, J.-P. Malm, S. Reider, M. Effenberger, S. Roth, A. Billeter, B. Müller-Stich, E. J. Pearce, F. Koch-Nolte, R. Käser, H. Tilg, R. Thimme, T. Böttler, F. Tacke, J.-F. Dufour, D. Haller, P. J. Murray, R. Heeren, D. Zehn, J. P. Böttcher, M. Heikenwälder, P. A. Knolle.  Auto-aggressive CXCR6+ CD8 T cells cause liver immune pathology in NASH. Nature (2021). DOI: 10.1038/s41586-021-03233-8.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. med. Percy Knolle
Technische Universität München
Institut für molekulare Immunologie
Tel: +49 (0)89 4140-6921
percy.knollespam prevention@tum.de
 

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