• 16.1.2014

Leistungsanreize für Forschung und Lehre an Hochschulen

Lieber Lob als Geld: Anerkennung motiviert Forschende besonders stark

Es ist vor allem Anerkennung, die Wissenschaftler/innen zu mehr Leistung in Forschung und Lehre motiviert – für Geld als Leistungsanreiz interessieren sie sich hingegen oft deutlich weniger. Zu diesem Ergebnis kommen jetzt verschiedene Studien der Technischen Universität München (TUM). Dabei zeigt sich auch: Die heute gängigen Methoden, Forschungsleistung zu bewerten, reichen aus Sicht vieler Forschenden nicht aus. Aspekte wie der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sollten eine größere Rolle spielen als die Zahl der Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften.

Prof. Isabell M. Welpe leitet das Forschungsprojekt "Pay Professors for Performance?". (Bild: Astrid Eckert/TUM)

Universitäten wie die TUM stehen in einem internationalen Wettbewerb, in dem es um exzellente Forschung und zunehmend auch um exzellente Lehre geht. Wovon aber lassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu mehr Leistung motivieren? Dieser Frage sind die Arbeitsgruppen um Prof. Isabell M. Welpe und Prof. Claudia Peus von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität München (TUM) nachgegangen.

„Anerkennung ist für die Motivation und Leistung in Forschung und Lehre besonders wirksam“, fasst Prof. Isabell M. Welpe ein wichtiges Ergebnis ihres Forschungsprojekts „P3 – Pay Professors for Performance?“ zusammen. Ziel dieses vom BMBF geförderten Projekts ist es, ein neues Anreizsystem für Forschende und Lehrende an Hochschulen zu entwickeln. Zentrale Erkenntnisse wurden am 14. und 15. Januar im Rahmen einer Abschlusstagung an der TUM vorgestellt.

Geld spielt als Leistungsanreiz für Forschende die kleinste Rolle, zeigt beispielsweise eine Befragung von 1.697 jungen Wissenschaftler/innen in Deutschland: Eher lassen sie sich von der Aussicht auf mehr Eigenständigkeit motivieren, am stärksten jedoch durch Anerkennung – so ihre Selbsteinschätzung. Besonderen Wert legen sie auf zwischenmenschliche, oft ganz informell ausgedrückte Formen der Anerkennung, etwa ein Lob ihres/r betreuenden Professor/in.

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Führungsstil für wissenschaftliche Arbeitsgruppen

In diesem Zusammenhang kommt auch dem Führungsstil in wissenschaftlichen Arbeitsgruppen eine wichtige Bedeutung zu. Das zeigt – unabhängig vom „P3“-Projekt – eine Untersuchung von Claudia Peus, Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement. Ihr Ergebnis: Wissenschaftler/innen sind zufriedener, wenn sie ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihren Vorgesetzten haben. Dies können Führungskräfte durch ein motivierendes und individuell unterstützendes Verhalten fördern.

Zu höherer Zufriedenheit führt auch, wenn Vorgesetzte inspirierende Zukunftsvisionen mitbringen und hohe Leistungsziele setzen, sowie ihren Mitarbeitenden individuelles Feedback geben. In einer solchen Umgebung steigt die wissenschaftliche Leistung, gemessen an subjektiven und objektiven Kriterien – zum Beispiel an der Zahl der Publikationen, die das Team in hochrangingen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Die große Schwierigkeit: Forschungsleistung angemessen bewerten

Was aber ist Leistung in der Forschung genau? Wie lässt sie sich angemessen beurteilen? Allein nach der Zahl von Veröffentlichungen in angesehenen Fachzeitschriften zu gehen, wie es oft der Fall ist, reicht aus Sicht vieler Wissenschaftler/innen nicht aus. Gemessen wird der Rang einer Zeitschrift in der Regel an ihrem „Impact Factor“, wie häufig also aus ihr im Schnitt zitiert wird.

„Der Impact Factor ist wenig glaubwürdig, um die Qualität einzelner Artikel oder Forschungsergebnisse zu messen“, kritisiert Prof. Welpe. Oft wird diesem Kriterium auch nachgesagt, es fördere vor allem Mainstream-Forschung ohne Risiko. Dieses „Impact Factor Engineering“ gehe an den Bedürfnissen von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat vorbei.

In den Ergebnissen von Prof. Welpes „P3“-Projekt spiegelt sich diese Kritik wider. Die befragten Nachwuchswissenschaftler/innen schätzen qualitative Kriterien insgesamt als aussagekräftiger ein als das Zählen von Kennzahlen. Im Speziellen würden die meisten von ihnen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn als Leistungsindikator höher bewerten als Publikationsleistungen.

Hochschulen ticken anders als Wirtschaftsunternehmen

Eine zentrale Herausforderung beim Entwickeln eines Anreizsystems für Hochschulen ist es, den Besonderheiten dieser Organisationen gerecht zu werden. Im Vergleich zu stark standardisierten Arbeitsprozessen gewinnorientierter Unternehmen sei originelle Forschung in der Regel komplexer, sowie schwieriger zu planen und zu kontrollieren, so die Arbeitsgruppe um Prof. Welpe.

Deswegen gehe es nicht ohne weiteres, Anreize, die in der Wirtschaft etabliert sind, auf Hochschulen zu übertragen, wie es das New Public Management vorsieht. „Das funktioniert nur in Bereichen, zu denen die Anreize auch passen“, sagt Welpe, „zum Beispiel bei standardisierten Tätigkeiten, Prozessen und Aufgaben.“ Ein Szenario: Zielvereinbarungen darüber, wie viele Abschlussarbeiten von Studierenden die Mitarbeitenden eines Lehrstuhls pro Semester betreuen sollen.

Ein einfaches System von Belohnungen oder Sanktionen für erbrachte Leistungen reicht in der Forschung nicht aus, um wirklich innovatives und selbstgesteuertes Verhalten zu fördern. Das haben die Untersuchungen von Prof. Peus ergeben. „Führungskräfte in der Wissenschaft sind gefordert“, sagt Peus, „die Bedingungen zu schaffen, unter denen die Mitarbeitenden ihr volles Potential entfalten können.“

Dabei spielen individuelle Anerkennung und attraktive Visionen eine ebenso wichtige Rolle wie die die Integration von Individualisten und heterogenen Persönlichkeiten. „Solch ein Team kann gemeinsam neuartige Forschungsfragen generieren und nach höchsten wissenschaftlichen Standards arbeiten.“

Exzellenz in der Lehre zunehmend wichtig im globalen Wettbewerb

In ihren Anreizsystemen dürften Hochschulen überdies die Lehre nicht vernachlässigen, betont Welpe. „Denn der zunehmende Wettbewerb zwischen den Universitäten fordert neben exzellente Forschung auch eine exzellente Lehre.“

Bei der Lehre zeigt sich ebenfalls, wie wichtig Anerkennung für die Motivation ist – und ähnlich wie bei der Forschungsleistung möchten die Befragten Anerkennung erfahren, vornehmlich im informellen-zwischenmenschlichen Bereich. Sie schätzen das Lob ihrer Betreuer/innen signifikant motivierender ein als eine höhere Autonomie oder andere nicht-monetäre Faktoren. Dazu zählen auch materielle Anreize wie ein neuer Computer.

Qualität geht den Befragten auch in der Lehre über Quantität: So bewerten sie die Vermittlung von Problemlösungskompetenzen, selbstständigem Arbeiten und Lernen deutlich höher als die Frage, wie viel jemand unterrichtet. Das sehen auch die knapp 400 Studierenden so, die ebenfalls zu diesem Punkt befragt wurden.

Einige Unterschiede zeigt die Studie jedoch zwischen den Wirkungen von Anreizen auf Forschungsleistungen und auf Lehrleistungen. In der Lehre spielt es keine so große Rolle, ob die jungen Forschenden mehr Verantwortung übertragen bekommen – etwa für kleine Gruppen von Mitarbeitenden. In der Forschung hingegen würden sie sich, der eigenen Einschätzung nach, durch ein Plus an Verantwortung zu höheren Leistungen anspornen lassen.

Tenure Track bietet jungen Talenten wissenschaftliche Selbstständigkeit

Um internationale Spitzenforscher/innen für die eigene Universität zu gewinnen, sollten Universitäten auch über ihre spezifischen Arbeitgebermerkmale („University Employer Branding“) nachdenken. Eine erste Untersuchung der Arbeitsgruppe Welpe zeigt hier: Nachwuchsforscher/innen wünschen sich neben Anerkennung vor allem Autonomie in der eigenen wissenschaftlichen Arbeit.

„Hochschulen sollten sich daher überlegen, wie sie ihren jungen Talenten größere Freiräume einräumen und mehr Verantwortung übertragen können und diese Merkmale auch in Stellenausschreibungen betonen“, schlussfolgert Welpe.

Die TUM hat bereits verschiedene Systeme entwickelt, um die Selbstständigkeit vielversprechender Talente zu fördern. So führte sie 2012 ein international beachtetes Tenure Track-Karrieresystem ein. Die Universität beruft junge Wissenschaftler/innen für sechs Jahre als Assistant Professors (W2), die große wissenschaftliche Autonomie genießen.

Zu den Rahmenbedingungen von TUM Faculty Tenure Track gehört ein Mentorat, das die Nachwuchsforscher/innen auf ihrem Weg begleitet und sie beim Aufbau ihres Netzwerks unterstützt. Bei entsprechender Leistung, gemessen nach transparenten Kriterien, erhalten diese Forscher/innen nach Ablauf der sechs Jahre eine unbefristete W3-Professur.

 

Kontakt
Prof. Dr. Isabell M. Welpe
Technische Universität München
Lehrstuhl für Strategie und Organisation
Tel: +49 89 289 24800
welpespam prevention@tum.de
http://www.strategy.wi.tum.de

Prof. Dr. Claudia Peus
Technische Universität München
Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement
Tel.: +49 89 289 24091
claudia.peusspam prevention@tum.de
http://www.rm.wi.tum.de

 

Medienbericht:
Deutschlandfunk, "Campus und Karriere" mit Prof. Isabell Welpe, Prof. Klaus Diepold und Dr. Péter Koltai

Technische Universität München

Corporate Communications Center

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