Stipendiatin Bianca Monzer Heddergott/TUM
Kam mit 16 Jahren nach Deutschland: Bianca Monzer

Bianca Monzer: Chancen nutzen

Als Sechzehnjährige verließ Bianca Monzer mit ihrer Mutter die rumänische Heimat, um in Deutschland eine bessere Zukunft zu suchen. Mit Erfolg. Seit 2013 erhält die Studentin der Ingenieurwissenschaften das Deutschlandstipendium an der TUM. Im Interview erzählt sie von ihren ersten Erfahrungen in Oberbayern und wie sie den Weg an die Uni gemeistert hat.

Warum ist Ihre Mutter mit Ihnen nach Deutschland ausgewandert?

Bianca Monzer: Wir haben Rumänien in erster Linie aus finanziellen Gründen verlassen. Als ich zehn Jahre alt war, ist mein Vater gestorben. Für meine Mutter war es danach schwierig, alleine für meine ältere Schwester und mich zu sorgen. Wenn man in einem Land wie Rumänien lebt, ist es schwer, hoffnungsvoll zu bleiben. Man wird schnell desillusioniert. Denn es reicht dort nicht, sein Bestes zu geben und alles daran zu setzen, seinen Kindern durch Bildung eine gesicherte Zukunft zu verschaffen. Das klappt meist nicht – und das bekommt man schon als Kind mit. Als ich sechzehn war, fand meine Mutter einen Job in Deutschland. Dank ihrer Entscheidung, auszuwandern, erhielten wir eine echte Chance. Unsere Karten waren neu gemischt.

Wie ging es Ihnen mit der Entscheidung Ihrer Mutter?

Bianca Monzer: Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde. Aber ich habe gespürt, dass ich meine Zukunft jetzt selbst in der Hand hatte, dass mir neue Türen  offenstanden. Bis heute bin ich meiner Mutter sehr dankbar dafür, dass sie diesen Schritt ins Ungewisse gewagt hat.

Sprachen Sie denn Deutsch, als Sie hier ankamen?

Bianca Monzer: Nein. Ich habe kein Wort Deutsch verstanden. Das war eine große Hürde, denn ich wollte ja zur Schule gehen und lernen. Zu Beginn habe ich die 9. Klasse einer Hauptschule besucht und statt des regulären Deutschunterrichts einen Deutsch für Ausländer Kurs gemacht. Das hat sehr geholfen. Nach nur einem Jahr musste ich aber in den regulären Deutschunterricht gehen.

Und Heimweh hatten Sie wahrscheinlich auch?

Bianca Monzer: Es war schon hart. Ich war sechzehn, habe die Leute in meiner Klasse nicht verstanden. Wir lebten in einem kleinen Dorf bei Traunstein, wo jeder jeden kennt. Da fallen neue Leute auf. Die Einheimischen waren niemals unfreundlich, aber sehr neugierig. Gleichzeitig hat die sprachliche Barriere die Kontaktaufnahme erschwert. Noch dazu waren mir viele Gepflogenheiten fremd. Ich habe zum Beispiel nicht verstanden, warum wir sogar in der Schule Hausschuhe tragen sollten. Mit solchen kleinen Dingen fing es an, die Umstellung hat da schon gedauert. Dadurch, dass ich jedes Jahr eine neue Klasse besucht habe, war es auch schwierig, gute Freunde zu finden. Aber es hat dann doch geklappt.

Sie waren ja zuerst auf einer Hauptschule. Wie ging es dann weiter?

Bianca Monzer: Ich hatte viel Glück: Gleich zu Beginn hatte ich einen Lehrer, der sich für mich eingesetzt hat. Ich habe viel Gas gegeben und immer gezeigt, dass ich lernen will. So durfte ich nach dem Hauptschulabschluss direkt in die 10. Klasse wechseln und dort die Mittlere Reife machen. Danach ging es weiter an die Fachoberschule – wo ich zum Glück auch das Abitur machen konnte. Ich habe auf meinem Weg so ziemlich alle Schulabschlüsse gemacht, die das deutsche Bildungssystem zu bieten hat – und bin sehr dankbar, dass meine Lehrer mich bei dem Aufstieg immer unterstützt haben.

Wie haben Sie vom Deutschlandstipendium erfahren?

Bianca Monzer: Ich habe im Internet verschiedene Förderungen recherchiert und bin auf die TUM Webseite zum Deutschlandstipendium gestoßen. Bei den Kriterien habe ich gesehen, dass das Programm gut zu mir passt – oder ich zum Programm. Ich dachte, ich könnte gute Chancen haben und habe mich einfach beworben.

Warum hat das Programm Sie gleich angesprochen?

