• 22.11.2022
  • Lesezeit: 9 Min.

Enormer Erfolg des wissenschaftlichen Nachwuchses

Zwölf ERC Starting Grants gehen an die TUM

Gleich zwölf Nachwuchsforschende der TUM erhalten ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC). Mit dieser finanziellen Förderung unterstützt die EU Wissenschaftler:innen in einem frühen Karrierestadium. Sie haben sich mit bahnbrechenden Forschungsprojekten darum beworben und wurden von hochrangigen Expertengremien ausgewählt.

Illustration zum Thema Peptide luismmolina / istock.com
Zwölf Forschungsprojekte zu Themen wie der Simulation von peptidbasiertes Materialien, neuen Ansätzen für Krebs-Immuntherapien oder dem Erhalt von Gebäuden werden künftig mit Starting Grants des Europäischen Forschungsrats gefördert.

TUM-Präsident Prof. Thomas F. Hofmann: „Zwölf ERC Starting Grants – das ist ein großer Erfolg für die TUM und eine internationale Bestätigung für die wissenschaftliche Qualität der Forschenden. Ich gratuliere allen Ausgezeichneten von Herzen und bin schon ganz gespannt auf die faszinierenden Ergebnisse der Forschungsprojekte.

Forscherinnen und Forscher an der TUM konnten bislang insgesamt 176 der renommierten ERC Grants einwerben. Diese werden jedes Jahr in verschiedenen Kategorien vergeben. Starting Grants richten sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Sie sind mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotiert.

Prof. Dr. Pramod Bhatotia

Durch Fortschritte bei Hardware, künstlicher Intelligenz und Big Data sind viele neue datengetriebene Anwendungen möglich geworden - etwa in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und Robotik. Diese nutzen oft eine große Anzahl dezentraler Rechner zur Verarbeitung von Nutzungsdaten. Anwendungen, die ein integraler Teil unseres täglichen Lebens sind, sollten zuverlässig und sicher sein und konform zu lokalen Gesetzgebungen arbeiten, etwa den Datenschutzrichtlinen der EU. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die Programmierung, da die dezentralen Rechner oftmals ganz unterschiedliche Hardware haben und in mehreren Ländern mit unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben betrieben werden. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wird Pramod Bhatotia DOS entwickeln, ein dezentrales Betriebssystem. Das DOS-Projekt verfolgt ein radikal neues Hardware/OS-Co-Design, bei dem Zuverlässigkeit und Sicherheitseigenschaften von den grundlegenden Schichten der Datenverarbeitung auf richtlinienkonforme Weise durchgesetzt werden.

Pramod Bhatotia ist Professor für Professor of Distributed and Operating Systems.

Dr. Johanna Eichhorn

Ein vielversprechender Ansatz zur direkten Umwandlung von Sonnenlicht in speicherbare Brennstoffe ist die photoelektrochemische Energieumwandlung. Wirtschaftlich rentable und skalierbare Photosysteme basieren häufig auf halbleitenden Dünnschichten. Deren Materialeigenschaften variieren auf Längenskalen von Nano- bis zu Mikrometern. Makroskalige Charakterisierungsverfahren mitteln bislang die photoelektrochemische Leistung und Materialeigenschaften über die gesamte Photoelektrode, so dass wichtige Einblicke in die Nanoskala verborgen bleiben. Das DynNano-Forschungsprogramm von Johanna Eichhorn wird fortschrittliche Mikroskopie und Spektroskopie kombinieren, um die lokalen Prozesse von Halbleiterphotoelektroden auf der Nanoskala und unter Betriebsbedingungen zu untersuchen. Damit soll ein umfassendes Porträt der elementaren Schritte zur Umwandlung von Licht in chemische Energie gewonnen werden, und somit eine Wissensgrundlage für die gezielte Entwicklung effizienter, stabiler und skalierbarer Photosysteme geschaffen werden.

