Podcast „We are TUM“ – Transkript zur zwölften Folge

[Moderator Matthias Kirsch:] Der Krieg beginnt für die Ukrainerin, Olya Popovych um vier Uhr morgens. Es ist der 24. Februar 2022. Olya Popovych liegt in ihrem Bett in der Stadt Iwano-Frankiwsk im Südwesten der Ukraine. Sie wacht auf und sieht ihren Ehemann, der sein Smartphone in der Hand hält.

[Olya Popovych:] It was still night outdoors and I woke up because my baby was crying and I saw that he was just reading the news. And I said: "OK, why you are not sleeping? It's only four o' clock," And he told me: "No, the war has started." - "No, you are joking, maybe it's some misinformation" - "No, several bombs are already in Kyiv."

[Deutsches Voiceover:] Es war noch dunkel draußen. Ich bin aufgewacht, weil mein Baby geweint hat und ich sah, dass sein Handy eingeschaltet war. Ich sagte: „Warum schläfst du nicht? Es ist 4 Uhr nachts.” Und er antwortete: „Nein, der Krieg hat angefangen.” – „Du machst Witze. Ist das eine falsche Info?” – „Nein, in Kyiv sind schon Bomben eingeschlagen.”

[Kirsch:] Julia Yamnenko ist nicht zu Hause in Kyiv, wo sie normalerweise lebt und arbeitet. Sie ist auf Dienstreise im Westen der Ukraine, in Czernowitz.

[Julia Yamnenko:] I cannot forget this, of course, it was four o'clock in the morning and my husband called me and said that, we are being bombed and, I am in the car, he said, and I am going to your father, I will take your father and we will come to you to Chernivtsi and we will decide later what to do. Yeah, and in the evening my husband with my father, they came to us to Chernivtsi as well as my sister with her husband. We all gathered together in Chernivtsi and started to think, what to do.

[Deutsches Voiceover:] Ich kann es nicht vergessen. Es war vier Uhr morgens und mein Mann rief mich an und sagte: Wir werden angegriffen, ich bin im Auto und hole deinen Vater ab. Wir fahren zu euch nach Czernowitz. Am Abend, als sie ankamen, haben wir angefangen zu überlegen, was wir machen sollen.

[Kirsch:] Und Oksana Chernova wird an diesem Morgen um sieben Uhr in ihrer WG in Kyiv nicht von ihrem Wecker, sondern vom Luftalarm geweckt.

[Oksana Chernova:] It took me maybe two seconds to realize that something went wrong and I immediately took my phone, checked the latest news and understood what had just happened. Next I started to collect my documents and put some important items in my backpack. So I share my apartment in Kyiv with one girl and yeah, I wake her up and announced that the war began and we need to do something.

[Deutsches Voiceover:] Es hat einige Sekunden gedauert, bis ich gemerkt habe, was los ist. Ich habe mein Handy genommen, die Nachrichten gelesen und verstanden, was passiert ist. Ich fing sofort an, meine wichtigen Dokumente in einen Rucksack zu packen. Ich weckte meine Mitbewohnerin in Kyiv auf und hab ihr gesagt: Der Krieg hat angefangen.

[Kirsch:] Olya Popovych, Julia Yamnenko und Oksana Chernova haben den russischen Überfall auf ihr Heimatland, die Ukraine, auf unterschiedliche Art und Weise, an unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Personen erlebt. Vor dem 24. Februar 2022 kannten sich diese drei Frauen untereinander nicht. Ohne den Krieg wären sie sich vielleicht auch nie über den Weg gelaufen. Doch es gibt zwei Dinge, die sie verbindet. Zum einen ihr Beruf, Popovych, Yamnenko und Chernova sind Wissenschaftlerinnen, die an Universitäten in der Ukraine arbeiten. Popovych und Yamnenko sind Ingenieurinnen, Chernova ist Mathematikerin. Und die zweite Gemeinsamkeit: Heute, zehn Monate nach Kriegsbeginn, leben alle drei in München und arbeiten an der Technischen Universität. Sie sind geflohen vor dem russischen Überfall und sie haben einen Platz gefunden, an dem sie ihre akademische Arbeit fortführen können. Wie sind diese drei Wissenschaftlerinnen nach München gekommen? Warum ausgerechnet an die TUM und was machen sie dort? Darum geht es in dieser Sonderfolge von „We Are TUM“.

Der 24. Februar beginnt in München. Wie auch der Rest der Welt wacht die Stadt mit der Nachricht auf, dass der russische Krieg in der Ukraine begonnen hat. Aus Münchner Sicht ist der Krieg nicht lebensbedrohlich und doch ist er präsent und er schockiert. Die Fernsehbilder wirken wie aus einem Film, Panzerkolonnen überqueren die Grenze, russische Fallschirmjäger landen in der Ukraine, in Kyiv explodieren Bomben. Es ist Krieg in Europa, in einer lange nicht dagewesenen Dimension. Thomas Hofmann, der Präsident der TU, hört und liest an diesem Morgen ebenfalls die Nachrichten. Einer seiner ersten Gedanken ist: Können wir als TUM irgendetwas tun?

[Thomas Hofmann:] Ich bespreche mich jeden Morgen mit dem Pressesprecher und wir haben dann gleich das Thema aufgriffen und überlegt, was wir denn selbst tun können. Nämlich nicht nur jetzt dazusitzen und zuzuschauen, sondern was können wir selbst tun im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben.

