Podcast „We are TUM“ – Transkript zur siebten Folge

„Ich fühle so viel Schmerz. Ich bin sehr traurig, dass sowas möglich ist. Ich glaube, der Tag ist bis jetzt der schlimmste meines Lebens. Und ich bin mir sicher, dass ich ihn jahrelang nicht vergessen kann.”

[Moderator Matthias Kirsch:] Rund 300 junge Menschen aus der Ukraine studieren an der TU München. 300 Menschen, die in diesen Tagen Schreckliches durchmachen: Sie bangen um Freunde und Familie, leben mit den Bildern der Zerstörung ihrer Heimatstädte. Manche leiden auch darunter, ihrem Heimatland aus der Ferne nicht helfen zu können. Vier ukrainische Studierende erzählen in dieser Folge von „We are TUM“, wie sie die russische Invasion aus der Ferne erlebt haben, wie sie mit ihren Ängsten umgehen – und welche Erinnerungen an ihre Heimat ihnen heute Kraft geben.

Herzlich Willkommen zu „We are TUM“ – dem Podcast von und für die Technische Universität München. Mein Name ist Matthias Kirsch und ich begleite Sie durch diesen Podcast. Wie immer stellt Ihnen ganz zu Beginn der Folge der Präsident der Universität, Thomas Hofmann, die restlichen Themen der heutigen Episode vor.

[Präsident Thomas F. Hofmann:]

Liebe Zuhörende,

vor wenigen Monaten schien die Ukraine noch weit von München entfernt zu sein. Doch mit der russischen Invasion hat sich dies praktisch schlagartig verändert.

Geographisch war Kyiv uns schon immer näher als Athen, Lissabon oder Madrid, die Distanz bestand wahrscheinlich in unseren Köpfen. Der Krieg im Zentrum Europas trifft uns alle und auch die Studierenden. Viele von ihnen sind vom Krieg direkt betroffen, deshalb haben wir verschiedene Hilfsprogramme aufgelegt, um diese Studierenden zu unterstützen. Mit einem Integrationsprogramm verleihen wir den Studierenden, die sich in der Ukraine bis vor Kurzem im Studium befanden oder nach der Schule gerade studieren wollten, einen Gasthörerstatus an der TU. Damit ermöglichen wir ihnen einen unbürokratischen Einstieg in die Lehre der TU. Andererseits unterstützen wir Studierende der TUM, die aufgrund des Kriegs in eine finanzielle Notlage geraten sind, mit einer finanziellen Direkthilfe. Jeder von uns, auch Sie, liebe Zuhörende, können mit einer Spende helfen. Wir freuen uns über jede Spende unter dem Betreff „Solidarity“ an das Konto der TUM Universitätsstiftung. Jeder Betrag ist willkommen und hilft.

In der heutigen Podcast-Folge teilen ukrainische Studierende ihre persönlichen Erlebnisse mit uns. Wir hören aber auch von einem Forscher, der sich mit der Energiesituation auseinandersetzt: Sebastian Goerg. Er ist Professor für Economics am TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit. Er erzählt, wie man mit den drastischen Preissteigerungen umgehen sollte und was Appelle zum Energiesparen wirklich nützen.

Unser Hidden Champion dieser Folge ist Anja Schmidt. Sie leitet das Archiv des Architekturmuseums der TUM und ist damit die Herrin über ein logistisches Megaprojekt. An der TUM gibt es nämlich die größte Sammlung von Bauplänen in Deutschland und diese werden nun digitalisiert. Anja Schmidt erzählt uns, wie dieser Prozess vor Ort wirklich aussieht.

Zum Abschluss der Folge folgt dann die Rubrik „Fünf Tipps“. Wir hören heute von der Arbeitspsychologin Andrea Hufnagel von der Ludwig-Maximilians-Universität. Sie gibt Hinweise, wie wir dafür sorgen können, dass unsere tägliche Arbeit, gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen, nicht auf unsere mentale Gesundheit schlägt.

Aber jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Zuhören von „We are TUM“!

Spitzenforschung

[Moderator Matthias Kirsch:] Der Winter ist gerade erst vorbei, schon müssen wir wieder auf die nächste kalte Jahreszeit schauen. Denn der Ukraine-Krieg hat das Thema Energie zum derzeit wichtigsten Thema der deutschen Politik gemacht. Öl und Gas aus Russland füllen unsere Autotanks, betreiben unsere Heizungen, halten unsere Fabriken am Laufen. Die Politik will diese Abhängigkeit langfristig lösen, doch wie nimmt man die Gesellschaft bei einem solchen Umbruch mit? Mein Kollege Fabian Dilger hat darüber mit Professor Sebastian Goerg gesprochen. Er ist Ökonom am Straubinger TU Campus für Biotechnologie und Nachhaltigkeit.

