• 7.9.2016

Zusammensetzung der Mikrobiota wirkt sich auf die Immunreaktion aus

Darmbakterien beeinflussen Lebensmittelallergien

Im Verdauungstrakt leben unzählige Mikroorganismen. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) konnten jetzt zeigen, dass Darmbakterien auch eine Rolle dabei spielen, wie stark der Körper bei Lebensmittelallergien reagiert. Ihre Ergebnisse präsentierten die Wissenschaftler auf dem Jahrestreffen der Europäischen Gesellschaft für Dermatologische Forschung (ESDR), das dieses Jahr von und an der TUM ausgerichtet wird.

Histologische Färbung eines Darmquerschnitts
Die Mikrobiota im Darm (hier eine histologische Färbung eines Darmquerschnitts) beeinflusst maßgeblich das Immunsystem. (Bild: Caspar Ohnmacht / ZAUM)

Die Mikrobiota des Menschen, also die Gesamtheit der Bakterien, die beispielsweise auf der Haut oder im Verdauungstrakt lebt, hat komplexe Auswirkungen auf die Gesundheit. Ein Team um Prof. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum rechts der Isar, hat sich damit beschäftigt, welche Rolle die Mikrobiota des Verdauungssystems bei Lebensmittel-Allergien spielt.

 Die Darmflora und die verschiedenen Teile des Immunsystems sind eng verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig. Das Forscherteam der TUM konzentrierte sich bei seinen Untersuchungen auf ein Protein namens NOD2. Dieser Teil des Immunsystems ist in der Lage, Darmbakterien, genauer: den Hauptbestandteil ihrer Zellwand, gewissermaßen zu „erkennen“ und zahlreiche komplexe Prozesse in Gang zu setzen. Die Wissenschaftler untersuchten, welche Auswirkungen es hat, wenn dieser Erkennungsrezeptor fehlt.

Immunreaktion grundlegend verändert

Tilo Biedermann und seine Kollegen konnten zeigen, dass sich bei fehlendem NOD2 die Immunreaktion des Körpers grundlegend verändert. Anstelle von Zellen wie regulatorischen T-Zellen, die eine Aktivierung des Immunsystems unterdrücken, werden verstärkt sogenannte Th2-Helferzellen gebildet.

Diese Zellen sorgen wiederum dafür, dass verstärkt der Antikörper Immunglobulin E, kurz IgE, produziert wird. Bei Lebensmittel-Allergikern ist IgE im Körper auf die jeweiligen Allergene „trainiert“ und regt Zellen dazu an, eine allergische Reaktion auszulösen, wenn es das Allergen beispielsweise im Darm registriert. Je mehr IgE, desto stärker fällt auch die allergische Reaktion aus.

Dementsprechend konnten die Wissenschaftler im Mausmodell auch besonders schwere allergische Reaktionen nachweisen, wenn NOD2 fehlte. Auch die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota dieser Tiere war verändert. Wie komplex die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiota und Immunsystem sind, zeigte ein weiterer Aspekt der Studie: Wenn die Zusammensetzung der Darm-Bakterien wieder normalisiert wurde, konnten schwere allergische Reaktionen auch bei fehlendem NOD2 verhindert werden.

Ungefährliche Bakterien als Therapieansatz

 „Dieser Zusammenhang zwischen der Darmflora und der Produktion von Antikörpern eröffnet uns neue Ansätze für Therapien bei Patienten, bei denen die Mikrobiota geschädigt ist", sagt Tilo Biedermann. „Wenn es beispielsweise gelänge, die Ansiedlung von ungefährlichen Bakterien im Darm zu fördern, könnte man auch die Reaktion des Körpers auf Allergene abschwächen.“

Bisher sind die Ergebnisse noch nicht publiziert. Die Wissenschaftler stellen sie am Donnerstag, 8. September im großen Plenum des 46. Jahrestreffen der europäischen Dermatologen-Organisation ESDR vor. Zu dem Jahrestreffen kommen 1200 Forscherinnen und Forscher nach München. Gastgeber und Organisator ist dieses Jahr die TUM. Das Thema „Mikrobiom und Allergien“ ist einer der Schwerpunkte des Kongresses. Mit dem bakteriellen Leben auf der Haut beschäftigt sich bereits am Mittwoch, 7. September, ein Symposium unter Leitung von Dr. Thomas Volz, Dermatologe an der TUM. Kurztitel: „You'll never walk alone“.

 

Abstract des Vortrages

T. Volz, F. Wölbing, F. Regler, S. Kaesler, T. Biedermann. „NOD2 Signalling critically influences sensitization to orally ingested allergens“. Journal of Investigative Dermatology 136:9 (2016). S. 201.

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