[Kirsch:] Thomas Hofmann und sein Pressesprecher Ulrich Meyer denken nach. Wer an der TU könnte Kontakte in die Ukraine haben? Und wer könnte eine Idee haben, wie die Universität helfen kann? Ulrich Meyer verschickt nach seiner Besprechung mit Hofmann eine E-Mail. Um 08:14 schreibt er zwei Kollegen: „Lieber Harald, lieber Uli, ich habe gerade mit P die Idee andiskutiert, ob wir ukrainischen Forschenden eine Möglichkeit zur Unterstützung anbieten könnten, falls diese aus ihrer Heimat fliehen müssen. Er kam auf das IAS und das TUM Global Visiting Professor Program als möglichen Rahmen für so etwas. Was denkt ihr darüber?“ Der Mann, den Meyer in dieser E-Mail mit „Uli“ anspricht, ist Ulrich Marsch. Marsch ist Geschäftsführer am Institute for Advanced Study der TUM, kurz IAS. Ulrich Marsch und das IAS haben nämlich Erfahrung darin, Wissenschaftler aus dem Ausland an die TUM zu holen.

[Ulrich Marsch:] Die Aufgabe unseres Institutes ist es, internationale Spitzenforscherinnen und Forscher für einen dreijährigen Gastaufenthalt für die TU zu gewinnen und die Personen sollen dann ein wissenschaftliches Projekt durchführen mit einer unserer Professorinnen oder einem unserer Professoren. Nun habe ich gleich gesagt, wir sollten uns da ein Programm überlegen, wie wir ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufnehmen und in die TU integrieren, auch auf einer längeren Basis, weil der Krieg einfach mit Sicherheit länger dauern wird.

[Kirsch:] Plötzlich geht alles ganz schnell. Marsch schlägt Ulrich Meyer seinen Plan vor.

[Marsch:] Das war meine Idee und er hat gesagt, das nimmt er mit. Hat dann eine Stunde später zurückgerufen und hat gesagt: Ja, Idee gut, bitte ausarbeiten. Bitte kurz aufschreiben, wie kann es aussehen und wie viel Geld bräuchte man dafür. Und das habe ich dann bis zum Mittag fertig gehabt.

[Kirsch:] Nach nur einem halben Tag steht das grundsätzliche Konzept, es sieht folgendermaßen aus: Die TUM wird ukrainische Wissenschaftler aufnehmen, die aus dem Land flüchten. Dazu wird sie ein Stipendienprogramm ins Leben rufen, das über das IAS von Ulrich Marsch läuft. Dieser Plan, diese Hilfsaktion, soll schnell entwickelt und umgesetzt werden. Und er soll Menschen, wie Oksana Chernova, Olya Popovych und Julia Yamnenko, die wir am Anfang schon gehört haben, helfen. Er soll sie aus der Ukraine nach Deutschland an die TUM holen, damit sie in Sicherheit sind und weiter forschen können. Denn Thomas Hofmann, der Präsident der Universität, will sich nicht nur mit einer Stellungnahme begnügen, das entspreche nicht dem Geist der TUM, sagt er.

[Hofmann:] Das ist generell in der DNA auch unserer Universität. Wir versuchen, wenn wir Herausforderungen identifizieren, diese konkret anzugehen mit Maßnahmen. Ob die dann erfolgreich sind, das ist eine ganz andere Frage, das weiß man nie, aber ich sage: Universität ist im Prinzip ein Experimentierraum und wir müssen Dinge ausprobieren. Wenn es funktioniert, ist gut, wenn nicht, dann machen wir es halt anders beim nächsten Mal, aber es ist besser, es dann anders zu machen als es gar nicht zu machen.

[Kirsch:] Zur DNA der Universität gehört auch, dass die Universität neben dem umfangreichen Hilfsprogramm für die Wissenschaftler, das in diesen ersten Kriegstagen geplant wird, auch eine Soforthilfe organisiert. Nämlich, für Studierende aus der Ukraine, die bereits an der TUM sind. Aber Hofmann ist genauso wichtig:

[Hofmann:] Wir haben aber von Anfang an gesagt, wir unterstützen nicht nur die Studierenden aus der Ukraine, sondern auch unsere russischen Studierenden. Wir haben knapp über 500 russische Studierende hier, die mich auch damals kontaktiert haben und eben wirklich eindringlich mir gesagt haben, wie froh sie sind, dass sie hier an der Universität sind. Die auch ganz klar zu mir gesagt haben, sie können sich nicht vorstellen, unter der heutigen Präsidentschaft in Russland in ihr Heimatland zurückzukehren.

[Kirsch:] Während an der TUM das Präsidialbüro und das IAS an dem Hilfsprogramm arbeiten, müssen die Menschen in der Ukraine bereits am ersten Kriegstag aus ihrem Zuhause fliehen. Auch die drei Wissenschaftlerinnen.

[Popovych:] It was long a day for me, very long. It was like, the whole day we were thinking okay, what should we do next? Where should we go? And then in the night when we received again lots of news, so something will be expected in the night, so we decided to move. We just put all of what we saw in that moment, we just put it in our suitcase, found our, the most important documents.

[Deutsches Voiceover:] Es war ein langer Tag. Und den ganzen Tag dachten wir: Was passiert als nächstes? Wo gehen wir hin? Als in der zweiten Nacht wieder schlechte Nachrichten kamen, haben wir entschieden, zu fliehen. Wir packten die Koffer, suchten unsere wichtigsten Dokumente und Pässe.

[Kirsch:] Ein Dokument ist für Olya Popovych besonders wichtig.

[Popovych:] I still remember, I put my diploma for my PhD. I was thinking it was the most important document that I have till this moment, and I should take it.

[Deutsches Voiceover:] Ich habe mein Promotionszeugnis eingepackt, weil ich dachte, es wäre das wichtigste Dokument, das ich habe.

[Kirsch:] Oksana Chernova und ihre Mitbewohnerin verlassen ihre Wohnung in Kyiv noch am 24. Februar. Sie nehmen die Metro, um zum Bahnhof zu kommen, von dort aus wollen sie in den Westen der Ukraine fahren.

[Chernova:] So the streets were empty. Only when we arrived closer to underground stations we saw people who were living there in fact, because underground station is the safest place to be. And some people were there with children, with animals. Someone who has already has a place to live. I was surprised that it was quite easy to take a metro to get to the railway station and also, the government organized lots of additional trains to the west and even without ticket you can go in.