[Fabian Dilger:] Herr Goerg, guten Tag, schöne Grüße nach Straubing.

[Sebastian Goerg:] Ja, herzlichen Dank. Ich freue mich sehr auf das Gespräch heute.

[Dilger:] Herr Goerg, zu dem Zeitpunkt, zu dem wir miteinander sprechen, beziehen wir noch Gas und Öl aus Russland. Ein Energieembargo steht aber im Raum, es wird diskutiert und auch ein Lieferstopp aus Russland ist im Bereich des Möglichen. Wie würde sich denn ein solches Embargo zum Beispiel auf die deutsche Wirtschaft auswirken?

[Goerg:] Vorweg: Wir sind mit dem Krieg ärmer geworden. Also, wir Deutsche sind, genauso wie der Rest der Welt, ärmer geworden, einfach dadurch, dass wir jetzt höhere Energiepreise aktuell zahlen müssen. Wir würden auch höhere Kosten haben durch ein Energieembargo, das ist auf jeden Fall klar. Schätzungen, die es aktuell gibt, von unterschiedlichen Quellen, sagen, ja, das würde unser Bruttoinlandsprodukt um zwei bis drei Prozent reduzieren. Das ist in Dimensionen ähnlich zu dem, was wir durch Corona erlebt haben. Bei der Diskussion über ein Energieembargo ist häufig die Sorge, dass wir unsere Industrie damit extrem stark treffen werden, was auch sicherlich der Fall ist. Aber wenn man das in Relation setzt zu den ganzen Industriezweigen, die wir quasi während Corona in den Lockdown geschickt haben, sind das ähnliche Dimensionen. Das heißt, von den rein ökonomischen Kosten ist das ungefähr die Dimension, in der wir uns bewegen, wenn wir uns entscheiden würden, oder auf der anderen Seite, wenn Russland sich entscheiden würde, die Gasexporte einzustellen.

[Dilger:] Der Ukraine-Krieg zeigt uns, wie abhängig wir von fossilen Energieträgern sind. Aber die Frage ist ja, wirkt dieser Krieg nicht lediglich wie ein Brennglas und macht uns diese Abhängigkeit lediglich schneller und wirksamer bewusst?

[Goerg:] Es zeigt halt auf dramatische Art und Weise, wie wir nach wie vor, in der Art und Weise, wie wir leben, also Wärme, Strom zu Hause, aber auch unsere komplette Industrie, nach wir vor abhängig sind von fossilen Ressourcen und insbesondere in dem Fall jetzt von Öl und Gas aus Russland. Ungefähr vierzig Prozent unseres Erdgases kommt aus Russland und das ist natürlich eine Riesensumme. Um das in Relation zu setzen: um einfach wegzukommen vom russischen Erdgas, müssten wir wahrscheinlich unseren Gaskonsum in Deutschland um 25 Prozent reduzieren. Also, das sind große Summen, über die wir da reden.

[Dilger:] Die Energiepreise, die sind aufgrund des Krieges nach oben geschossen. Und höhere Gaspreise, das ist gar nicht so anders als eine CO2-Bepreisung, zu der Sie gerade forschen. Stellen wir doch die Hypothese auf, wir als deutsche Gesellschaft einigen uns darauf, keine fossilen Energieträger mehr aus Russland zu beziehen. Wie kann bei so einem großen Umbruch die gesamte Gesellschaft mitgenommen werden?

[Goerg:] Was wir uns aktuell anschauen, ist, inwieweit die notwendigen, schärferen klimapolitischen Maßnahmen, auch für EU- und deutschlandweite, inwieweit das von der Bevölkerung unterstützt wird. Also, wenn wir das Paris-Ziel von 1,5 bis 2 Grad erreichen wollen, dann müssen unsere klimapolitischen Maßnahmen strenger werden. Und was wir da sehen können ist, dass im Prinzip die Ziele, also sprich die Reduktion von Treibhausgasemissionen und auch eine strengere Reduktion, dass dies eher unterstützt wird von der Bevölkerung. Also wir reden jetzt hier wirklich von einer repräsentativen Umfrage in Deutschland, knapp 15.000 Teilnehmer, dass so etwas viel stärker unterstützt wird als wenn wir über die Kosten, über die einzelnen Maßnahmen reden. Das heißt, generell höhere Energiepreise führen zu weniger Support, also in dem Fall, wenn wir jetzt eine CO2-Bepreisung haben, wie wir es entweder auf der europäischen Ebene über den Emissionshandel haben oder in Deutschland seit Anfang dieses Jahres an der Tankstelle spüren, da ist dann der Support etwas niedriger.

[Dilger:] Das heißt, egal, ob es um CO2-Bepreisung oder einen möglichen Energie-Boykott geht, unsere Unterstützung als Verbraucher für bestimmte Vorhaben hängt damit zusammen, wie diese Vorhaben kommuniziert werden? Communication is key?

[Goerg:] Ja, absolut. Also, wir untersuchen im Prinzip die Verschärfung der Klimapolitik im „Fit for 55“-Programm der EU, das dann von den Ländern in der EU umgesetzt werden muss. Und was wir sehen ist wirklich, dass der Support für massive Veränderungen, wenn die Ziele kommuniziert werden, höher ist, als wenn ich über die Kostenseite rede, über die Maßnahmen, die dahin führen müssen, weil diese Maßnahmen natürlich auch wesentlich schwerer zu kommunizieren sind. Also, wir wollen das Preissignal, dass der Klimawandel schädlich ist von einer betriebswirtschaftlichen Größe haben, dadurch müssen wir Preise für Benzin, für fossiles Gas und so weiter hoch haben, damit die nachwachsenden oder erneuerbaren Ressourcen attraktiver werden. Dann kann der Konsument darauf reagieren, dann kann die Industrie darauf reagieren mit ihren Investitionen, und dann, im zweiten Schritt, ist es uns eigentlich egal, wie wir das Geld wieder zurückverteilen, so dass das gar nicht viel höhere Zusatzkosten sind.

Aber die Kommunikation des Zieles, das ist wirklich das Entscheidende, weil das ist das, was den Support in der Bevölkerung generiert. Und das ist auch dann wieder analog ein bisschen zu dem, was wir jetzt in der Ukraine-Krise sehen, im Krieg Russland gegen die Ukraine, nämlich, dass wir jetzt aktuell sehr viel über die möglichen Kosten diskutieren von einem Energieembargo. Aber wenn wir uns die aktuellen Umfragen anschauen: Wie weit würde die Politik denn unterstützt werden, um der Ukraine zu helfen? Dass für so ein Ziel der Support in der Bevölkerung, die Unterstützung der Bevölkerung, sehr, sehr hoch ist.

[Dilger:] Die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl, die ist derzeit großes Thema in der Politik. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat zum Beispiel gesagt, jede und jeder an seinem Platz könne etwas dagegen tun. Das heißt übersetzt, wir sollten alle das Thermostat runterdrehen. Sie forschen ja zu Verhaltensökonomie. Haben solche Appelle denn Einfluss auf unser Verhalten, oder gibt es da Dinge, die besser wirken?

[Goerg:] Ja, also solche Appelle können unter gewissen Umständen durchaus Verhalten bringen, wenn über diese Appelle eine soziale Norm transportiert wird. Wichtig ist natürlich für eine soziale Norm, es muss von der Mehrheit der Personen in der Gesellschaft auch als Norm akzeptiert werden. Ja, aber was sind denn Normen? Normen sind häufig das, was ich im Schnitt beobachte, was andere Leute machen. Das ist das, was wir eine deskriptive Norm nennen. Und es gibt einige Studien im Energiebereich, wo zum Beispiel in den USA Energiekunden, Privatkunden, einfach nur mitgeteilt bekommen haben: Was ist eigentlich der durchschnittliche Energieverbrauch in deiner Nachbarschaft? Das ist dann einfach anhand der Postleitzahl verteilt worden, und was man da schön sehen konnte, ist, dass Personen, die einen Energieverbrauch haben über dem Durchschnitt, dass die, nachdem die diese Briefe bekommen haben, angefangen haben, ihren Energiekonsum zu reduzieren. Was in den USA häufig bedeutet, ich stelle mein Thermostat an meiner Klimaanlage ein Grad kälter. Und das hat auch zu langfristigen Effekten geführt. Durch so eine Art Kommunikation weiß ich plötzlich, was machen die Leute in der Gesellschaft, und das kann dann natürlich auch, zum Beispiel, Energiekonsum treiben. Nur, das muss ich auch immer ein bisschen als Disclaimer dazu sagen: natürlich ist der Effekt von sowas immer noch viel niedriger, als wenn wir jetzt ein Gaskraftwerk oder ein Kohlekraftwerk abstellen. Das muss man immer dann auch in Relation sehen.