Dr. Johanna Eichhorn forscht am Walter-Schottky-Institut der TUM.

Dr. Terrance J. Hadlington

Synthetische Amine sind organische Grundstoffe, die wichtig sind um beispielsweise Wasser aufzubereiten oder Medikamente zu produzieren. Sie werden in großen Mengen industriell hergestellt, allerdings sind die derzeitigen Produktionsverfahren oft ineffizient und erzeugen erhebliche chemische Abfälle. Mit seinem Projekt SINGAMBI möchte Terrance Hadlington ein Herstellungsverfahren für Amine entwickeln, das hocheffizient ist und keine chemischen Abfallprodukte erzeugt. Dafür entwickelt er neue, kooperative molekulare Systeme. Diese kombinieren Hauptgruppenelemente und Übergangsmetalle, um Ammoniak zu aktiveren, was bisher schwierig war. Mit diesen kooperativen Systemen möchte er dann Ammoniak direkt auf Alkene übertragen, um so Amine nachhaltig herzustellen.

Dr. Terrance Hadlington forscht am Lehrstuhl für Anorganische Chemie mit Schwerpunkt Neue Materialien.

Prof. Dr. Angelika Harbauer

Viele neurologische Erkrankungen werden durch Fehlfunktionen in den zellulären Kraftwerken, den Mitochondrien, begünstigt oder ausgelöst. Im Projekt MitoPIP erforschen Angelika Harbauer und ihr Team künftig die Funktionsweise der Mitochondrien in Nervenzellen, genauer: die Kommunikation zwischen beiden. Eine wichtige aber noch nicht vollends verstandene Rolle spielt dabei das Protein Synaptojanin 2. Bei Erkrankungen kann es zu Störungen der Signalwege zwischen Mitochondrien und anderen Zellbestandteilen kommen. Einige Medikamente gegen neurologische Erkrankungen wirken über einen Signalweg, an dem auch Synaptojanin 2 beteiligt ist. Angelika Harbauer will die Mechanismen und Signalwege in Zusammenhang mit diesem Protein genauer erforschen, um die Vorgänge einer Krankheitsentstehung und die Wirkungsweise von Medikamenten besser zu verstehen und Ansatzpunkte für neue Therapien zu finden.

Angelika Harbauer ist Professorin für Neuronen und Metabolismus. Als Wissenschaftlerin im Programm MaxPlanck@TUM leitet sie zudem eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (in Gründung).

PD Dr. Simon Heidegger

Extrazelluläre Vesikel sind Membran-umschlossene Partikel, die von den meisten Zellen unseres Körpers abgegeben werden. Sie wandern im Körper und können von anderen Zellen aufgenommen werden. Aufgrund ihrer Ladung aus Proteinen, Lipiden und sogenannten Nukleinsäuren, sind sie ein wichtiger Teil der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Zellen. In seinem Projekt IMMUNO-TEX möchte  Simon Heidegger diese Eigenschaft für Krebs-Immuntherapien nutzbar machen. Er und sein Team haben eine Möglichkeit identifiziert, Tumore dazu zu bringen, extrazelluläre Vesikel mit besonderen Eigenschaften abzugeben. Diese enthalten sowohl Antigene des Tumors als auch Substanzen, die Immunreaktionen im Körper fördern. Diese Vesikel könnte man nutzen, um den Körper von Krebspatient:innen anzuregen, maßgeschneiderte Immunzellen zu bilden, die den Tumor bekämpfen. Simon Heidegger will zunächst die Funktionsmechanismen extrazellulärer Vesikel aus Tumoren noch genauer untersuchen. In einer späteren Phase soll das Konzept in Tiermodellen und „künstlichen Tumoren“ erprobt werden.

PD Dr. Simon Heidegger ist forschender Arzt in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Klinikums rechts der Isar und leitet eine Forschungsgruppe am Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung (TranslaTUM).

