• 6.7.2021
  • Lesezeit: 8 Min.

Vizepräsidentin für Talentmanagement und Diversity Prof. Claudia Peus im Gespräch

„Lernen ist unsere Chance für die Zukunft“

Die rasante Veränderung der Arbeitswelt und der technologische Fortschritt schaffen heute einen ständigen Weiterbildungsbedarf. Die TUM hat darauf reagiert, indem sie das TUM Institute for LifeLong Learning (TUM IL³) gegründet hat. Im Interview spricht Gründungsdirektorin und Geschäftsführende Vizepräsidentin für Talentmanagement und Diversity Prof. Claudia Peus über die Angebote des TUM IL³.

Prof. Claudia Peus Magdalena Jooss / TUM
Claudia Peus ist Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement und Gründungsdirektorin des TUM Institute for LifeLong Learning.

Frau Professor Peus, was können wir uns unter dem lebenslangen Lernen vorstellen?

Heute Gelerntes ist morgen häufig schon von gestern. Dafür sorgt unter anderem der aktuell schnell voranschreitende naturwissenschaftliche und technologische Fortschritt: Gerade durch die Digitalisierung sind so viele neue Dinge, so viele neue Technologien, so viele neue Möglichkeiten entstanden. Wissensinhalte, die man im Studium vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gelernt hat, sind deshalb heute oft so nicht mehr gültig. Oder sie reichen nicht mehr aus. Jede und jeder von uns ist entsprechend gefordert, das ganze Leben lang weiter zu lernen. Als Universität sehen wir uns in der Verantwortung, Anlaufstelle für das lebenslange Lernen zu sein. Wir wollen nicht nur einmal Bildungs-Input mit unseren Bachelor- und Master-Programmen geben, sondern wir wollen Menschen die Möglichkeit bieten, nach dem Studium immer wieder zur TUM zurückzukehren, um sich ein Update zu holen. Fach- und Führungskräfte werden hier, im TUM Institute for LifeLong Learning, zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten vorfinden – auf dem neuesten Stand der Forschung, aber gleichzeitig auch praxisorientiert.

Was genau hat sich verändert, das diesen Bedarf an Weiterbildung nach sich zieht?

Für Deutschland hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in seinem sogenannten Future Skills Report beschrieben, dass ein besonders hoher Bedarf im Bereich ‚Digital Skills‘ besteht. Damit ist die Fähigkeit gemeint, mit digitalen Technologien umzugehen und digitale Informationen verstehen zu können. Der Stifterverband 2018 schreibt: Damit in fünf Jahren zwei Drittel der Beschäftigten die Fähigkeit zum digitalen Lernen besitzen, müssen bis dahin 3,8 Millionen Menschen weitergebildet werden. Das ist wirklich eine sehr große Anzahl an Personen. Laut einer Umfrage des Massachusetts Institute of Technology und der Beratungsgesellschaft Deloitte gibt fast die Hälfte der befragten 4.500 Führungskräfte an, dass sie ihre Fähigkeiten kontinuierlich erweitern müssten. Mehr als 90 Prozent beschreiben, dass sie mindestens einmal jährlich ein ‚Update‘ brauchen. Diese Zahlen wurden vor der Pandemie erhoben und ich gehe davon aus, dass der Weiterbildungsbedarf nun nochmals dramatisch angestiegen ist. Wer hätte vor anderthalb Jahren beispielsweise von sich behauptet, dass er seine Personalauswahlgespräche digital führt, dass er ein Team oder sogar ein ganzes Unternehmen aus dem Homeoffice führt? Da sind wir alle quasi über Nacht herausgefordert worden, zu lernen, digitale Technologien zu verwenden. Viele Organisationen müssen nun auch den Führungsstil an die diese Veränderungen anpassen. Und generell haben die letzten Jahre gezeigt, wie sehr technologische Entwicklungen verändern, wie wir kommunizieren, uns fortbewegen oder arbeiten.

Können Sie ein konkretes Beispiel für diese Veränderungen in der Arbeitswelt geben?