[Deutsches Voiceover:] Die Straßen waren leer. Erst als wir zur U-Bahn kamen, haben wir andere Leute gesehen. Weil die U-Bahn-Stationen die sichersten Orte sind. Da waren Menschen mit Kindern, mit Tieren. Einige hatten schon Schlafplätze eingerichtet. Ich war überrascht, wie einfach wir zum Hauptbahnhof gekommen sind. Die Regierung hatte viele Züge organisiert, um Leute nach Westen zu fahren. Sogar ohne Ticket.

[Kirsch:] Julia Yamnenko ist in den ersten Kriegstagen immer noch in Czernowitz, im Westen der Ukraine, wo sie auf Dienstreise war, als der Krieg begann. Am 26. Februar, zwei Tage nach Kriegsbeginn, telefoniert sie mit ihrem Ehemann. Der ist immer noch in Kyiv, dort wo Yamnenko eigentlich auch arbeitet und lebt.

[Yamnenko:] So two days after this, on 26th of February my husband said that you should go abroad. We should know that you are in safe place. So, in this situation, me, my father, my son and my sister with her two children, we just crossed the border to Romania, just by walking. It was a huge crowd on the border, I remember a huge crowd of Indian students, who were evacuated by the Indian government I think. And also a lot of Ukrainian people of course because, yeah, it was a dangerous situation, but Romania accepted us very welcome.

[Deutsches Voiceover:] Zwei Tage nach Kriegsbeginn sagte mein Mann: Du solltest ins Ausland gehen, in Sicherheit. Ich bin mit meinem Vater, meinem Sohn, meiner Schwester und deren Kindern über die Grenze nach Rumänien gegangen. An der Grenze waren sehr viele Leute. Ich erinnere mich an eine Gruppe indischer Studenten, die von ihrer Regierung evakuiert wurden.

[Kirsch:] Als sie die Ukraine verlassen muss, als sie zu Fuß über die Grenze geht, hinter ihr die Heimat und vor ihr eine ungeahnte Situation. Da weint sie.

[Yamnenko:] Honestly, I was crying. Because I thought of my husband and I realized I don't know when I will see him again. Yeah, it was difficult, it was difficult to leave him, to leave my country and from the other side I don't know where to go and how to help these people who are with me and who I am responsible for.

[Deutsches Voiceover:] Ganz ehrlich: Ich habe geweint. Weil ich nicht wusste, wann ich meinen Mann wiedersehen würde. Es war schwer, ihn und meine Heimat zurückzulassen. Auf der anderen Seite wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte und wie ich denen, für die ich verantwortlich bin, helfen sollte.

[Kirsch:] Die drei Wissenschaftlerinnen erzählen, dass in diesen Tagen alles gleichzeitig passiert. Der Kriegsausbruch, die Flucht, aber auch die Suche nach einer neuen Arbeit. Denn als Wissenschaftlerinnen sind sie die Hoffnung für ihre Familien, auch im Ausland Geld zu verdienen. Olya Popovych und ihre Familie entscheiden schnell, sie wollen in ein anderes Land fliehen, wo es für die beiden kleinen Kinder sicherer ist. Polen oder Deutschland stehen zur Auswahl.

[Popovych:] Everything was happening at exactly the same time. First I was just trying to find a place to stay for the night, second okay let‘s find a job. Like I was not thinking only about me, because I was also thinking about my brother and my husband who were going with me.

[Deutsches Voiceover:] Alles ist gleichzeitig passiert. Erst suchst du nach einem Schlafplatz. Dann denkst du daran, einen Job zu finden. Ich dachte nicht an mich, sondern an meinen Bruder und meinen Mann.

[Kirsch:] Auf der Flucht sucht Olya Popovych immer wieder im Internet nach Hilfsprogrammen für Wissenschaftler und möglichen Jobs im Ausland.

[Popovych:] I just found the advertisement, it was just a small, I think it was on the web page written that we have solidarity to Ukraine. And there was only the contact of Dr. Marsch, to whom I just sent a direct message, „Hello, my name is Olya Popovych, I‘m from Ukraine“.

[Deutsches Voiceover:] Ich habe die Anzeige gesehen. Es war nur eine kleine Nachricht auf der Website, wo stand: „Solidarität mit der Ukraine.” Also habe ich Dr. Marsch eine direkte Nachricht geschrieben.

[Kirsch:] Dieser Hinweis auf der Website der TUM ist der erste frühe Hinweis auf die Hilfsaktion. Es ist das Stipendienprogramm, über das Präsident Thomas Hofmann, Ulrich Marsch und die TUM schon am 24. Februar gesprochen haben. Noch ist das Programm aber nicht fertig ausgereift. Bevor die ukrainischen Wissenschaftlerinnen tatsächlich nach München kommen können, müssen Hofmann und Marsch nämlich noch ein großes Problem lösen: Woher kommt das Geld für die Stipendien?

[Hofmann:] Ja, die TU ist natürlich auf externe Mittel angewiesen, weil wir aus dem Haushalt ein Stipendium gar nicht vergeben dürfen. Es ist haushälterisch nicht möglich, wir können solche Stipendien nur dann vergeben, wenn wir externe Mittel akquirieren.

[Kirsch:] Jetzt könnte man sich fragen: Externe Mittel? Warum das denn? Wäre es nicht viel einfacher für die TU, die Leute einfach als Wissenschaftler anzustellen?

[Marsch:] Weil ein Stipendium kann man aus Spendenmitteln schnell vergeben. Jemanden in eine akademische Angestelltenposition zu bringen, heißt, eine Stelle auszuschreiben, Personalrat integrieren, das dauert Wochen. Und das kann man in einem Kriegsfall einfach nicht abwarten. Da muss man rasch handeln.