PD Dr. Thorsten Kessler

Ob bei einem Menschen Herzinfarkte und Koronare Herzkrankheit auftreten und wie sie verlaufen, wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst. Dazu gehören etwa Veränderungen in verschiedenen Zelltypen, darunter Herzmuskel-, Gefäß- und Blutzellen, die intensiv erforscht werden. Im Projekt MATRICARD konzentriert sich Thorsten Kessler dagegen auf die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Der Begriff bezeichnet das Gerüst, in dem die Zellen angeordnet sind. Seit einigen Jahren ist klar, dass die EZM nicht nur Stützgerüst ist, sondern eine Rolle für die Kommunikation zwischen den Zellen spielt. Kessler und sein Team konnten bereits herausfinden, dass Proteine in der EZM das Verhalten der angrenzenden Zellen beeinflussen können, beispielsweise Entzündungsreaktionen. Jetzt wollen die Wissenschaftler:innen die molekularen Mechanismen in der EZM noch genauer analysieren und Ansatzpunkte für neue Medikamente gegen Herz- und Gefäßerkrankungen identifizieren.

PD Dr. Thorsten Kesslerleitet eine Forschungsgruppe am Deutschen Herzzentrum München, Klinik an der TUM.

Prof. Dr. Henrike Niederholtmeyer

Viele Biomoleküle wie Proteine und RNA haben die Fähigkeit, sich spontan in molekular dichten, tröpfchenförmigen Ansammlungen zu konzentrieren. Diese sogenannten biomolekularen Kondensate gelten als vielversprechendes Werkzeug in der synthetischen Biologie und der Materialwissenschaft, beispielsweise als mikroskopisch kleine Bioreaktoren. Um sie herstellen und nutzen zu können, fehlen allerdings sowohl Wissen, wie die Materialeigenschaften von Kondensaten die Biochemie beeinflussen, als auch Strategien zur Regulierung dieser dynamischen Zusammensetzungen. Im Projekt SYNSEMBL will Henrike Niederholtmeyer Pionierarbeit bei der Synthese, der Charakterisierung und der Erforschung der Wirkung von biomolekularen Kondensaten leisten sowie den Weg für ihre Anwendung bereiten.

Dr. Henrike Niederholtmeyer wird ab Dezember als Professorin für Synthetische Biologie am TUM Campus Straubing forschen und lehren. Derzeit arbeitet sie am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.

Prof. Dr. Andreas Putz

Standardisierte, seriell gefertigte Bauteile bestimmen die High-Tech Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Menge an einzelnen Bauteilen und damit verbundenen Daten stellen bei heutigen Renovierungsmaßnahmen eine gewaltige Herausforderung für die historische und technische Bewertung dar. Da Baupläne meist nur schwer auffindbar und wenn nur analog vorhanden sind, werden Bauteile häufiger als nötig ausgetauscht oder ersetzt. Andreas Putz möchte der unnötigen Zerstörung von neuerer Bausubstanz mit dem Forschungsprojekt CONSTEMO entgegenwirken. Hierzu sollen zuerst Fensterrahmen von Gebäuden, die zwischen 1960 und 1990 verbaut wurden, untersucht werden. Aus historischen Quellen und 3D-Scans generierte Daten werden in einem digitalen Archiv zusammengeführt. Diese Sammlung wird zum ersten Mal einen umfassenden Überblick und ein Verständnis von Fenstern in der spätmodernen Architektur geben, die für deren zukünftige Erhaltung und Wiederverwendung entscheidend sind.

Andreas Putz ist Professor für Neuere Baudenkmalpflege.