Nehmen Sie die Automobilbranche und den Umstieg vom Verbrennungsmotor auf E-Mobilität. Viele Automobilkonzerne beschäftigen Tausende von eigentlich hochqualifizierten Fachkräften, deren Fertigkeiten und Wissen sich nun rasant ändern müssen. Nun sind IT-Kompetenzen gefragt, weniger die Fähigkeit, einen Verbrennungsmotor bauen zu können. Und da erlebe ich in den Unternehmen oft eine große Sorge, wie sie diese Umstellung gemeinsam mit den Beschäftigten schaffen können. Mit dem TUM Institute for LifeLong Learning können wir die Menschen und die Unternehmen in Deutschland dabei unterstützen, zukunftsfähig aufgestellt zu sein und sich die Kenntnisse anzueignen, die in Zukunft entscheidend sein werden. Es ist toll, dass wir einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland leisten können.

Das ist das Ziel des TUM Institute for LifeLong Learning?

Ja. Weitergefasst wollen wir die Anlaufstelle für Fach- und Führungskräfte unterschiedlichster Hintergründe, Branchen und Nationalitäten im deutschsprachigen Raum sein – und perspektivisch auch in ganz Europa. Es ist unser Ziel, Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft dabei zu unterstützen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts effektiv und verantwortungsvoll bewältigen zu können.

„Es ist unser Ziel, Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft dabei zu unterstützen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts effektiv und verantwortungsvoll bewältigen zu können.”— Prof. Claudia Peus

Wie wird die TUM das erreichen?

Die TUM ist dazu in der besten Ausgangslage: Wir sind eine der besten Universitäten in Europa, laut dem QS-Ranking im vergangenen Jahr tatsächlich die beste Universität in der EU und im gerade erschienenen ‚Impact Ranking‘ von Times Higher Education haben wir den ersten Platz weltweit im Bereich Innovation erreicht. Überdies haben wir bereits langjährige Erfahrung im Bereich der Weiterbildung von Führungskräften: In der Wirtschaftsfakultät haben wir in den letzten 15 Jahren bereits eine sehr erfolgreiche Weiterbildung für Führungskräfte unterschiedlicher Branchen aufgebaut, haben international akkreditierte Studiengänge und Zertifikatsprogramme ins Leben gerufen. Wir gehören zu den wenigen Universitäten in Deutschland, die damit schon jetzt im internationalen Markt erfolgreich sind. Gleichzeitig betreiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TUM Spitzenforschung in vielen Zukunftsfeldern, beispielsweise Robotics, maschinelles Lernen, Bioengineering, digitale Medizin, Additive Fertigung, Quantentechnologie und Nachhaltigkeit. Das unterscheidet uns von anderen Weiterbildungsanbietern wie Beratungsgesellschaften und Verlagen aber auch von den meisten Business Schools: Wir haben die Expertinnen und Experten der Technologieentwicklung, Naturwissenschaften und Medizin direkt im Haus. Wir sind Gestalter, nicht Rezipienten, technologischer Entwicklungen und wissen, was in Zukunft möglich sein wird. Wir können Technologieentwicklung nicht nur aus erster Hand erzählen, sondern auch direkt in unseren Laboren und Werkstätten erlebbar machen. Und gleichzeitig verfügt die TUM über exzellente Expertise in den Bildungswissenschaften sowie im Bereich digitale Lehr- und Lerntechnologien, auf der wir aufbauen und die wir für unsere Weiterbildung nutzen können. Wir verfügen außerdem über herausragende Kontakte zu Unternehmen und damit Expertinnen und Experten aus der Praxis. Und wir können den Industriestandort München und die starke Start-up-Szene hier vor Ort nutzen. Unser hervorragendes Netzwerk beziehen wir auch in die Entwicklung unserer Angebote mit ein – und zwar weltweit. Ich denke, darin sind wir einzigartig.

Wie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TUM vom Institute for LifeLong Learning profitieren?

Die Weiterbildung von externen Fach- und Führungskräften ist nur eine Säule des TUM Institute for LifeLong Learning. Die zweite ist die Weiterbildung aller Angehörigen der TUM. An der TUM haben wir über die Jahre hinweg gute Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt, die aber über unterschiedliche Einheiten verteilt waren. Etwa ProLehre | Medien und Didaktik, TUM horizons und unsere Angebote für Professorinnen und Professoren. All diese Programme haben wir jetzt am TUM Institute for LifeLong Learning unter einem Dach vereint. So sind die Kurse viel besser auffindbar und Schritt für Schritt integrieren wir auch die IT- und Anmeldesysteme. So können wir Ressourcen dafür einsparen und die freiwerdenden Ressourcen dafür nutzen, um neue Angebote zu entwickeln sowie Bestehendes zu erweitern und weiter zu verbessern. In unseren Angeboten spielt auch das Thema Future Skills eine große Rolle, damit verbunden auch das Thema Digital Leadership und auch der Bereich Diversity.