[Kirsch:] Das sagt Ulrich Marsch – die TU entscheidet sich für die schnelle Variante. Also Stipendien statt Festanstellungen. Aus eigenen Mitteln dürfen diese Stipendien aber eben nicht bezahlt werden. Thomas Hofmann muss also jetzt eine große Summe Geld auftreiben. Die Rechnung lautet: 3.000 Euro pro Monat pro Person. Bei zehn Personen und einem halben Jahr Laufzeit, das macht mindestens 180.000 Euro im Voraus. Thomas Hofmann macht sich also auf die Suche nach Spendern.

[Susanne Porsche:] Grüß Gott, ich bin die Susanne Porsche und bin der TUM von Herzen verbunden, weil es so eine wahnsinnig gute und interessante und wegweisende Institution ist. Unsere Universität ist einfach wunderbar.

[Kirsch:] Das ist Susanne Porsche, sie ist Filmproduzentin und Investorin. Sie ist eine der Personen, die Thomas Hofmann damals anruft und um Hilfe bittet.

[Porsche:] Na, der Thomas hat gesagt: „Hallo Susanne, hier ist der Thomas, wir müssen was tun, was können wir tun? Meinst du, wir können die Finanzierung stemmen und wie findest du das, wenn wir als Partner-Uni die Familien aufnehmen?“ Wir wollten ja auch, dass sie ihre Kinder mitbringen können, den Mann können sie ja nur mitbringen, wenn sie drei Kinder haben. Und dann fand ich die Idee sofort sensationell und bin sofort eingestiegen und hab dann auch gleich herumtelefoniert, wer hilft. Und ich bin auf große Gegenliebe gekommen, auch mein Sohn hat geholfen. Also es ist unglaublich, wie die Menschen dann doch hilfsbereit waren.

[Kirsch:] Die Idee, ukrainische Wissenschaftler an die TUM zu holen, findet Unterstützer. Susanne Porsche sucht in ihrem Umfeld nach weiteren Spenderinnen und Spendern. Und auch Thomas Hofmann, der TUM-Präsident, macht weitere Anrufe und trifft mögliche Stifter.

[Hofmann:] Und es ist immer wieder das Gleiche, man kann Persönlichkeiten nur zum Stiften überzeugen, wenn die richtige Idee an die richtige Person kommt. Dieses Matchen von Themen und Personen ist erfolgsentscheidend, denn man kann das Geld ja für verschiedene Zwecke nutzen. Wir müssen erreichen, dass es bei uns gut angelegt ist, für eine gute Sache. Und vor allen Dingen für eine Maßnahme, die ohne die Unterstützung gar nicht möglich wäre.

[Kirsch:] Die Idee mit dem Stipendium ist konkret, der Anlass ist dringend und die Hilfsbereitschaft groß. Wahrscheinlich geht auch deswegen alles sehr, sehr schnell.

[Hofmann:] Und so hatten wir in relativ kurzer Zeit, ich glaube, das waren keine zehn Tage, die 250.000 Euro zusammen, die wir gebraucht haben, um zehn Stipendiatinnen, Stipendiaten zu unterstützen.

[Kirsch:] Es ist eine ganze Menge Geld, die Hofmann, Porsche und Co. auftreiben. Aber auch an möglichen Bewerbern herrscht kein Mangel. Denn schon bevor das Stipendium offiziell auf der Website beworben wird, melden sich bei Ulrich Marsch vom IAS schon Menschen auf eigene Faust.

[Marsch:] Und währenddessen lief aber schon meine E-Mail-Box voll. Von vielen Menschen aus der Ukraine, Akademikern, die nachgefragt haben nach Möglichkeiten, hier unterzukommen. Sei es als Gast, sei es mit einer Stelle, sei es als Student oder um eine Doktorarbeit fertig zu machen. Also alle Stufen in einem akademischen Leben, die man sich vorstellen kann.

[Kirsch:] Als Oksana Chernova das erste Mal von dem TUM-Hilfsprogramm hört, ist sie noch im Westen der Ukraine. Ein Kollege weißt sie per Mail darauf hin und Chernova reagiert sofort.

[Chernova:] The first time I hear about this program I was in this region and I remember I got this e-mail and I was sitting with my friends and just after I read this message I was like, okay let's prepare a CV and what is needed and my friend helped me with checking my CV and I sent it immediately.

[Deutsches Voiceover:] Als ich das erste Mal vom Programm gehört habe, war ich schon in der Region Zakarpattia. Ich habe eine E-Mail bekommen und saß gerade mit meinen Freunden zusammen. Als ich die Mail gelesen hatte, habe ich gleich einen Lebenslauf vorbereitet und verschickt.

[Kirsch:] Für Julia Yamnenko ist nicht zuerst die TUM das Ziel, sondern Deutschland. Hier hat sie eine Freundin, eine Professorin, die schon 2014 nach der Besetzung der Region Donezk nach Bayreuth gegangen ist. „Komm nach Bayern, ich helfe dir“, sagt sie zu Yamnenko. Julia Yamnenko und ihre Familie reisen deswegen von Rumänien nach Ungarn, von Budapest aus dann weiter mit dem Zug nach München.

[Yamnenko:] And then in Budapest we just take a train to Munich because for that moment I already find what to do. I just started to search for the information about universities, about possibilities for Ukrainian researchers, for Ukrainian professors and so on.

[Deutsches Voiceover:] In Budapest haben wir einen Zug nach München genommen. Ich habe angefangen, nach Informationen von Universitäten zu suchen, nach Möglichkeiten für ukrainische Wissenschaftler und Professoren.

[Kirsch:] In dieser Zeit kümmert sich Ulrich Marsch vom IAS eigentlich um nichts anderes mehr als um die Organisation der Stipendien.

[Marsch:] Vier Wochen nichts anderes, also ausschließlich dieses Thema.

