• 13.10.2016

Neue Bildgebungsmethode zeigt Aktivität von Nervenzellen in Echtzeit

Dem Gehirn bei der Arbeit zuschauen

Live dabei sein, wenn Nervenzellen miteinander kommunizieren, das ist der Traum vieler Neurowissenschaftler. Eine neue Methode erlaubt es, die Aktivierung von größeren Nervenverbänden – bis hin zu Gehirnen von kleinen Fischen – in Echtzeit und dreidimensional zu beobachten. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München stellen die neuen Möglichkeiten im Fachjournal ‚Light: Science & Applications‘ vor.

Gegenüberstellung eines Fluoreszenzbildes eines Zebrafischgehirns und einer  optoakkustisch erzeugten Aufnahme des Organs. (Bild: Razansky / TUM)
Das Fluoreszenzbild eines Zebrafischgehirns links macht deutlich, dass optische Mikroskopie hier an ihre Grenzen stößt. Das optoakkustisch erzeugte Bild rechts zeigt dagegen hochaufgelöste Informationen zur Nervenaktivität (Orange). (Bild: Razansky / TUM)

Die größte Schwierigkeit beim Versuch, live ins Gehirn zu sehen, ist die Eindringtiefe. Denn ohne in die Struktur des Gehirns einzugreifen – und sie damit zumeist zu zerstören – verliert sich das Signal aufgrund der hohen Streuung im Gewebe schnell. Daher blieben Untersuchungen am Gehirn mit optischen Methoden bisher im wahrsten Sinne des Wortes „oberflächlich“.

Ein Team um Prof. Daniel Razansky, Professor für Molekulare Bildgebungswissenschaften an der TU München und Gruppenleiter am Institut für Biologische und Molekulare Bildgebung (IBMI) am Helmholtz Zentrum München, hat nun einen Weg gefunden, dieses Problem anzugehen. Grundlage des neuen Verfahrens ist die sogenannte Optoakustische Tomographie, die es erlaubt auch Signale in größeren Gewebetiefen auszuwerten. Dies kombinierten die Wissenschaftler mit einer Technik, die Konzentrationsunterschiede von Kalziumionen sichtbar macht, die durch Nervenaktivität entstehen.

Laserimpulse erzeugen dreidimensionale Bilder

Die Optoakustische Tomographie ermöglicht eine präzise nichtinvasive 3D-Tiefendarstellung von Geweben. Dafür erwärmen schwache Laserimpulse das Zielgewebe, was zu dessen kurzzeitiger Ausdehnung führt und infolgedessen Ultraschallsignale erzeugt. Diese erfassen die Forscherinnen und Forscher mit einem entsprechenden Sensor und „übersetzen“ sie in dreidimensionale Bilder. Bisher nutzten sie die Technologie etwa um den Sauerstoffgehalt oder die Ausbreitung von Medikamenten im Blut zu messen. Die aktuelle Arbeit befasst sich nun mit deutlich schneller ablaufenden Prozessen – nämlich den Nervenimpulsen.

„Auf diese Weise können wir die bisherigen Grenzen der neuronalen Bildgebung deutlich überschreiten“, so Dr. Xosé Luis Deán-Ben, Erstautor der Studie. Das stellte die Arbeitsgruppe anhand des Gehirns von erwachsen Zebrafischen (Danio rerio) unter Beweis, die mit einem stimulierenden Wirkstoff behandelt wurden. In einem entsprechenden Tomographen konnten die Wissenschaftler beobachten, wie das Kalziumsignal über die Nerven ins Gehirn weitergeleitet wurde. In einem nächsten Schritt konnten sie auch die Nervenimpulse der Fische in freier Bewegung nachverfolgen.

Dem Lauffeuer auf der Spur

„Der größte Erfolg für uns war allerdings die Analyse von ganzen Gehirnen der erwachsenen Tiere“, sagt Studienleiter Razansky. Diese hätten immerhin eine Größe von circa 2x3x4 Millimeter (ca. 24 Kubikmillimeter). Aktuelle Methoden würden nur etwa einen Kubikmillimeter analysieren. Gewebe vom Ausmaß eines erwachsen Zebrafischgehirns wären entsprechend für aktuelle Mikroskopiemethoden nicht zu untersuchen.

Die gleichzeitige Beobachtung so vieler Nerven halten die Forscherinnen und Forscher für entscheidend bei der Suche nach Antworten zur Funktionsweise des Gehirns – sowohl im Normalzustand als auch im Krankheitsfall. „Durch unsere Methode können wir eine größere Zahl von Nerven gleichzeitig optisch beobachten. Stellen Sie sich diese neuronalen Netzwerke vor wie soziale Medien: bisher konnten wir mitlesen, wenn jemand (in diesem Fall eine Nervenzelle) seinem Nachbarn eine Nachricht überbringt. Nun können wir dabei zusehen, wie sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet“, erkläutert Razansky. „Dadurch verbessert sich auch unser Verständnis dafür, wie das Gehirn arbeitet und möglicherweise ergeben sich dadurch Wege bei Fehlfunktionen therapeutisch einzugreifen“, so der Wissenschaftler weiter.

Für seine Forschung erhielt Daniel Razansky sowohl begehrte Mittel des Europäischen Forschungsrats (ERC), als auch eine Förderung der Gesundheitsbehörde der Vereinigten Staaten (NIH), die selten Forschungsprojekte außerhalb der USA finanziert.

OriginalPublikation

Deán-Ben, XL. et al. (2016): Functional optoacoustic neuro-tomography for scalable whole-brain monitoring of calcium indicators. Light: Science & Applications, doi:10.1038/lsa.2016.201

Kontakt

Prof. Dr. Daniel Razansky
Technische Universität München
Tel. +49 89 3187 1587
E-Mail: drspam prevention@tum.de

Technische Universität München

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