Gibt es auch ganz neue Angebote für Mitarbeitende?

Ja. Gerade ist unser neues Programm CareerDesign@TUM gestartet, ein strukturiertes Qualifizierungsprogramm für den akademischen Mittelbau. Das Programm wird es ermöglichen, sich im Wissenschaftsmanagement, in der Lehre und Weiterbildung, im Ausgründungsmanagement, im Forschungsmanagement oder im Technologiemanagement zu spezialisieren und systematisch weiterzubilden. Mit diesem Programm beschreiten wir in Deutschland Neuland. Der akademische Mittelbau und das Wissenschaftsmanagement sind hierzulande zwar eine zentrale Säule der Universitäten, beide haben aber, was die Weiterbildung und die Karriereperspektiven betrifft, in der Vergangenheit nicht genug Beachtung gefunden.

Uni-Präsident Prof. Thomas F. Hofmann hat die TUM immer wieder als einen „Tauschplatz des Wissens“ beschrieben, der vor allem vom persönlichen Austausch lebt. Was bedeutet es für das TUM Institute for LifeLong Learning, dass es während der Corona-Pandemie gestartet ist, die den direkten und persönlichen Austausch erschwert?

Die Pandemie war und ist natürlich eine besondere Herausforderung für uns. Wir mussten – wie so viele andere auch – von heute auf morgen unsere in Präsenz geplanten Programme umstellen und digital zugänglich machen. Dabei konnten wir dann aber auch ganz neue didaktische Methoden einsetzen: Wir haben beispielsweise Online-Strategiespiele und Online-Coaching angeboten. Zusätzlich wurde eine Speaker Series mit dem Titel TUMex Summer Sundays etabliert, in der hochrangige Referentinnen und Referenten über aktuelle Themen gesprochen haben. Beispielsweise hat ein ehemaliger General, der in Afghanistan kommandiert hat, über Führung in der Krise gesprochen. Insgesamt haben wir sehr viele Fragen dazu erhalten, wie man aus dem Homeoffice führt. Dazu haben wir dann die sogenannte TUM Knowledge Base entwickelt, also eine kuratierte Sammlung von Materialien und Informationen zum Thema virtuelle Führung und virtuelle Zusammenarbeit. Wie Sie sagen, ist der persönliche Austausch ein sehr wichtiges Element in solchen Programmen. Wir haben versucht, diesen auch in der digitalen Welt zu ermöglichen und beispielsweise eine spannende Podcastreihe gestartet, in der wir uns mit verschiedenen Gästen die Frage stellen, wie unsere Arbeit und Forschung helfen kann, die Welt zu verbessern. Obwohl wir sehr viel positives Feedback zu unseren digitalen Veranstaltungen erhalten haben, haben wir im letzten Jahr aber auch gelernt, wie wichtig die persönliche Begegnung bleibt. Entsprechend werden wir auch nach der Pandemie immer eine Mischung aus digitalen und Präsenz-Veranstaltungen anbieten.

„Ich bin beeindruckt davon, was es an der TUM alles gibt und welche zukunftsträchtigen Themen hier bearbeitet werden.”— Prof. Claudia Peus

Was ist für Sie persönlich das Spannendste am Aufbau des TUM Institute for LifeLong Learning?

Im Moment laufe ich – gut, in diesem Fall virtuell – durch die TUM und stelle unser Grundkonzept vor. Ich finde heraus, woran unsere Professorinnen und Professoren forschen und wovon sie glauben, es sei besonders wichtig für die Praxis. Und ich bin beeindruckt davon, was es an der TUM alles gibt, welche zukunftsträchtigen Themen hier bearbeitet werden und mit wieviel Leidenschaft und Ideenreichtum die Kolleginnen und Kollegen ihre Forschung vorantreiben und Implikationen für die Praxis herausarbeiten. Das ist wirklich begeisternd – und ich lerne jeden Tag etwas Neues.

Weitere Informationen und Links

Das TUM Institute for LifeLong Learning wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Freistaat Bayern im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. www.exzellenz.tum.de

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