[Dilger:] Herr Goerg, vielen Dank für die Zeit und für das Gespräch.

[Goerg:] Ja, herzlichen Dank. Hat auf jeden Fall Spaß gemacht.

Hidden Champion

[Moderator Matthias Kirsch:] Archivarbeit im Jahr 2022. Das bedeutet nicht nur, in großen Papierbergen oder alten Regalen zu wühlen. Nein, das heißt auch, sich der großen Aufgabe der Digitalisierung zu stellen. Wie dieser Wandel konkret vor Ort aussieht, darüber sprechen wir mit Anja Schmidt, unserer Hidden Champion der heutigen Folge. Sie leitet nämlich das Archiv des Architekturmuseums der TU München, einem der größten seiner Art in Deutschland. Mein Kollege Fabian Dilger hat Anja Schmidt getroffen.

[Dilger:] Guten Tag, Frau Schmidt.

[Anja Schmidt:] Guten Tag, Herr Dilger. Schön, dass Sie da sind.

[Dilger:] Frau Schmidt, Sie sind Archivleitung der Sammlung des Architekturmuseums der TU. Und bei Archivarbeit, da stellt man sich ja klischeemäßig vielleicht so ein bisschen ein einsames Dasein im stillen Kämmerlein vor. In Ihrem Büro, da haben Sie aber fast jeden Tag Besuch.

[Schmidt:] Ja, das stimmt. Also, wir sind ein sehr lebhaftes Archiv, dadurch, dass wir kontinuierlich wachsen und auch wirklich sehr viele Besucher haben, das können teilweise Wissenschaftler sein, die aus verschiedenen Kontinenten der Welt kommen, ich hatte schon chinesische Forscher da, ich hatte schon viele Besucher aus Amerika da, es kann aber natürlich auch sein, dass einfach die Studierenden hier von der TUM bei uns vorbeikommen und für ihre Masterthesis oder für Bachelorarbeiten bei uns recherchieren. Es gibt wirklich alle Arten von Besuchern, die dieses Archiv auch wirklich regelmäßig frequentieren.

[Dilger:] Diese Besucher, die aus der ganzen Welt kommen, die kommen ja nicht von ungefähr. Die Sammlung, die Sie hier haben, die ist nämlich eine ganz besondere.

[Schmidt:] Ja, es ist eine alte Sammlung und es ist tatsächlich auch eine der größten Architektursammlungen im deutschsprachigen Bereich. Wir haben einmal im Jahr Föderationstagungen, wo alle Sammlungen über ihre Bestände berichten und auch über ihre Geschichte erzählen, und da muss sich die Architektursammlung der TUM wirklich nicht verstecken. Wir haben mit fast 700.000 Plänen, so genau hat sie wirklich niemals jemand gezählt, weil wir auch viele Konvoluterfassungen haben, eine der größten Sammlungen auch und eine der ältesten Sammlungen, weil die schon 1868 gegründet worden ist mit Gründung der Polytechnischen Schule und auch in dieser Zeit einfach schon ihren Grundstock erhalten hat.

[Dilger:] Wir waren vor dem Gespräch in den Archivräumen ein bisschen spazieren. Da kann man sich fast leicht verlaufen. Aber es ist auch ein Riesengerät da unten, was relativ teuer ist. Erklären Sie doch mal, was das für ein Gerät ist und wofür Sie das benutzen.

[Schmidt:] Was Sie da bei uns im Keller gesehen haben, ist ein großer Flachbettscanner der Firma Cruse. Der ist dafür da, Planzeichnungen einzuscannen. Und es musste deswegen so ein teures Gerät sein, dass einige hunderttausend Euro kostet und wir über eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erst leasen konnten, dann später übernehmen konnten, weil unser Material, das historische Material, muss nach konservatorischen Gesichtspunkten eingescannt werden. Auf diesem Flachbettscanner wird das Material flach abgelegt, das hat eine Ansaugfunktion, der Tisch, auf den das gelegt wird, sodass das Material plan liegt, und dann bewegt sich nur der Tisch unter den Lampen ganz langsam entlang, sodass die Kamera, die über den Lampen steht, dann das Bild einfangen kann. Und so ein Tisch produziert dann einfach Datenmengen von bis zu einem Gigabyte. Wobei auf einem Tisch, wenn es ein großer Plan ist, eben nur einer ausgelegt werden kann. Wenn es vier kleine Pläne sind, die auf den Tisch passen, kann die Mitarbeiterin auch einfach vier Pläne gleichzeitig scannen oder vier Zeichnungen gleichzeitig scannen, die dann später mit Bildbearbeitung ausgeschnitten werden.

