• 7.9.2023
  • Lesezeit: 4 Min.

NewIn: Jeannette Kuo

„Unsere Verantwortung endet nicht mit der Schlüsselübergabe“

In dieser Folge „NewIn“ lernen wir die Architektin Jeannette Kuo kennen. Um nachhaltiger und klimagerechter zu bauen, möchte sie grundlegend ändern, wie unsere gebaute Umwelt gestaltet wird. Dafür gibt es nicht die eine Lösung, ist sie überzeugt.

Externen Inhalt anzeigen

An dieser Stelle sind Inhalte eines externen Anbieters (Quelle: www.xyz.de) eingebunden. Beim Anzeigen können Daten an Dritte übertragen oder Cookies gespeichert werden, deshalb ist Ihre Zustimmung erforderlich.

Mehr Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie unter www.tum.de/datenschutz.

Jeannette Kuo war schon in vielen Ländern zuhause: Indonesien, die USA und die Schweiz sind nur einige davon. Seit 2022 forscht und lehrt sie als Professorin für Architektur und Konstruktion an der TUM. „Meine Identität wurde von vielen Orten geprägt“, sagt sie. „Ich war immer Teil verschiedener Kulturen und das zur gleichen Zeit.“

Vielleicht liegt es an diesen vielfältigen Einflüssen, dass Jeannette Kuo vor allem eines wichtig ist: unterschiedliche Perspektiven zu verbinden. „Wir müssen lernen, über architektonische Probleme lokaler und kontextbezogener nachzudenken. Denn eine Lösung für einen Ort lässt sich nicht überall verwenden”, sagt sie.

Zum Beispiel, wenn es um klimagerechtes Bauen geht – eines der Forschungsfelder von Prof. Kuo. Das Bauwesen ist verantwortlich für rund 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes und gehört damit zu den größten Treibern der Klimakrise. Architektur sei mehr als das Lösen technischer Probleme, sagt Kuo. „Wir müssen die Art und Weise zu bauen grundsätzlich überdenken, anstatt nach immer neuen ‚magischen Materialien‘ zu suchen.“

„Magische Materialien“ lösen keine Probleme

Der Baustoff Holz ist ein Beispiel für so ein „magisches Material“. „Holzbauweise liegt im Trend, weil es ein nachwachsender Rohstoff ist und bei der Herstellung weniger CO2 ausgestoßen wird“, sagt Kuo. Aber woher kommt das Holz? Wie wird es hergestellt und welche Folgen hat der Abbau für die Wälder und ihre Funktion als Kohlenstoffsenke? „Diese Fragen sollten wir auch stellen, wenn es um das Bauen mit Holz geht.“

Antworten darauf können Architekt:innen nicht allein finden, ist sich Jeannette Kuo bewusst. An der TUM hat sie deshalb die „Material Exchange Platform“ ins Leben gerufen. Dort werden nicht die Materialien selbst, sondern das Wissen über sie gesammelt, jedes Jahr steht ein anderes im Fokus. „Bei unseren Symposien, Publikationen und Ausstellungen sollen Fachleute ganz unterschiedlicher Disziplinen zusammenkommen, sich austauschen und ihre Perspektiven einbringen.“

Von Indonesien an die Isar

Jeannette Kuo wuchs als Kind chinesisch-vietnamesischer Eltern in Bandung in Indonesien auf. Als Teenager zog sie mit ihren Eltern in die USA. Später studierte sie an der University of California, Berkeley, und der Harvard University und arbeitete unter anderem in Deutschland, Chile und Griechenland. Heute pendelt sie regelmäßig zwischen München, den USA und Zürich, wo sie Mitinhaberin eines Architekturbüros ist.

Diese Lebensstationen haben Prof. Kuos Herangehensweise an Entwürfe und an ihre Forschung geprägt. Zum Beispiel bei der Gestaltung von Fassaden: „In Asien habe ich gesehen, wie traditionelle Viertel gläsernen Wolkenkratzern weichen mussten. Dabei sind Vollglasfassaden im heißen tropischen Klima einfach die falsche Lösung. Und selbst in gemäßigten Klimazonen ist ihr Einsatz fraglich, da sehr viel Energie benötigt wird, um diese Glastürme bewohnbar zu machen“, sagt die Architektin.

Dennoch gelten Glasfassaden als Symbol für Technik und Fortschritt, vielleicht zu unrecht. „In allen Kulturen gibt es Techniken, um klimagerechte Gebäude zu schaffen. Sie nutzen physikalische Prinzipien, um beispielsweise für Schatten und Kühlung zu sorgen“, betont die Wissenschaftlerin und plädiert dafür, Elemente der sogenannten „vernacular architecture“, also aus traditionellen und einfachen Bauweisen, neu zu interpretieren und in die Entwicklung von Entwurfslösungen einzubeziehen. „Es liegt in unserer Verantwortung, von Methoden zu lernen, die sich vor Ort bewährt haben und diese für moderne Anwendungen neu zu deuten.“

Weitsicht über den Bauprozess hinaus

Sich gegenseitig zu inspirieren, ist auch ein Ziel von Prof. Kuos Lehre. Sie leitet das Integrated Architecture Design Studio – einen Entwurfskurs, in dem Architekturstudierende im dritten Semester ein Gebäude vom Konzept bis ins konstruktive Detail entwickeln. Prof. Kuo will Studierende frühzeitig mit Fachleuten aus anderen Disziplinen zusammenbringen, unter anderem aus dem Bauingenieurwesen und der Klimatechnologie. So will sie die Fähigkeit zur transdisziplinären Zusammenarbeit stärken und einen ganzheitlichen Blick auf die gebaute Umwelt fördern. „Ich möchte die Studierenden ermutigen, kritisch und analytisch zu denken, intelligent mit Geschichte und Technologie umzugehen und dies in ihren eigenen Entwürfen umzusetzen.“

Prof. Kuo ist es ein Anliegen, dass Architekt:innen über den konkreten Bauprozess hinausdenken. „Wir sollten uns auch fragen, was mit einem Gebäude nach seiner Nutzung passiert. Und was geschehen muss, damit es wieder genutzt werden kann, vielleicht ganz anders. Denn unsere Verantwortung endet nicht mit der Schlüsselübergabe.“

Weitere Informationen und Links

Seit Januar 2022 ist Jeannette Kuo Professorin für Architektur und Konstruktion an der TUM. Sie studierte Architektur an der University of California, Berkeley und der Harvard Graduate School of Design in Cambridge, USA. An der ETH Zürich erlangte sie zusätzlich einen Master of Advanced Studies. Jeannette Kuo lehrte an renommierten Hochschulen, zuletzt an der Harvard University und der École polytechnique fédérale de Lausanne. Sie ist Mitgründerin des Züricher Architekturbüros KARAMUK KUO.

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS