• 20.4.2015

Interview mit Dr. Johannes Tippmann, Leiter der Forschungsbrauerei

Bier: Einfach zu brauen, schwierig zu verstehen

Bierbrauen hat eine lange Tradition in Weihenstephan. Seit 1865 wird dort Braukunst gelehrt und erforscht, seit 1901 existiert eine eigene Versuchsbrauerei. Die heutige TUM-Forschungsbrauerei vereint modernste Verfahrenstechnologien mit innovativen Braukonzepten, pro Jahr werden etwa 140 verschiedene Sude angesetzt. Dr. Johannes Tippmann, Leiter der Forschungsbrauerei, spricht über die Möglichkeiten, aber auch die Herausforderung, aus wenigen Rohstoffen immer wieder neue Bierkreationen zu entwerfen.

Kontrolle des Läutervorgangs: Dr. Johannes Tippmann und Bachelorstudent Johannes Thalmeier (re.) am Läuterbottich, wo die Bierwürze aus der Maische gewonnen wird.
Kontrolle des Läutervorgangs: Dr. Johannes Tippmann und Bachelorstudent Johannes Thalmeier (re.) am Läuterbottich, wo die Bierwürze aus der Maische gewonnen wird. (Foto: B. Wankerl / TUM)

Herr Dr. Tippmann, seit Anfang April sind Sie Leiter der Forschungsbrauerei am Wissenschaftszentrum Weihenstephan - wie sind Sie zum Bier und zum Brauen gekommen: Gibt es eine Familientradition?

Tippmann: Nein, nicht direkt - obwohl es im erweiterten Familienkreis auch Braumeister und Gastronomen gab. Ursprünglich wollte ich BWL studieren, doch dann wurde mir klar, dass mein Beruf mit Lebensmitteln zu tun haben sollte. Ich hatte auch überlegt Koch zu werden. Durch Zufall habe ich erfahren, dass es in Freising den Studiengang "Brauwesen" gibt - das fand ich sehr interessant.

Dem Reinheitsgebot nach ist Bier ja ein einfaches Getränk: Hopfen, Malz, Wasser und zum Gären die Hefe. Was kann man denn am Bier erforschen?

Tippmann: Bier scheint einfach, ist es aber nicht: Jeder der einzelnen Rohstoffe hat eine große Bandbreite - Beispiel Wasser: Für Pils ist weiches eher vorteilhaft, für dunkles Bier eignet sich auch härteres Wasser. Einen regelrechten Forschungsboom erleben wir gerade beim Hopfen: Lange Zeit wurde der Hopfen klassisch nur mit der Würze gekocht. Dabei verliert er oftmals viel Aroma. Inzwischen versucht man die Aromastoffe im Hopfen besser zu verstehen.

Ein Begriff, den man zur Zeit häufig hört, ist Kalthopfung ....

Tippmann: Ja, die Brauer experimentieren immer häufiger damit, den Hopfen später zuzugeben, um bestimmte Aromaprofile zu erhalten. Zum Beispiel nach dem Würzekochen oder der Gärung - daher Kalthopfung. Allerdings gibt es dazu bisher nur wenig systematische Forschung.

In den letzten drei Jahren haben wir in der Forschungsbrauerei viel unternommen, um hier neues Wissen aufzubauen. Was für den Hopfen zutrifft, gilt auch für das Malz, auch hier gibt es verschiedene Sorten und Verfahren. Insgesamt erleben wir ein steigendes Interesse, die Vielfalt von Bieren innerhalb des Reinheitsgebots zu steigern. Noch wenig ausgeschöpft ist das Potenzial verschiedener Hefesorten.

Für wen sind die Erkenntnisse interessant?

Tippmann: In erster Linie für Brauereien, die ja gewissermaßen "nach Rezept" brauen müssen. Einmal ein gutes Bier zu brauen ist einfach - die wahre Braukunst besteht darin, die Rohstoffe und technischen Prozesse so zu beherrschen, dass die Qualität immer gleich ist. Die Verbraucher erwarten einen stabilen Geschmack - ihr Lieblingsbier soll heute nicht anders schmecken als morgen.

In der Ausbildung legen wir daher großen Wert auf die Verfahrenstechnik. Also, dass die Vorgänge im Sudhaus oder bei der Gärung genau verstanden werden. Trotzdem kann bei einem Naturprodukt auch immer etwas schiefgehen - zum Beispiel wenn die Hefe nicht gut drauf ist.

Worin unterscheidet sich eine Forschungsbrauerei von anderen Brauereien? Oder ist das einfach nur eine Brauerei im Kleinen?

Tippmann: Wir brauen in viel kleinerem Maßstab - eben Versuchsbiere, nutzen dafür aber viel mehr verschiedene Techniken als in einer industriellen Brauerei. Die Möglichkeiten bei uns sind einzigartig. Wir haben zwei verschiedene Schrotsysteme, um das Malz zu zerkleinern, vier verschiedene Kochsysteme für die Bierwürze und zwei Läutersysteme, mit denen nach dem Kochen der Sud von den Malzrückständen getrennt wird.

Auch im Gärkeller haben wir auch verschiedene Möglichkeiten: Tanks von 10 bis 2.000 Litern in verschiedenen Größen und Geometrien. So können wir unsere Studierenden an allen gängigen Systemen ausbilden. Für den Forschungsbereich sind wir ebenfalls breit aufgestellt, es gibt praktisch keine Grenzen, neue Ideen umzusetzen. Im dritten Schritt sind wir damit auch für die Industrie interessant, für Aufträge, neue Rezepte und Verfahren zu testen - eine wichtige Refinanzierungsmöglichkeit.

Das Reinheitsgebot feiert 2016 sein 500-jähriges Jubiläum. Wie hat Bier im Mittelalter geschmeckt?

Tippmann: Früher hat man eher dunkles Bier getrunken, es war unfiltriert, eher süßlich, und die gängigen Biere waren meist dünner als heute. Bier war als Lebensmittel vor allem in den Städten wichtig, weil es durch den Hopfen und den Alkohol weitgehend keimfrei war - im Gegensatz zum oft verseuchten Wasser. Vor der Einführung des Reinheitsgebots hat man Bier auch mit Kräutern gekocht - daher z.B. auch der Name Grut-(Kräuter-)Bier.

Was war im Mittelalter die größte technische Herausforderung?

Tippmann: Vermutlich, dass man die Gärung in Gang setzen konnte. Damals verstand man ja den Hefepilz und seine Rolle noch nicht. Die Brauer sprachen damals vom "Zeug" das sich beim Brauen im Bottich absetzte und das sie für die nächsten Braugänge wiederverwendeten - das macht man heute übrigens oft noch genauso.

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