• 26.6.2020

TUM-Studentin Michaela Wilfling

Sommersemester mit Hindernissen

Michaela Wilfling ist im 5. Mastersemester „Ergonomie - Human Factors Engineering“. Davon, dass sie von Geburt an bilateral gehörlos ist, lässt sie sich nicht einschränken. Was sind die Besonderheiten in ihrem Studium? Wie war ihr Auslandssemester in Tokio? Und wie verläuft für sie das digitale Sommersemester?

Michaela Wilfling vor Mohnwiese
Das digitale Semester bringt Menschen mit Hörbeeinträchtigung Vor- und Nachteile, findet TUM-Studentin Michaela Wilfling. (Foto: Uli Benz)

Michaela, um was geht es in Deinem Studienfach genau?

Michaela Wilfling: Grob gesagt geht es darum, die Interaktion zwischen Mensch und Technik in verschiedenen Anwendungsfeldern zu verbessern. Zum Beispiel habe ich zusammen mit Kommilitonen am deutschlandweiten Projekt UNICARagil, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, mitgearbeitet. Das Projekt verfolgt die Entwicklung von autonomen elektrischen Fahrzeugen, die mithilfe einer Leitwarte überwacht und gesteuert werden sollen. Unsere Aufgabe war es hierbei, ein Interaktionskonzept für diese Leitwarte zu gestalten und zu evaluieren.

Worauf kommt es dabei besonders an?

Wir haben einen Software Prototypen entwickelt, der neben zusätzlichen Vorgaben ergonomische Anforderungen berücksichtigt. Wichtig beim Interaktionskonzept ist vor allem die Benutzerfreundlichkeit, damit Menschen schnell und sicher bei Problemen eingreifen können.

Wie gestaltet sich das Studium für Dich als Gehörlose?

Ich bin von Geburt an bilateral gehörlos. In meiner frühen Kindheit wurden mir daher Cochlea Implantate auf beiden Kopfseiten eingesetzt. Das sind elektronische medizinische Geräte, die Audiosignale an das Gehirn übertragen und mir das Hören ermöglichen. Wenn auch mit Einschränkungen.

Wie ist das in den Vorlesungen?

Hohe Lärmpegel wie Unterhaltungen oder starke Störgeräusche wie Baustellenlärm bei geöffnetem Fenster können mein Hörvermögen einschränken. Daher nutze ich während der Vorlesungen eine FM-Anlage. Diese drahtlose Signalübertragung hilft mir, die Dozenten besser zu verstehen.

Und das funktioniert immer problemlos?

Dieses System funktioniert mit einem externen Mikrofon, das heißt, ich muss vor jeder Vorlesung etwas früher da sein, um dem Dozenten das Sendergerät zu überreichen. Die Dozenten sind in der Regel hilfsbereit und interessiert. Meinen Bachelor habe ich an der LMU gemacht. Dort gibt es in den größeren Hörsälen Infrarot Stereo Hörsysteme, bei denen kein externes Sendergerät nötig ist, sodass ich mich mit meinem Empfängergerät einfach in die Vorlesung setzen konnte. Das würde ich mir an der TUM auch wünschen.

Im Wintersemester warst Du in Japan. Wie war es dort?

Mein Auslandssemester in Tokio hat mir sehr gut gefallen. Ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt und neue Freundschaften geschlossen. Besonders gut haben mir die Veranstaltungen vom Japanisch-Sprachenzentrum gefallen. Da habe ich zum Beispiel eine Kimono-Veranstaltung und einen Ikebana-Workshop besucht. In meiner Freizeit war ich oft mit meinen japanischen Labkollegen essen und ich habe mich durch die kulinarischen Spezialitäten Japans durchprobiert. Das kann ich jedem nur empfehlen, der mal dort ist.

Wie war Studieren in Japan im Vergleich zum Studium an der TUM?

Das Studium an der University of Tokyo unterscheidet sich von der TUM sehr stark. Jeder Masterstudent ist einem Forschungslabor zugeordnet, die Masterarbeit beginnt mit Start des Masterstudiums und wird in wöchentlichen Labmeetings im Forschungslabor präsentiert und besprochen.

Und die Lehre?

Auch die Lehre ist anders: Es ist dort zum Beispiel eher unüblich, dass man in Vorlesungen von sich aus Fragen stellt. Ich musste zudem bald feststellen, dass man mit Englisch in Tokio nicht besonders weit kommt. Meine Univeranstaltungen waren zwar alle auf Englisch, aber dennoch sprechen selbst im akademischen Umfeld einige Japaner kein Englisch.

Was hat Dich in Japan besonders beeindruckt?

Ein Highlight war die „International Robot Exhibition“, bei der viele innovative Roboter im Industriebereich, aber auch im sozialen Bereich präsentiert wurden. Mich hat es begeistert, zu sehen, wie fortgeschritten Japan auf diesem Gebiet bereits ist. Die neuesten Entwicklungen haben mich sehr fasziniert, zum Beispiel Roboter, die miteinander Fußball spielen oder Tänze aufführen können. Andere Roboter können Menschen beim Wäsche zusammenlegen helfen oder als Haustierersatz dienen.

Wie verläuft das digitale Semester denn für Dich?

Sehr unterschiedlich: Es bringt Vor-, aber auch Nachteile für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung. Bei Online-Kursen habe ich die Möglichkeit, an den Laptop Induktionskopfhörer anzuschließen, das erleichtert das Hören. Allerdings steht und fällt die akustische Qualität der Vorlesungen und Seminare mit der Mikrofon- und Raumakustik-Situation beim Dozenten. Sehr hilfreich ist für mich auch, dass man bei kleineren Seminaren die Möglichkeit hat, im Chat Fragen zu stellen und auch die Antworten teilweise schriftlich bekommt. Aktuell steht bei mir die Masterarbeit an – es bleibt spannend!

(Interview: Sabrina Czechofsky)


Michaela Wilfling, 26 Jahre alt, kommt aus Freising und wohnt bereits seit ein paar Jahren in München. Sie war bis zu ihrem Auslandssemester Semestersprecherin ihres Studiengangs und erhält seit 2018 das Deutschlandstipendium. In ihrer Freizeit geht sie gerne laufen und pflegt weltweite Brieffreundschaften. Ihr Interesse an anderen Kulturen und Sprachen spornt sie an, neben Englisch auch fließend Spanisch sprechen zu lernen. Studierenden-Bewerbungen für das Deutschlandstipendium sind noch bis 5. Juli 2020 möglich. Abiturient*innen können sich von 13. Juli bis 9. August 2020 bewerben. Mehr Infos: www.tum.de/deutschlandstipendium

 

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