[Dilger:] Dieser Superscanner, nenne ich ihn jetzt mal, ist ja das Herzstück eines Riesenprojektes, das Sie vorhaben. Sie wollen de facto Ihre ganze Sammlung digitalisieren. Wie weit sind Sie denn bisher damit gekommen?

[Schmidt:] Ja, wir versuchen, die ganze Sammlung zu digitalisieren, aber ganz ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass ich das bis zu meiner Pensionierung noch erleben werde bzw. bis zu meinem Ruhestand erleben werde, weil, wir haben von den angenommenen 700.000 Plänen, die wir hier haben, etwa 10 Prozent im Moment digitalisiert. Begonnen wurde das Projekt 2009 über diese DFG-Förderung und mit der Förderung gab es einfach eine Person, die mit 40 Stunden am Scanner stand, eine Person, die nur die Einzelblatterfassung gemacht hat, und eine ganze Handvoll Hiwis, die hergetragen haben, weggetragen haben. Und seitdem die Förderung ausgelaufen ist, machen wir das hier mit eigenen Kräften und deswegen gibt es einige tausend Scans pro Jahr, die dazukommen, aber halt nicht wirklich in dieser Schnelligkeit, die wir in den ersten zwei Jahren hatten. Und, was vielleicht ganz wichtig ist zu bemerken, wir versuchen auch weiterhin Drittmittel einzuwerben, aber da überall alle zurzeit digitalisieren wollen, ist es halt tatsächlich so, dass auch diese öffentlichen Fördermittel gut geplant ausgegeben werden von den Institutionen und wir jetzt eine Quasi-Zusage haben für ein neues Digitalisierungsprojekt, wir wissen aber noch nicht genau, wann es anfangen kann. Also, es ist jetzt für 2022 angedacht, aber noch nicht wirklich in trockenen Tüchern.

[Dilger:] Unter den fast eine Million Stücken, die hier lagern, da findet man doch bestimmt etwas als Kunsthistorikerin, was man besonders gerne hat. Gibt es eine Lieblingszeichnung, ein Lieblingsmodell, das Sie besonders gerne in der Hand haben?

[Schmidt:] Ja, ich mag einen Architekten ganz gern, den eigentlich keiner kennt, der heißt Peter Birkenholz. Das ist ein Architekt, der bereits in den 1920er Jahren angefangen hat, Interieurs zu machen, hat in der Schweiz gearbeitet und er ist einfach ein unglaublich guter Zeichner gewesen. Er hat sich einmal ausgedacht, man könnte doch Architektur rund machen und hat dann für Messebau, für Schulen, für Privathäuser, für Ferienhäuser eigentlich immer die gleiche Baustruktur verwendet, dieses Kugelhaus. Und es wurde nur ein einziges Mal gebaut, weil er wirklich keinen Blumentopf mit seinen Entwürfen gewonnen hat und von dem haben wir auch eben eines dieser Kugelhäuser in einem großen Schnittmodell, das bei uns unten in der Sammlung liegt, und ehrlich gesagt, jedes Mal, wenn ich in den Modellkeller komme, freue ich mich, wenn ich das dort liegen sehe.

[Dilger:] Frau Schmidt, vielen herzlichen Dank fürs Gespräch.

[Schmidt:] Sehr gerne. Freut mich, dass Sie da waren.

Der junge Blick

[Moderator Matthias Kirsch:] Der Morgen des 24. Februar 2022 wird wohl für immer ein „Wo warst du damals“-Moment bleiben. Der russische Angriff auf die Ukraine war ein Schock für ganz Europa und die Welt. Die Opfer dieses Angriffs sind in erster Linie die Ukrainerinnen und Ukrainer, die aus ihrem Zuhause flüchten, ihr Land verteidigen müssen, dem Tod und der Zerstörung ins Auge blicken. An der TU München studieren rund dreihundert Ukrainerinnen und Ukrainer. In ihrer Heimat haben sie Familie und Freunde, dort liegt ihre Vergangenheit, ihre Erinnerungen und auch ihre Hoffnungen für die Zukunft. Vier Studierende haben ihre Gedanken mit uns geteilt.

[Yaroslava Fedoryshyna:] Ich bin Yaroslava Fedoryshyna. Ich bin 24 Jahre alt und ich komme aus der Ukraine. 18 Jahre meines Lebens habe ich im Westen der Ukraine in einer Stadt gelebt. Seit sechs Jahren lebe ich in München und studiere Elektro- und Informationstechnik an der TUM.

