• 17.11.2023
  • Lesezeit: 4 Min.

Interview mit Quantenphysiker Prof. Andreas Reiserer

Quanteninternet: „Das größte Problem ist Datenverlust“

Weltweit arbeiten Forschende an einem Netzwerk, das Quantencomputer über lange Distanzen miteinander verbinden könnte. Andreas Reiserer, Professor für Quantennetzwerke an der Technischen Universität München (TUM), erklärt, welche Schwierigkeiten dabei überwunden werden müssen und wie in Kristallen gefangene Atome dabei helfen.

Prof. Andreas Reiserer in seinem Labor mit einem experimentellen Aufbau.  Astrid Eckert / TUM
Prof. Andreas Reiserer in seinem Labor mit einem experimentellen Aufbau.

Herr Professor Reiserer, was ist das Quanteninternet und wie unterscheidet es sich von dem Internet, wie wir es kennen?
Die Idee ist die gleiche: Mit dem Internet vernetzen wir Computer miteinander, mithilfe des Quanteninternets können Quantencomputer miteinander kommunizieren. Technisch ist das Quanteninternet aber sehr viel komplexer. Daher konnte man bisher nur kleine Netzwerke realisieren.

Wozu brauchen wir ein Quantennetzwerk?
Es gibt zunächst zwei Hauptanwendungen: Erstens die Vernetzung von Quantencomputern, um deren Rechenleistung zu erhöhen und zweitens eine absolut abhörsichere Verschlüsselung der Kommunikation. Es sind aber auch noch andere Anwendungen möglich: Zum Beispiel die Vernetzung von Teleskopen, um damit eine bisher nicht erreichte Auflösung zu ermöglichen und so in die Tiefen des Universums blicken zu können. Oder die Möglichkeit, Atomuhren weltweit extrem genau zu synchronisieren, was es erlaubt, völlig neue physikalische Fragestellungen zu untersuchen.

Wie werden Informationen zwischen Quantencomputern ausgetauscht?
Genau wie größtenteils auch beim klassischen Internet: durch Lichtteilchen. Diese sogenannten Photonen werden durch Glasfaserkabel geschickt. Beim klassischen Internet verwendet man sehr starke Signale, also Lichtimpulse, die aus Milliarden Photonen bestehen. Die Information wird hier durch einen binären Code übertragen: Licht an oder Licht aus, ähnlich wie bei Morsezeichen. Das ist beim Quanteninternet anders: Zwar gibt es hier auch einen binären Code. Aber die Information wird nicht durch Lichtimpulse mit vielen Teilchen, sondern durch einzelne Photonen übertragen. Dadurch können auch quantenmechanische Zustände übertragen werden, die extrem große Informationsmengen beinhalten.

Warum ist der Aufbau eines Quanteninternets so viel schwieriger?
Auf dem Weg durch das Glasfaserkabel gehen Lichtteilchen verloren. Bei einem normalen Netzwerk können Signale durch Repeater einfach verstärkt werden, indem den Lichtimpulsen wieder mehr Lichtteilchen hinzugefügt werden. Aber wenn beim Quanteninternet ein einzelnes Lichtteilchen verloren geht, ist damit auch die gesamte übertragene Information unwiederbringlich zerstört. Dieser Verlust ist das größte Problem für den Aufbau eines funktionierenden Netzwerks. Lösen ließe es sich durch Quanten-Repeater, an deren Realisierung meine Arbeitsgruppe forscht.

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Welche Herausforderungen müssen Sie dabei überwinden?
Über kurze Distanz funktioniert die Übertragung bereits sehr gut. Allerdings nehmen die Verluste exponentiell mit der Länge zu. Um Quanten-Repeater zu bauen, teilt man daher die Gesamtstrecke in viele kleine Teilabschnitte. Zwischenspeicher, also kleine Quantencomputer, speichern den Quantenzustand nach jeder Teilstrecke so lang, bis ein Photon über die nächste Teilstrecke übertragen werden konnte. Durch sogenannte Quantenteleportation kann man dann die Information dem übertragenen Photon gewissermaßen nachträglich „hinterherschicken“. Dazu benötigt man aber effiziente kleine Quantencomputer, die wir gerade entwickeln.

Wie kann man sich diese kleinen Quantencomputer vorstellen?
Die bisher besten untersuchten Systeme verwenden einzelne Atome, die im Vakuum mit Laserlicht gefangen und auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt werden. Dieser Ansatz erfordert aber ein ganzes Labor mit optischen Komponenten. Daher ist es schwierig, diesen Ansatz im kleinen Maßstab umzusetzen. Wir verwenden stattdessen Silizium-Kristalle, in die einzelne Atome eingebracht und damit sozusagen im Kristall eingesperrt werden. Die Erbium-Atome, die wir nutzen, behalten ihre quantenmechanischen Eigenschaften unter diesen Bedingungen. Der Aufbau benötigt auch tiefe Temperaturen, ist aber technisch sehr viel einfacher. Wir konnten zeigen, dass dieses System im Prinzip funktioniert und dass die Erbium-Atome, wenn sie angeregt werden, Lichtteilchen erzeugen, die für den Transport von Quanteninformationen geeignet sind. Ein großer Vorteil ist dabei, dass wir auf einen Silizium-Chip Tausende oder gar Millionen dieser Strukturen aufbringen können.

Warum ist das wichtig?
Durch die nötige Zwischenspeicherung in den Repeatern würde es sehr lange dauern, Informationen von einem Ort zum anderen zu transportieren. Um eine höhere Rate zu erreichen, verwendet man daher das sogenannte Multiplexing. Das heißt, das Verfahren wird möglichst oft parallel durchgeführt. Mit unserer Technik wird dies möglich, und wir arbeiten bereits an der Umsetzung.

Werden wir das Quanteninternet in Zukunft alle nutzen?
Es ist vielleicht ähnlich wie beim klassischen Internet. Am Anfang hat sich wohl kaum jemand vorstellen können, dass heute jeder den Zugang zum Internet in der Hosentasche trägt und seinen Standort mit Satelliten bestimmt und übers Internet navigiert. Beim Quanteninternet sind wir noch in einem sehr frühen Stadium, wo wir Grundlagenforschung betreiben und uns anschauen: Können wir diese Systeme verbinden? Gelingt es uns, Quantenzustände über die Welt zu verteilen? Die heute bekannten Möglichkeiten solcher Systeme wären in manchen Bereichen bereits revolutionär, und ich bin mir sicher, dass es sehr viele Anwendungen geben wird, an die heute noch keiner denkt.

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Andreas Reiserer
Technische Universität München
Lehrstuhl für Quantennetzwerke
Tel: 49 (89) 289 - 53650
andreas.reisererspam prevention@tum.de
https://www.ph.nat.tum.de/quantum-networks/homepage/

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