PD Dr. Sebastian Seibold

Wälder spielen im Klimawandel eine wichtige Rolle, da sie CO2 aufnehmen und speichern. Teil des natürlichen Kreislaufs ist aber auch die Zersetzung von abgestorbenen Pflanzen durch Pilze und Insekten, bei der das gespeicherte CO2 wird frei wird. Mit diesem Regelkreislauf befasst sich Sebastian Seibold im Projekt BIOCOMP. In einer globalen Studie will er will untersuchen, wie sich Zersetzungsprozesse bei zunehmender Klimaerwärmung und gleichzeitiger Veränderung der Artenvielfalt verändern. Ziel ist es, Daten und Strategien bereitstellen, um diese Herausforderung der aktuellen Klima- und Forstpolitik zu bewältigen.

PD Dr. Sebastian Seibold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften an der TUM von Prof. Rupert Seidl.

Prof. Dr. Mathias Wilhelm

Proteine spielen bei biologischen Prozessen in allen Organismen eine entscheidende Rolle. Ihre Baupläne sind in Genen codiert, wobei ein einzelnes Gen durchaus für mehrere Varianten von Proteinen, so genannte Isoformen, verantwortlich sein kann. Mathias Wilhelm will im Projekt ORIGIN die riesige Menge an bereits vorhandenen Messdaten aus massenspektrometrischen Untersuchungen verwenden, um neuronale Netzwerke zu trainieren. Sein Hauptziel ist dabei die Entwicklung einer Analysemethode welche mithilfe dieser künstlichen Intelligenz erstmals die systematische Identifizierung und Quantifizierung von Isoformen erlaubt. Damit sollen das Verständnis der molekularen Vielfalt des Lebens wesentlich erweitert und offene Fragen über das Vorkommen, die Abundanz und funktionellen Aufgaben dieser Isoformen beantwortet werden.

Mathias Wilhelm ist Professor für Computational Mass Spectrometry.

Dr. David Johannes Wuepper

Die zunehmende Verschlechterung der Bodenqualität ist ein globales Problem mit gravierenden Auswirkungen auf den Klimawandel, die Artenvielfalt, die Wasserqualität und die landwirtschaftliche Produktion. Überall auf der Welt versuchen Länder dieser Entwicklung entgegenzuwirken und setzen dabei auf eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien. David Johannes Wuepper will im Projekt LAND-POLICY diese staatlichen Maßnahmen weltweit  erfassen und auf ihre jeweilige Wirksamkeit analysieren. Die daraus entstehende Datenbank soll unter anderem mit Hilfe von Machine-Learning-Software erstmals einen Vergleich der Kosteneffektivität von solchen Maßnahmen ermöglichen. Ziel ist es, Politik und Öffentlichkeit bei der künftigen Auswahl von geeigneten Maßnahmen zu unterstützen.

Dr. David Johannes Wuepper ist Agrarökonom und als Nachwuchsgruppenleiter an der Professur für Waldinventur und nachhaltige Nutzung vorgesehen.

Prof. Dr. Julija Zavadlav

Peptide, also kurze Ketten von Aminosäuren, können sich spontan zu multifunktionalen Materialien zusammenfügen, die in neuen Technologien von der Arzneimittelherstellung bis hin zu weichen Halbleiterbauelementen eingesetzt werden. Die Entwicklung dieser Materialien ist deshalb eine Herausforderung, denn die Wissenschaftler:innen müssen die beste Aminosäuresequenz aus einer enormen Anzahl von Möglichkeiten herausfiltern - viel mehr, als man experimentell testen kann. In ihrem Projekt SupraModel wird Julija Zavadlav ein neuartiges Berechnungssystem entwickeln, das Multiskalenmodellierung, Molekularsimulationen und maschinelles Lernen miteinander verbindet. Dieser Rahmen wird eine schnelle und genaue Vorhersage der Peptid-Zusammensetzung ermöglichen und einen beispiellosen molekularen Einblick in den Prozess der Zusammensetzung gewähren. Mit den gewonnenen Daten will sie die dringend benötigte Anleitung für die Entwicklung peptidbasierter Materialien der nächsten Generation liefern.

Julija Zavadlav ist Professorin für Multiscale Modeling of Fluid Materials.

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