[Kirsch:] Von morgens bis abends?

[Marsch:] Von morgens bis abends.

[Kirsch:] Wie kann man sich das vorstellen, die ganze Zeit am Telefon sitzen, etliche Mails schreiben?

[Marsch:] Ja, Telefon und Mails, ja. Und dann, Dinge auch an die Kolleginnen hier im Haus weiter delegieren, damit andere Sachen weiterlaufen oder auch Anfragen geklärt werden, E-Mails beantwortet werden.

[Kirsch:] Es laufen immer mehr Bewerbungen bei ihm ein. Die geflüchteten Ukrainer machen sich untereinander auf Hilfsaktionen wie die der TUM aufmerksam. Bestimmt 400 Bewerbungen seien bei ihm eingegangen, sagt Ulrich Marsch. Ein wichtiger Baustein, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer an der TUM arbeiten können, sind die sogenannten Hausprofessoren. Denn die IAS-Fellows sind während ihrem Aufenthalt an der TUM an einen Lehrstuhl angedockt. Sie müssen also an die richtige Stelle kommen.

[Marsch:] Jeder Stipendiat, jede Stipendiatin sollte einen aufnehmenden TU-Professor, Professorin als Gast haben, das heißt, die sitzen nicht alleine isoliert irgendwo in einem Gebäude, sondern sind tief integriert in einen Lehrstuhl. Um sich von dort aus an eine Position zu erarbeiten, zu veröffentlichen, vielleicht eine Anschlussfinanzierung zu erarbeiten und in ihrem gewohnten Fach weiterarbeiten zu können. Und deswegen die enge Verbindung zu einer bestehenden Professur an der TU und dortige Aufnahme am Lehrstuhl, mit Schreibtisch und Laborzugang.

[Kirsch:] Dieses Match von Host-Professor und Wissenschaftler muss Ulrich Marsch also erst einmal organisieren. Er muss die passenden Professoren suchen und er muss die passenden Fellows aus der Vielzahl der Bewerbungen auswählen. Dafür braucht er Kriterien, an denen er sich orientiert.

[Marsch:] Es müssen Forscher-Persönlichkeiten sein, die zum Profil der TUM passen. Naturwissenschaftler, Ingenieure, Mediziner – auch Leute aus den Bereichen Soziologie, Politik, Bildungswissenschaft. Also es waren bestimmt 10-20 Möglichkeiten für ein Fellowship, aber der Filter, den ich angelegt habe, war zum Beispiel: Ist es jemand, der gerade die Promotion fertig hat? Oder ist es jemand, der schon eine akademische Leitungsposition innehatte? Und dafür sind wir da, wir als IAS sind nicht eine Einrichtung zur Post-Doktoranden-Förderung, sondern zur Förderung von Persönlichkeiten, die schon eine höhere akademische Position einnehmen, Professoren, Abteilungsleiter.

[Kirsch:] Die Host-Professoren nehmen zum Teil direkt Kontakt mit den Bewerberinnen auf oder werden von ihnen angefragt. Constantinos Antoniou, Professor für vernetzte Verkehrssysteme an der TUM, arbeitet gemeinsam mit Julia Yamnenko ihre Bewerbung für das Fellowship aus.

[Yamnenko:] Actually, my friends suggested me because, it's a long story, so my friend knows your friend and this friend knows this professor so step by step we discovered that there is some professor that is working in some similar topic like me, so it would be something similar, and so I addressed him and asked him for support and he agreed with great pleasure very quickly so, we just prepared this application together on a joint topic that is connected with traffic, intelligent control of traffic, of road traffic.

[Deutsches Voiceover:] Das ist eine lange Geschichte. Eine Freundin kennt jemanden, der einen Professor kannte. Nach und nach fanden wir heraus, dass es einen Professor gibt, der in meinem Bereich arbeitet. Also habe ich ihn nach Hilfe gefragt und er hat freundlicherweise sehr schnell zugesagt. Also haben wir gemeinsam eine Bewerbung verfasst zum Thema Verkehr.

[Kirsch:] Nach und nach finden sich die Paare. Ukrainische Wissenschaftlerinnen hier, TUM-Gegenstück da. Ulrich Marsch muss das Puzzle dann zusammensetzen, während die ukrainischen Wissenschaftlerinnen die nötigen Papiere noch während ihrer Flucht zuschicken.

[Marsch:] Dass die also im Auto oder im Zug E-Mails geschrieben haben an diverse Einrichtungen. Dann Papiere hinterhergeschickt haben, Lebenslauf, Diplom-Zeugnis.

[Kirsch:] Aber nicht nur Diplom und Lebenslauf werden geprüft, weil die Wissenschaftlerinnen an der TU ja auch ihre Forschung weiterführen sollen, verlangt Marsch einen konkreten Plan.

[Marsch:] Ich habe von allen aber auch ein kurzes Programm erbeten, woran sie bei uns arbeiten möchten. Alle haben einen Projektvorschlag geschickt. Jede einzelne, von jedem ein Projektvorschlag. Und das habe ich nochmal von zwei anderen Professoren, nicht vom Host, gegenlesen lassen. Ist das vernünftig, hat das Hand und Fuß? Entspricht das unserem Standard? Und die Antwort war ohne Ausnahme: Ja.

[Kirsch:] Bereits Anfang März, also nur eine gute Woche nach dem Beginn der russischen Invasion, kann Marsch die Entscheidungen treffen. Es fällt ihm schwer. Er muss viel mehr Leuten absagen, als er zusagen kann. Fast 20 Kandidatinnen und Kandidaten hätte er pro Stipendienplatz. Zehn werden schlussendlich ausgewählt.

[Popovych:] But in that moment it was like, for me, I didn‘t believe that I would get some place and after he sent me real confirmation that I am already a fellow in TUM it was still for me something unbelievable because I was going here and, think no, did something, I didn‘t understand something properly, it cannot be possible, so something should be wrong or, I was expecting something bad, not something good.

