• 28.2.2024
  • Lesezeit: 3 Min.

Forschende untersuchen die Mechanismen frühzeitigen Alterns bei der Krankheit Progerie

“Können wir altersbedingte Krankheiten verzögern?”

Kinder mit Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom (HGPS) entwickeln vorzeitige Alterungserscheinungen. Karima Djabali, Professorin an der Technischen Universität München (TUM), will die biologischen Mechanismen hinter diesen beschleunigten Alterungsprozessen verstehen und dazu beitragen, Behandlungen für diese seltene Krankheit zu entwickeln. Dieses Wissen könnte auch helfen, weit verbreiteten altersbedingten Krankheiten in der Gesellschaft vorzubeugen und diese zu behandeln.

Verformte Zellkerne von HGPS Zellen Karima Djabali / TUM
Verformte Zellkerne von HGPS Zellen. Färbungen: DNA (blau), das Protein Lamin A (grün) und Progerin (rot).

Patient:innen mit HGPS entwickeln Symptome wie Haarausfall, faltige Haut, Osteoporose und Gefäßkrankheiten. Die häufigsten Todesursachen bei diesen Patient:innen sind Herzinfarkt oder Schlaganfall aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist 14,5 Jahre. Ausgelöst wird diese seltene Krankheit durch eine Mutation in einem bestimmten Gen, nämlich dem LMNA-Gen.

Professorin Djabali, was ist der Ausgangspunkt, um diese Krankheit zu erforschen?

Es ist wie bei einem Puzzle, bei dem man mit einem Teil beginnt. Bei HGPS wissen wir genau, welches Gen mutiert ist, wo das entsprechende Protein sitzt und welche Funktionen es hat. Gesunde Zellen produzieren Lamin A, ein Protein, das an vielen Prozessen in der Zelle beteiligt ist. Wegen der Mutation bei HGPS produzieren sie die Lamin-A-Variante Progerin. Sie verursacht Schäden an der Zelle und beeinträchtigt Prozesse wie die Zellteilung und die Genexpression. Vereinfacht gesagt, löst die Mutation eine Kaskade von Ereignissen aus, die die Zellen zu schnell altern lassen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es momentan?

Es gibt nur einen Arzneistoff (Lonafarnib), der von der US Food and Drug Administration zugelassen wurde. Es reduziert die schädliche Ansammlung von Progerin in der Zelle. Klinische Studien haben gezeigt, dass dieses Medikament das Voranschreiten von HGPS hinauszögert und die Lebenserwartung der Patient:innen erhöht.

Wo setzen Sie mit Ihrer Forschung an?

Wir wissen vieles noch nicht über die Mechanismen von HGPS und seine Auswirkungen auf die Zellen. Daher setzen wir die Grundlagenforschung fort, um besser zu verstehen, wie die Krankheit die Zellen beeinträchtigt und ob ähnliche Probleme auch bei gesunden Zellen während des Alterns auftreten. Je mehr wir herausfinden, desto mehr Hinweise erhalten wir darauf, wo wir ansetzen können, um betroffene Signalwege wiederherzustellen. Mittlerweile haben wir so viele Fortschritte gemacht, dass wir über Therapien sprechen. Das motiviert mich.

Wie finden Sie neue Ansätze für Behandlungen?

HGPS-Patient:innen leiden an mehreren Beschwerden, darunter Osteoporose, Haarausfall, die Unfähigkeit, Fettgewebe zu bilden, und Gefäßerkrankungen. All diese Beeinträchtigungen haben einen gemeinsamen Nenner: Entzündung. Wir haben uns darauf konzentriert, zu untersuchen, wie genau diese Entzündungswege aktiviert werden. Dabei haben wir erfolgreich einen spezifischen, wichtigen Signalweg identifiziert. Mit diesem Wissen können wir nun Medikamente testen, von denen bekannt ist, dass sie genau diesen Signalweg hemmen. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass ein neues Medikament nicht nur diesen Signalweg wirksam blockiert, sondern auch mit den bestehenden Behandlungsmethoden für HGPS kompatibel ist, um in Zukunft möglicherweise kombinierte Therapien zu ermöglichen.

An welchen weiteren Aspekten der Krankheit forschen Sie?

Wir wollen verstehen, warum sich bei Kindern mit HGPS das Fettgewebe nicht richtig entwickelt. Dies führt zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, da Fettgewebe Hormone produziert, die für unseren Körper essentiell sind. Wir haben ein Zellkulturmodell aus adulten Stammzellen von Patient:innen entwickelt und verwenden es nun, um die Ursache des Problems zu ermitteln. Ein weiterer Aspekt, den wir verstehen möchten, ist, wie sich Progerin auf das Gefäßsystem auswirkt. Warum verlieren die Zellen ihre Flexibilität und ihre normale Reaktion auf mechanische Signale? Es gibt noch eine Menge zu tun.

HGPS ist sehr selten. Lassen sich die Forschungsergebnisse auf andere gesundheitliche Beschwerden übertragen?

Die HGPS-Forschung hilft uns, Alterungsmechanismen im Allgemeinen zu verstehen. Das meiste, was wir über Alterungsprozesse wissen, stammt aus Studien über vorzeitige Alterungssyndrome wie HGPS. Ein detailliertes Verständnis dieser Mechanismen kann entscheidende Aspekte aufzeigen, die wir untersuchen sollten, wenn wir das Altern hinauszögern und eine längere gesunde Lebensspanne erreichen wollen.

 

Weitere Informationen und Links
  • Prof. Karima Djabali forscht am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE), einem Integrativen Forschungsinstitut der TUM. Am MIBE entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Informatik gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen.
  • Am Dienstag, 5.3.2024, stellt Prof. Djabali bei einem öffentlichen Symposium an der TUM ihre Arbeit vor.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Karima Djabali
Technische Universität München
Professur für Epigenetik der Hautalterung
djabali@tum.de

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