Bianca Monzer: Die Mischung der Auswahlkriterien – Noten, Lebensumstände, soziales Engagement. Darin habe ich mich wieder gefunden. Ich war seit dem ersten Semester Semestersprecherin und mein Lebensweg war nicht geradlinig. Ich finde, die Kriterien und das Auswahlverfahren an der TUM zeugen von einer zeitgemäßen und ausgewogenen Einstellung der Universität.

Sie studieren an der TUM Allgemeine Ingenieurwissenschaften. Warum fiel Ihre Wahl auf diesen Studiengang?

Bianca Monzer: Ich finde den Studiengang modern und wirklichkeitsnah. Das Interdisziplinäre ermöglicht es mir, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen und verschiedene Denkweisen und Strategien kennen zu lernen. Viele Vorlesungen finden auf Englisch statt, das Internationale gefällt mir gut. Ich wollte unbedingt an der TUM studieren, vor allem wegen ihres exzellenten Rufs. Eine andere Universität kam für mich nie in Frage. Der Studiengang ist sicherlich nicht leicht, aber ich habe so ein Trotz-Gefühl in mir, der Welt zu zeigen, was ich kann. Wenn etwas schwierig scheint, dann will ich austesten, ob ich es schaffe. Herausforderungen reizen mich. Mir macht das Studium daher auch großen Spaß.

Wie finanzieren Sie Ihr Studium?

Bianca Monzer: Ich bekomme zum Glück BAföG – und bevor ich das Stipendium erhalten habe, habe ich nebenher in der Marktforschung gearbeitet. Dank der Förderung kann ich mich jetzt auf das anspruchsvolle Studium konzentrieren. Ich habe einiges nachzuholen, hatte in der 6. Klasse in Rumänien zum Beispiel zum letzten Mal Physikunterricht. Da sind mir die Deutschen schon voraus und ich muss ackern, aber ich bin ehrgeizig.

Was bedeutet das Deutschlandstipendium für Sie?

Bianca Monzer: Ich bin schon so stolz, an dieser fantastischen Universität studieren zu können. Und dass ich auch noch mit einem Stipendium unterstützt werde und mein Lebensweg und Einsatz mir die Förderung mit ermöglicht haben, ist fantastisch. Natürlich habe ich mich zunächst am meisten über die finanzielle Entlastung gefreut, das Geld hilft mir sehr. Aber mit am schönsten ist für mich das Gefühl, dass mein Förderer mich auf meinem Weg begleitet und durch seine Unterstützung Raum schafft für neue Ziele – und Zeit für ehrenamtliches Engagement. Ich muss nicht mehr nebenher arbeiten und kann mich verstärkt als Semestersprecherin für meine Kommilitonen einsetzen. Zusätzlich erhalten wir Stipendiaten einen direkten Kontakt zur Industrie.

Wie verlief der Kontakt zur Industrie denn bisher?

Bianca Monzer: Ich werde von Herrn Professor Hoffmann, einem privaten Förderer, unterstützt und wusste zu Anfang nicht, was das für mich heißt: Keine Firma im Hintergrund zu haben wie die meisten der anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten. Aber inzwischen weiß ich, dass beides Vorteile hat. Ich hatte zwar nicht sofort den direkten Kontakt zur Industrie, aber einen persönlichen Mentor. Und ich durfte bei vielen Exkursionen zu fördernden Unternehmen teilnehmen. Bei einer Exkursion zum Förderer Giesecke & Devrient habe ich mit einem Abteilungsleiter gesprochen und ihn direkt nach  einem Praktikumsplatz gefragt, weil mich sein Bereich sehr interessiert – und es hat geklappt! Ohne das Stipendienprogramm und dieses ungezwungene Treffen hätte ich diese Chance nicht so schnell und unkompliziert bekommen.

Möchten Sie den Förderern noch etwas sagen?

Bianca Monzer: Ja, und nicht nur den Förderern. Ich möchte sowohl ihnen als auch dem Programm des Deutschlandstipendiums an der TUM „Danke“ sagen. Und zwar dafür, dass erkannt wurde, wie ungenügend es wäre, Leistungen nur durch Noten zu definieren. Dass anerkannt wurde, dass ehrenamtliche Arbeit auch gewürdigt werden sollte. Und vor allem, weil erkannt wurde, dass die Bewältigung persönlicher Umstände auch eine große Leistung darstellt. Deswegen: Dankeschön. Ich bin sicher, einige von uns sind durch Sie dazu inspiriert, sich eines Tages selbst als Förderer zu engagieren – ich jedenfalls schon!

(Interview: Lilian Mohammadpour, September 2014)

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