[Deutsches Voiceover:] Ich konnte es gar nicht glauben, dass ich einen Platz bekomme. Nachdem ich die Bestätigung hatte, dass ich das Stipendium bekommen habe, das war unglaublich. Ich dachte: Das ist nicht möglich. Ich habe mit schlechten Nachrichten gerechnet, nicht mit guten.

[Kirsch:] Als Olya Popovych ihre Zusage von der TU bekommt, kann sie es eigentlich fast nicht glauben. Zu schlimm waren die Nachrichten in den letzten Wochen, zu unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ihr an der renommierten TU geholfen werden kann. Sie berät sich mit ihrem Mann, der das Land in den ersten Kriegswochen nicht verlassen darf. Er sagt ihr: „Nimm die Kinder und deinen Vater und fahr nach München.“

[Popovych:] I was going by car, the car was full of packages so I was going with my mother, my father and my kids. It was 1500 km for the kids, it's not so easy to go, so he helped me to come here.

[Deutsches Voiceover:] Ich war mit dem Auto unterwegs. Das Auto war voll, mit meiner Mutter, meinem Vater und den beiden Kindern. 1500 Kilometer, alleine für eine Frau mit Kindern, das ist nicht leicht. Deswegen hat mein Vater mir geholfen.

[Kirsch:] Während Oksana Chernova sich um Hilfsangebote im Ausland bemüht, reist sie bereits aus der Ukraine aus, nach Polen. Sie kommt in Warschau unter. Dort erreicht sie, knapp anderthalb Wochen nach Beginn des Kriegs, die Zusage der TUM.

[Chernova:] It was very fast, maybe less than seven or ten days. Yeah, I got an email and even before this fellowship, my host professor wrote to me, that I can arrive, I can come immediately and he has some funding for a visiting researcher. So yeah, I just came immediately here, in Munich in mid-March, then I got confirmation that my host professor can support me with accommodation and then at the end of March I got confirmation that I have now a TUM support fellowship.

[Deutsches Voiceover:] Es ging alles schnell, innerhalb von knapp 10 Tagen. Schon bevor ich die Zusage hatte, hat mein Host-Professor geschrieben, dass ich sofort kommen kann. Er hatte Budget für einen visiting researcher. Also bin ich Mitte März in München angekommen, als ich die Bestätigung hatte, dass mein Host-Professor mir mit der Unterkunft helfen kann. Und Ende März kam dann die Bestätigung, dass ich ein Stipendium bekomme.

[Kirsch:] Sie macht sich auf den Weg nach München. Die Zugreise beschreibt sie als den längsten Trip, den sie jemals unternommen habe.

[Chernova:] My trip from Warsaw was probably the longest trip I ever had. It took more than 12 hours I guess, because of some train delay and so trains were full of Ukrainian refugees like me. So it was mostly women and children.

[Deutsches Voiceover:] Mein Trip aus Warschau war der längste, den ich je hatte. Es hat über 12 Stunden gedauert, wegen Zugverspätungen. Die Züge waren voll mit ukrainischen Flüchtlingen. Vor allem Frauen und Kinder.

[Kirsch:] Julia Yamnenko ist als einzige der drei Frauen bereits in Deutschland, als sie ihre Zusage erhält. Als sie mit ihren Kindern und ihrem Vater sowie ihrer Schwester und deren Kindern unterwegs ist, gestaltet sich allerdings die Suche nach einer Wohnmöglichkeit als schwierig. Als letzte der zehn Wissenschaftlerinnen, die am Fellowship-Programm teilnehmen, beginnt sie am ersten Mai mit ihrer Arbeit.

[Yamnenko:] And at least I obtained the invitation that I can come and sign the agreement for this fellowship, so I started it in Mai and it continued till first of September. Because the first of September I obtained another formal grant, it’s the Philipp Schwartz Initiative Fellowship.

[Deutsches Voiceover:] Und dann habe ich die Einladung bekommen, dass ich kommen kann. Ich habe im Mai angefangen und mein Vertrag ging bis September. Ab September hatte ich dann ein neues Stipendium, das Philipp-Schwartz-Stipendium.

[Kirsch:] Mehr als neun Monate sind seit der Zusage für die Fellowships vergangen. Olya Popovych, Oksana Chernova und Julia Yamnenko sind zurück im wissenschaftlichen Alltag. Wie sieht dieser Alltag aus? Oksana Chernova ist Mathematikerin.

[Chernova:] Yeah, so I was fortunate to find my host professor Mathias Drton, who works in statistics. We‘re doing regression modeling and non-parametric statistics. So it‘s not far from what I was doing.

[Deutsches Voiceover:] Ich hatte Glück, meinen Host-Professor Mathias Drton zu finden, der auch im Feld der Statistik arbeitet. Wir machen Regressionsmodelle und nichtparametrische Statistik. Also nicht weit weg von dem, was ich in der Ukraine gemacht habe.

[Kirsch:] Nicht nur kann Chernova in ihrem Feld weiterarbeiten, sie ist auch in einem Team gelandet, in dem sie als Forscherin viel lernen kann.

[Chernova:] I was very lucky to join TUM and the department of mathematics because it's well known for its high-quality research groups. And especially my host professor Mathias Drton is kind of a star in our statistical world. So now I have a favorable environment to work.

[Deutsches Voiceover:] Die TUM ist bekannt für die hohe Qualität der Forschung. Und mein Host-Professor Mathias Drton ist fast ein Star in der Statistik-Welt. Für mich ist das ein sehr günstiges Umfeld.

[Kirsch:] Die ukrainischen Wissenschaftlerinnen sind in der Not nach Deutschland geflüchtet, in ihren neuen Forschungsteams an der TUM füllen sie zum Teil Lücken oder lösen Probleme, sagt Ulrich Marsch.

