• 18.5.2020
  • Lesezeit: 3 Min.

Pilzbiotechnologie als Innovationsmotor für eine biobasierte Wirtschaft

Wenn aus Pilzen Zukunft wird

Wie können wir in der nicht mehr so fernen Zukunft 10 Milliarden Menschen ernähren und dabei Umweltschäden aller Art vermeiden? Wie kommen wir weg vom Erdöl und stellen trotzdem Produkte der chemischen Industrie her? Potenzielle Antworten für diese und weitere Fragen lassen sich in neuesten Entwicklungen der Pilzbiotechnologie finden und sind nachlesbar in dem Weißbuch "Growing a circular economy with fungal biotechnology".

Blick durchs Fluoreszenz-Mikroskop
Blick durchs Fluoreszenz-Mikroskop: Ein eingefärbtes Protein in den Pilzfäden des roten Schimmelpilzes "Neurospora crassa". Dieser wird nicht nur seit Jahrzenten als Modellsystem für die genetische Forschung eingesetzt, sondern ist auch ein effizienter Biomasseverwerter. (Bild: J. Philipp Benz / TUM)

Dieses Grundsatzpapier wurde kürzlich vom paneuropäischen Think Tank EUROFUNG unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer (TU Berlin) veröffentlicht und fasst die Diskussionen führender europäischer und amerikanischer Forscherinnen und Forscher sowie global agierender Unternehmen zusammen.

Die Expertinnen und Experten, zu denen auch Philipp Benz, Professor für Holz-Bioprozesse an der Technischen Universität München (TUM), gehört, sind sich einig: Pilzbiotechnologie ist Innovations- und Wachstumsmotor für eine Vielzahl an Industrien und kann unsere erdölbasierte Wirtschaft in eine biobasierte Wirtschaft transformieren helfen. Investitionen in diese Zukunftstechnologie werden auch unsere Art zu leben und zu arbeiten nachhaltig verändern.

Wissenschaftsjahr 2020 zur Bioökonomie

Bioökonomie ist das Thema des BMBF-Wissenschaftsjahres 2020. Es präsentiert dieses Jahr als „Köpfe des Wandels“ unter anderem Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer, Leiterin des Fachgebietes Angewandte und Molekulare Mikrobiologie an der TU Berlin sowie Prof. Dr. Philipp Benz, Professor für Holz-Bioprozesse am Wissenschaftszentrum Weihenstephan.

„Weltweit gibt es etwa sechs Millionen verschiedene Pilzarten, alle mit spezifischen Eigenschaften“, sagt Vera Meyer. „Einige davon bieten uns heute die einmalige Chance, eine neuartige und innovative Wirtschaftsweise aufzubauen, die vollständig biobasiert ist und sich den Prinzipien Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit fest verschrieben hat.“

Zusammen mit ihrem Kollegen Philipp Benz und weiteren EUROFUNG Akteuren hat sie das Weißbuch „Growing a circular economy with fungal biotechnology“ veröffentlicht. Es ist das Resultat des zweiten internationalen EUROFUNG Think Tanks, den sie als Sprecherin des Konsortiums im Oktober 2019 an der TU Berlin organisiert hat und das sich der Erforschung industriell nutzbarer Pilze und der Entwicklung neuartiger Produktionsprozesse für Erzeugnisse der Bioökonomie widmet.

Lebensmittel, Medikamente, Verpackung und Kleidung – Pilze sind nachhaltige Alleskönner

„Die wenigsten Menschen wissen, dass Pilze heute schon eine große Rolle bei der Produktion von Enzymen in verschiedenen Industrien spielen“, erklärt Philipp Benz. „Dazu gehört die Produktion von Lebensmitteln, Waschmitteln, Papier, Kraftstoffen, Medikamenten und weiteren Produkten der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Unser heutiger Lifestyle ist daher ohne Pilzbiotechnologie undenkbar, auch wenn dies den meisten Menschen nicht bekannt ist.“

Vera Meyer ergänzt: „Umso wichtiger, dass wir jetzt im Weißbuch detaillierter beschreiben, welche potenziellen Sprunginnovationen der Pilzbiotechnologie uns nun als Nächstes erwarten. Wir halten es für ein realistisches Szenario, dass wir in naher Zukunft auch Textilien, Verpackungen, Möbel und selbst Baustoffe mit Hilfe von Pilzen herstellen können. Und dies auf Basis von nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen aus der Agrar- und Forstwirtschaft.“

Pilzbiotechnologie ist ein Innovationstreiber

Die Entwicklung von neuen Produkten und auch Produktionsprozessen ist äußerst komplex und erfordert große interdisziplinäre Anstrengungen und weitreichende Investitionen. Ein Ziel des Weißbuchs ist es daher, die Öffentlichkeit, Lehrende, Politik und Wirtschaft sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anderer Disziplinen zu informieren, welches zukunftweisende Innovationspotenzial in der Pilzbiotechnologie steckt.

So informieren die Forschenden in dem Weißbuch insbesondere darüber, dass diese Biotech-Branche mit der Entwicklung weiterer rohstoffbasierter Produkte und Wertstoffe zur Erreichung von zehn der 17 Nachhaltigkeitsziele beitragen kann, die von den Vereinten Nationen formuliert worden sind.

Dazu gehören unter anderem die Produktion von ausreichenden Nahrungsmitteln für die Weltbevölkerung, sauberes Wasser, erschwingliche und saubere Energie aus nachwachsenden Rohstoffen und auch der Schutz des Klimas. Beispielsweise werden für die Herstellung von einem Kilo Baumwolle 10.000 Liter Wasser benötigt. Die gleiche Menge Textilien aus Pilzen verbraucht nur 100 Liter. Verbundstoffe, die biotechnologisch aus Pilzen und pflanzlicher Biomasse wie Stroh oder Holzspänen gewonnen werden, und in der Baustoffindustrie eingesetzt werden könnten, verbrauchen bei der Herstellung ungleich weniger CO2 als herkömmliche Baustoffe wie Beton und sind nach Gebrauch auch noch kompostierbar. 

Publikationen

Die beiden bisher erschienenen Weißbücher des EUROFUNG-Konsortiums wurden im BMC Verlag der Springer Nature Gruppe veröffentlicht:  

Meyer, V., Basenko, E.Y., Benz, J.P. et al. Growing a circular economy with fungal biotechnology: a white paper. Fungal Biol Biotechnol 7, 5 (2020). 
https://doi.org/10.1186/s40694-020-00095-z 

Meyer, V., Andersen, M.R., Brakhage A.A. et al. Current challenges of research on filamentous fungi in relation to human welfare and a sustainable bio-economy: a white paper. Fungal Biol Biotechnol 3, 6 (2016).
https://doi.org/10.1186/s40694-016-0024-8

Weitere Informationen und Links

Das EUROFUNG Konsortium vernetzt deutsche, europäische und amerikanische Top-Universitäten und global agierende Unternehmen, die in der Pilzbiotechnologie aktiv sind. An diesem virtuellen Forum sind insgesamt 35 Gruppen aus der Wissenschaft sowie zehn Gruppen aus der Industrie beteiligt. 

Hochauflösende Fotos 

Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung der TU Berlin und der TU München. 

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Kontakte zum Artikel:

Kontakte: 
Prof. Dr. J. Philipp Benz
Technische Universität München
TUM School of Life Sciences Weihenstephan
Holzforschung München
E-Mail: benzspam prevention@hfm.tum.de 

Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer 
Technische Universität Berlin
Fakultät III Prozesswissenschaften 
Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie 
E-Mail: vera.meyerspam prevention@tu-berlin.de 
 

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