[Myroslava Domanitska:] Mein Name ist Myroslava, ich bin 22 Jahre alt, ich komme aus der ukrainischen Stadt Talne, das ist im Zentrum der Ukraine neben Tscherkassy. Ich studiere TUM-BWL im Master und bin seit eigentlich mehr als zwei Jahren in München.

[Saviak Makas:] Hallo zusammen, ich heiße Saviak Makas, komme aus der Hauptstadt von Ukraine Kyiv, und habe vor Kurzem das erste Semester in Chemie im Bachelor hinter mich gebracht.

[Malika Sanhinova:] Mein Name ist Malika, ich bin 21 Jahre alt und komme aus Kyiv. Ich studiere Informatik an der TU München und bin seit vier Jahren in Deutschland.

[Yaroslava Fedoryshyna:] Der Tag am 24. Februar 2022 hat für mich sehr früh mit einer schrecklichen Nachricht angefangen. Um fünf Uhr morgens wurde ich durch einen Anruf erweckt, dass ich mir die Nachrichten anschauen soll. Russland bombardiert ukrainische Städte. Städte, wo meine Familie wohnt, wo meine Freunde und Verwandten sind. Russland hat den Krieg gegen Ukraine angefangen.

[Myroslava Domanitska:] Es ist für mich jetzt ziemlich schwierig, darüber zu sprechen und eigentlich sind die Erinnerungen dann vielleicht die schlimmsten in meinem Leben. Am 24. Februar bin ich aufgewacht und ich habe dann eine Nachricht bekommen von einer Freundin von mir, die fragte, wie es meinen Eltern geht. Und, ja, eigentlich hat es mich gewundert, weil sie hat schon vor einem Tag oder vor zwei Tagen gefragt, und ich dachte, was ist aber los? Habe die Nachrichten geschaut, dann ich habe gleich angefangen zu weinen, weil ich sah einfach in großen Buchstaben, Putin hat Ukraine angegriffen. Und das war für mich, dass das … ich fühle einfach so viel Schmerz und ich bin sehr traurig, dass so etwas eigentlich möglich wäre. Ich glaube, der Tag ist bis jetzt der schlimmste meines Lebens. Und ich bin mir sicher, dass ich ihn jahrelang nicht vergessen kann. Insbesondere die erste Woche war die schlimmste, dann mussten wir einfach in der Nacht uns aufwachen und schauen, in den Nachrichten, ob unserer Familie es noch okay geht oder nicht.

[Saviak Makas:] Am 24. Februar wurde ich um sieben Uhr vom Anruf von meinem Vater geweckt, wobei wir es nie besprochen haben, wie unsere Familie gerade handeln muss.

[Malika Sanhinova:] An dem Tag bin ich gegen fünf Uhr morgens aufgewacht, weil ein Freund von mir mich angerufen hat, und sagte die schlimmsten Worte, die ich je gehört habe: Der Krieg hat begonnen. Ich muss sagen, dass es für mich leider nicht total unerwartet war, auch wenn ich bis zum letzten Moment nicht daran geglaubt hatte. Ich habe dann sofort meine Eltern angerufen und erlebte die schlimmsten Sekunden meines Lebens, als sie nicht sofort geantwortet haben. Also, ich kann ganz genau sagen, dass dieser Tag mein Leben einfach auf den Kopf gestellt hat, und es wird nie wieder sein wie früher.

[Yaroslava Fedoryshyna:] Das erste, was mir den Kopf kommt, wenn ich an die Ukraine denke, ist meine Familie. Meine kleine Nichte, seit diesen sechs Jahren haben wir eine Tradition, dass ich immer zum Geburtstag meiner Nichte in die Ukraine fliege. Wir verbringen mit der ganzen Familie ein paar Tage zusammen, erkunden Kyiv und seine Natur in der Umgebung. Und ich will nicht unsere Tradition unterbrechen. Ich wünsche es mir, dass ich dieses Jahr auch zum Geburtstag meiner Nichte in die Ukraine fliegen kann, um die Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