[Marsch:] Ja, soweit ich das sagen kann, war das schon fruchtbar. In einigen Fällen habe ich Aussagen von Professoren, die sagen: „Diese junge Dame ist wirklich das Puzzleteil, das mir in meinem Projekt noch gefehlt hat.“ Sei es in der Erdbeobachtung oder in einem Verkehrstechniksystem-Projekt. Also es gab schon fachliche Ergänzungen: In einem Projekt wurde eine zusätzliche Komponente eingebracht durch die Ukrainerin, die vorher nicht da war. Also das hat schon tatsächlich sehr gut, auch fachlich, funktioniert. Und da war es doch hilfreich, dass wir uns vorher angeschaut haben, ob eine bestimmte Anzahl an internationalen Veröffentlichungen da ist, eine gewisse Erfahrung in dem Fach. Denn sonst hätte das nicht funktioniert.

[Kirsch:] Auch Olya Popovych hat schnell ihren Platz an ihrem neuen Lehrstuhl gefunden. Als wir mit ihr sprechen, kommt sie gerade von einer Forschungsreise aus Ägypten zurück.

[Popovych:] Last week I came back from Egypt, where we were making the project, and we tried to scan the pyramids and to find some interesting things there. So we were making measurements on the field trip, during the whole week. For me it was a whole week but my team stayed there for one more week. And it was for me very exciting because it was the first time that I was inside the pyramid. And I was researching all the chambers, all the tunnels and the parts where usually visitors are not allowed to go, so I was using my non-destructive testing technique and I was using it exactly on the cultural heritage project, so it was very fascinating.

[Deutsches Voiceover:] Letzte Woche bin ich aus Ägypten zurückgekommen von einem Forschungsprojekt. Wir scannen die Pyramiden und finden interessante Dinge dort. Wir haben Messungen gemacht, eine ganze Woche lang. Für mich war das sehr aufregend, weil ich zum ersten Mal in der Pyramide war und alle Tunnel und Räume untersuchen konnte, wo Besucher nicht hindürfen.

[Kirsch:] Im Gegensatz zu ihren beiden etwas jüngeren Kolleginnen war Julia Yamnenko in der Ukraine auf ihrem akademischen Weg schon weit fortgeschritten. Als Head of Department hatte sie Verantwortung für Studierende und für Forschende. Sie reiste auf Konferenzen, hielt Vorträge, betreute Abschlussarbeiten. Für ihre neue Rolle an der TU muss sie sich umstellen.

[Yamnenko:] I love to learn something new so for me it's a challenge but I hope I will overcome it. So the language barrier of course, also there are other circumstances like new demands, different demands for the teachers and different techniques maybe for teachers. But it's interesting just to discover for myself something new and try to improve myself, yeah, maybe to change myself in some issues, it could be interesting. Why not?

[Deutsches Voiceover:] Ich liebe es, Neues zu lernen. Es ist eine Herausforderung, aber ich hoffe, ich schaffe es. Die Sprache ist natürlich eine Hürde. Aber es gibt hier auch andere Anforderungen an Professoren und andere Techniken. Aber es ist interessant, weil ich mich verbessern kann. Wieso nicht?

[Kirsch:] Die Fellowships, die am 24. Februar, am Tag des Kriegsbeginns, im Büro des TU-Präsidenten Thomas Hofmann als Idee entstanden sind, waren ursprünglich auf sechs Monate ausgelegt. Mittlerweile sind die Wissenschaftlerinnen schon deutlich länger hier. Wie geht es für sie weiter?
Sechs Monate, so lange waren die Fellowships ausgelegt. Darüber hinaus sollten die Wissenschaftlerinnen selber Forschungsgelder auftreiben. Bei der größten Förderorganisation für Forschung in Deutschland, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, können zum Beispiel für Geflüchtete Zusatzanträge gestellt werden, damit sie in laufende Projekte eingebunden werden können. Einige der Wissenschaftlerinnen wie Oksana Chernova sind gerade dabei, sich auf Stipendien und Forschungsprojekte zu bewerben. Um sie dabei zu unterstützen, wurde ihr Fellowship an der TUM vorerst verlängert.

[Chernova:] So, the first fellowship was for six months and then in September they extended for six more months and during this time I can apply for some grants at a research program. And yeah, it's what we are doing now.

[Deutsches Voiceover:] Das erste Stipendium ging sechs Monate, im September wurde es dann verlängert für weitere sechs Monate. In der Zeit kann ich mich für Forschungsprojekte bewerben, das mache ich jetzt.

[Kirsch:] Mittlerweile hat die TU-Spitze aber schon entschieden, wir unterstützen weiter und finden finanzielle Mittel, falls jemand nicht sofort ein Folgeprojekt findet.

[Hofmann:] Viele sind ja in Folgeprojekten an den Lehrstühlen angegliedert. Das ist wunderbar und einige wenige, für die haben wir weitere Mittel gefunden, sodass ein längerer Aufenthalt möglich ist. Die Idee war ja immer, nicht nach sechs Monaten die Türe zu schließen, sondern auch langfristig, selbst wenn die Ukraine-Krise mal überwunden ist, der Krieg überwunden ist und die Menschen wieder zurück gehen in ihr Heimatland, dann trotzdem Netzwerke in Bestand zu halten.

[Kirsch:] Julia Yamnenko hat bereits ein Folgeprojekt gefunden, finanziert mit Geldern der Deutschen Forschungsgesellschaft, und sie kann sich dabei sogar einem Teil ihrer Arbeit widmen, der sie besonders begeistert: Der Förderung von jungen Forschern.

[Yamnenko:] Actually I started to work already with one student here, this is a student of TUM and due to the grant program of the university I am able to hire this student, so we are working together already. He is a Master's student and he is very talented, I have a huge plan for him and for our joint work. Also I plan to start working with another student in November maybe. Now the documents are preparing, so I have really a huge plan.