[Myroslava Domanitska:] Wenn ich an die Ukraine denke, kommen ein paar Erinnerungen mir, und ich glaube, ich habe so ein paar Städte, wo ich in der Ukraine gelebt habe, und die ich eigentlich für mein Haus, ja, für meine Heimat halte. Erstmal meine Stadt, ich will einfach nur meine Eltern so bald wie möglich sehen. Ich weiß leider nicht, wann es möglich wäre. Ich weiß, irgendwann komme ich zurück nach Hause, dass wir noch in unserem Haus sitzen, in unserer Wohnung. Ich hoffe, dass in der Zukunft alles noch sicher bleibt und nicht zerstört wird. Und ich hoffe, dass wir einfach zusammen Abendessen haben oder zusammen ein Glas Wein trinken, mit meinen Eltern einen Film schauen, ich schaue immer mit meinem Vater in meiner Heimatstadt Harry Potter, und das ist für mich so sehr besonders, und ich glaube, ich hoffe, dass zum nächsten Mal werde ich es mit meinem Vater sehen.

[Malika Sanhinova:] Wenn ich an zu Hause denke, denke ich vor allem an meine Familie, meine Freunde und an das letzte Mal, als ich meine Wohnung in Kyiv verlassen habe, und habe mich darauf sehr gefreut, in einem Semester wieder nach Hause zu kommen. Ich denke daran, wie meine Mama mir immer mein Lieblingsessen gekocht hat, wenn ich zu Besuch war, und wie sich die ganze Familie um den Tisch versammelt hat.

[Moderator Matthias Kirsch:] An dieser Stelle möchten wir nochmal an die Hilfsprogramme der TU für Studierende aus der Ukraine erinnern. Zum einen wird geflüchteten Studierenden mit dem Integrationsprogramm ein unbürokratischer Zugang zum universitären Umfeld ermöglicht und zum anderen können ukrainische Studierende, die aufgrund des Krieges in eine finanzielle Notlage geraten sind, mit einer Direkthilfe unterstützt werden. Außerdem kann jeder die TUM Universitätsstiftung mit einer Spende unterstützen. Jeder Beitrag hilft und ist herzlich willkommen. Die Konten der Universitätsstiftung finden Sie auf unserer Webseite unter www.tum.de.

Fünf Tipps

Zum Abschluss der heutigen Folge verlassen wir wie immer das direkte Umfeld der TU und kommen zu unserer Rubrik „Fünf Tipps“. Unser Gast heute ist Andrea Hufnagel. Sie ist Arbeitspsychologin und hat uns Tipps mitgebracht, die uns alle interessieren dürften, nämlich, worauf man im Alltag achten sollte, um seine mentale Gesundheit zu schützen. Andrea Hufnagel hat meiner Kollegin Clarissa Ruge ihre Tipps verraten.

[Clarissa Ruge:] Ich freue mich sehr über ein Gespräch mit Andrea Hufnagel. Hallo, Frau Hufnagel.

[Andrea Hufnagel:] Hallo, ich freue mich auch.

[Ruge:] Sie leiten den Bereich Arbeitspsychologie am Institut für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Prävention. Als Arbeitspsychologin beschäftigen Sie sich unter anderem mit psychischen Problemen und Belastungen in der Arbeitswelt. Und wir wissen ja leider sehr viel mittlerweile aus Statistiken und Untersuchungen, dass gerade die psychischen Erkrankungen stetig zunehmen. Deshalb wollen wir heute von Ihnen wissen, was kann jeder von uns dafür tun, um psychisch gesund zu bleiben? Frau Hufnagel, Sie haben uns dafür fünf Tipps mitgebracht. Welche sind das?

#1

[Hufnagel:] Ja, gerne. Ich starte gleich mit dem ersten Tipp.
Der betrifft unsere Gedanken. Es ist wichtig, dass Sie auf Ihre Denkmuster achten. Wenn Sie zum „Katastrophieren“ neigen, wenn Sie eher an den Misserfolg als an den Erfolg glauben oder vom Schlimmsten ausgehen, dann sollten Sie einen Gedankenstopp setzen. Versuchen Sie, einen Tick optimistischer als nur realistisch zu denken und achten Sie auf die Selbstwirksamkeit, also zu denken, ich schaffe das, ich habe das schon mal geschafft, ich lerne daraus. Das wäre der erste Tipp. Ich komme gleich zu dem zweiten Tipp.

#2

Der betrifft unsere Gefühle. Es ist ganz normal, dass wir auch negative Gefühle haben wie Trauer, Angst, Leid. Wir sollten diese Gefühle nicht wegdrücken, sondern sie akzeptieren und darauf vertrauen, dass sie auch wieder vergehen. Wichtig für die Gesundheit sind die positiven Gefühle, weil diese Gefühle uns stärken, öffnen, aufblühen lassen. Leider ist unser Gehirn darauf programmiert, mehr auf die negativen Gefühle zu achten. Deswegen empfehle ich Ihnen, suchen Sie Erlebnisse, die positive Emotionen wecken. Nehmen Sie diese bewusst wahr und verankern Sie diese mental, indem Sie danach darüber erzählen oder sich diese aufschreiben und immer wieder daran erinnern. Ich gehe gleich zum dritten Tipp über.

#3

Der betrifft die Achtsamkeit. Meine Empfehlung ist, praktizieren Sie immer wieder Achtsamkeit, im Sinne, sich ganz dem gegenwärtigen Moment hinzugeben, ohne zu beurteilen, ohne zu bewerten, ohne etwas verändern zu wollen, erreichen zu wollen. Das kann zum Beispiel so geschehen, dass Sie einfach auf Ihren Atem achten, das Ein- und Ausatmen. Oder mal bewusst gehen, Ihre Schritte verfolgen. Oder einfach nur die Luft einatmen, draußen im Wald oder im Garten.

#4

Ja, und der vierte Tipp bezieht sich auf die Verbundenheit. Sich verbunden fühlen mit Mitmenschen und mit der Welt stärkt uns. Und deswegen ist es sinnvoll, auf gute Beziehungen zu achten, ein gutes soziales Netzwerk zu haben, Beziehungen, die uns stärken. Es kommt dabei nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität. Dazu gehören auch echte persönliche Kontakte, die ja jetzt während der Pandemie oft etwas zu kurz kommen. Und wenn jemand mehr so der Typ Einzelgänger ist, dann kann auch die Verbundenheit mit der Natur, durch bewusste Aufenthalte in der Natur, stärken.

#5

Ja, und jetzt komme ich zum fünften Tipp, der ist sicherlich ein Stückchen anspruchsvoller. Beschäftigen Sie sich mit der Frage nach dem Sinn Ihres Lebens. Warum sind Sie auf der Welt? Was sind wichtige Sinnquellen für Sie? Das kann die Religion sein, das kann die Fürsorge für andere Menschen sein, etwas tun oder erschaffen, Kreativität, Gemeinschaft. Suchen Sie nach Ihren persönlichen Sinnquellen. Und ich hoffe, dass Sie mit diesen fünf Tipps psychisch gestärkt weiter durch Ihr Leben gehen können.

[Ruge:] Vielen Dank für Ihre Tipps. Wenn ich jetzt mal persönlich fragen darf, was tun Sie denn, wenn Sie nach einem stressigen Tag abends nach Hause kommen?

[Hufnagel:] Für mich sind diese fünf Tipps wegweisend, und was ich täglich praktiziere ist wirklich dieses Thema Achtsamkeit. Also, ich versuche am Abend auch eine Zeitspanne zu finden, wo ich ganz abschalte und nur auf meinen Atem achte und im Hier und Jetzt bin. Manchmal ist es nicht der Atem, manchmal lege ich mich einfach auf den Boden und spüre, wie ich auf dem Boden liege und von der Erde getragen werde.

[Ruge:] Das heißt, das können wir alle – auch wenn wir nicht meditieren oder Yoga machen – in unseren Tagesablauf einbauen, wirklich?

[Hufnagel:] Ja, ich denke, da kann jeder den Weg finden, der zu ihm gut passt, also, es ist ja nicht jeder geboren für eine zwanzigminütige Meditation in der Stille. Es kann einfach nur das bewusste Genießen eines Moments, vielleicht auch eines Kaffees sein, also, da wünsche ich, dass jeder seinen Weg findet und sich auf die Suche macht.

[Ruge:] Vielen Dank, Frau Hufnagel. Das waren also unsere fünf Tipps, um auch im Kleinen Ruhe und Zufriedenheit zu finden.

[Hufnagel:] Ja, danke auch, ich freue mich, dass ich diese Tipps mitgeben konnte.

[Moderator Matthias Kirsch:] Und das war es für diese Folge von „We are TUM“. Auch in der nächsten Folge sprechen wir wieder über Spitzenforschung, das Studienleben und all die Menschen, die die TU zu dem einzigartigen Ort machen, der sie ist. Das war „We are TUM“. Diese Folge wurde produziert von Fabian Dilger, Clarissa Ruge, der ProLehre Medienproduktion, und von mir, Matthias Kirsch. Das Sounddesign und die Postproduktion gestaltet Marco Meister von Edition Meister aus Berlin. Bis zur nächsten Folge, kommen Sie mit uns und entdecken Sie die großen und die kleinen Geheimnisse der TU München.

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