[Deutsches Voiceover:] Ich habe bereits angefangen, mit einem Studenten zu arbeiten. Ich konnte ihn für meine Forschung anstellen. Er ist ein Masterstudent und sehr talentiert. Ich habe große Pläne für unsere gemeinsame Arbeit. Und ich hoffe, im November noch einen Studenten einstellen zu können.

[Kirsch:] Doch trotz aller großen Pläne, was Yamnenko in den letzten Monaten erlebt hat: Kriegsbeginn, Flucht, Neuanfang sind schwer zu vergessen. Ihr Mann ist immer noch in der Ukraine. Eine langfristige Planung will sie deswegen nicht machen.

[Yamnenko:] For me it‘s very hard to say for the moment so I prefer, you know, just to construct a plan for a week, for a couple weeks, maybe for a month, till the end of this year, calendar year I mean, but for the moment please don‘t ask me about it because I have no answer.

[Deutsches Voiceover:] Es ist schwer zu sagen im Moment. Ich plane lieber eine Woche voraus, vielleicht einen Monat oder bis zum Jahresende. Aber nicht weiter. Fragen Sie mich nicht nach der Zukunft, ich kann nicht antworten.

[Kirsch:] Ihre Kollegin Olya Popovych hingegen plant schon länger voraus in die Zukunft. Auch sie hat Forschungsgelder für ein Projekt aufgetrieben und hat deswegen einen Anschlussvertrag an ihrem neuen Lehrstuhl bekommen. Mit ihrem Team versteht sie sich gut, die Arbeit macht ihr Spaß, vor allem hat sie das Gefühl: Hier trage ich etwas bei und, wenn alles gut läuft, für eine längere Zeit.

[Popovych:] Yes, I decided to stay here, actually I hope that after this project will end I will continue my work here in Germany. At the moment the war is not ended and I think I met a lot of hurdles to come here, to settle down and maybe there is a chance for me to stay in Germany and to work like a person which will be contributing to the Ukrainian side like possibilities of the coordination between Ukraine and Germany. Actually that is my task for the future, we decided to do it with my host professor. That will create a lot of proposals which will be supporting the cooperation between Ukraine and Germany.

[Deutsches Voiceover:] Ich habe entschieden hier zu bleiben. Ich hoffe, dass ich auch nach dem jetzigen Projekt in Deutschland arbeiten kann. Es war anstrengend hierherzukommen und es war anstrengend, hier anzukommen. Vielleicht gibt es eine Chance, hier zu bleiben und trotzdem die ukrainische Wissenschaft zu bereichern, vielleicht zwischen Deutschland und der Ukraine zu vermitteln. Ich sehe das als meine Aufgabe. Mit meinem Host-Professor habe ich beschlossen, Forschungsprojekte in diese Richtung der Zusammenarbeit vorzuschlagen.

[Kirsch:] Diesen Nebeneffekt der Fellowships will die TUM unbedingt weiter fördern. Die Beziehungen zwischen ukrainischen Wissenschaftlerinnen und der Universität sollen auf keinen Fall verloren gehen. Präsident Thomas Hofmann denkt nicht, dass der Wissenschaft in der Ukraine deswegen Kräfte fehlen könnten.

[Hofmann:] Naja, ich sehe das nicht als Brain drain. Wissenschaft funktioniert so, Wissenschaft funktioniert, indem man offen miteinander umgeht, transparent, indem man Wissen teilt. Und durch das Teilen des Wissens entsteht mehr Wissen und nicht weniger und das ist glaube ich der Vorteil. Und deswegen, so funktioniert ja auch das TUM Institute for Advanced Study, genau deshalb waren inzwischen Hunderte von Fellows hier an der TU. Hier haben die gelernt, gehen zurück in ihre Universitäten und bringen natürlich auch viel mit und dadurch entsteht ein globales Netzwerk, dass sich immer wieder, zu bestimmten Gelegenheiten trifft, gemeinsam Projekte akquiriert oder zum Beispiel auch Nachwuchs schickt. Also, das ist ein Win-win für alle Seiten.

[Kirsch:] Auch Oksana Chernova würde gerne in Deutschland bleiben, idealerweise an der TUM. Sie sieht der Zukunft, den Umständen entsprechend, optimistisch entgegen.

[Chernova:] I feel optimistic about the future, mainly because I have this feeling that I belong here. So I have friends, mainly Ukrainian friends, also colleagues who support me since I'm living in Garching. I found some friends there as well and this together contributes to my optimistic feeling and I don't think that I am alone. I feel the support.

[Deutsches Voiceover:] Ich sehe der Zukunft optimistisch entgegen, weil ich das Gefühl habe, hierhin zu gehören. Ich habe Freunde und Kollegen hier, die mich unterstützen, und habe in Garching Freunde gefunden. Das hilft. Ich bin nicht alleine, ich fühle mich unterstützt.

[Kirsch:] Sie geht sogar noch einen Schritt weiter.

[Chernova:] For me it feels like a new beginning of life. I think of it like my new life began in March 2022 in München, yeah.

[Deutsches Voiceover:] Es fühlt sich für mich an wie ein neuer Lebensbeginn. Ja, ich denke, mein neues Leben hat im März 2022 angefangen. In München, ja.

[Kirsch:] Das war „We Are TUM“, der Podcast von und für die Technische Universität München. Dieser Podcast wurde produziert von Fabian Dilger, Clarissa Ruge, der ProLehre Medienproduktion und von mir, Matthias Kirsch. Das Sounddesign und die Postproduktion gestaltet Marco Meister von Edition Meister aus Berlin. Besonderer Dank gilt Olya Popovych, Oksana Chernova und Julia Yamnenko, Ulrich Marsch, Susanne Porsche und Thomas Hofmann. Bis zum nächsten Mal. Kommen Sie mit uns und entdecken Sie die großen und die kleinen Geheimnisse der TU München.

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